Familienrichterin Barbara Schnabel vor den Aktenordnern mit aktuellen Fällen, die sie beim Amtsgericht Esslingen bearbeitet. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Vielfalt der Fälle hat Barbara Schnabel gereizt, zum Familiengericht zu gehen. Dort verhandelt sie neben Scheidungsfällen auch Sorgerechtsverfahren, Fälle von häuslicher Gewalt oder Adoptionen.

Esslingen Mit Männern, Frauen und Kindern in schwierigen Lebenslagen hat Familienrichterin Barbara Schnabel vor Gericht zu tun. Beim Amtsgericht Esslingen verhandelt sie zu einem großen Teil Scheidungsfälle. Aber auch Adoptionen, Vaterschafts-Feststellungen und Fälle von häuslicher Gewalt sowie das Umgangsrecht mit minderjährigen Kindern sind Themen, die auf dem Tisch der Juristin landen. Vielfach sind das Fälle, in denen traurige Schicksale verhandelt werden. „Ich habe mit getroffenen Menschen zu tun“, bringt die Richterin ihr komplexes Aufgabengebiet auf einen Nenner.

Für das Familiengericht entschied sich die Juristin, die mit ihrer Familie in Stuttgart lebt, nicht zuletzt wegen der Vielfalt der Fälle. „Meist geht es darum, mit den Prozessbeteiligten einen Konsens zu finden.“ Gerade wenn in Scheidungsverfahren Kinder beteiligt sind, findet sie das wichtig. Im Idealfall liefen die Verfahren dann auf einen Vergleich hinaus. Jungen und Mädchen zu vernehmen, ist selbst für die erfahrene Familienrichterin nicht einfach. Sobald die Kleinen aussagefähig sind, werden sie gehört – eine exakte Altersgrenze gibt es daher nicht. Besonders in Sorgerechtsverfahren hat ihre Stimme Gewicht.

Für die Jüngeren gibt es im Esslinger Amtsgericht ein Spielzimmer. An einem Kindertischchen mit Sitzbank begeben sich Schnabel und ihre Kollegen auf Augenhöhe mit den Jungen und Mädchen. Die Robe ziehen sie aus, um die Gesprächssituation möglichst natürlich zu gestalten. „Vielen fällt es leichter, wenn sie während des Gesprächs mit Legosteinen was bauen dürfen“, weiß die erfahrene Richterin, die selbst Mutter ist. In den Regalen liegen Spiele, Bilderbücher und Buntstifte. Auch Malen entspanne die Kleinen. Auf einer Truhe liegt ein grünes Krokodil aus Stoff. „In der kurzen Zeit ist es sehr schwer, sich ein Bild von den Menschen und ihren Sorgen oder Wünschen zu machen“, findet Barbara Schnabel. Ältere Kinder und Jugendliche werden im Richterzimmer vernommen.

Wer die großen Verhandlungsräume von Strafgerichtsverfahren kennt, wird sich über die Säle des Esslinger Familiengerichts wundern. „Sie erinnern eher an Besprechungsräume“, beschreibt die Juristin die Konferenztische. In dieser Umgebung falle es ihr leichter, eine positive Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Auch wenn sie immer wieder Prozessbeteiligte erlebe, die selbst den Kindern zuliebe nicht auf ihre Rosenkriege verzichten könnten. Da sucht die geduldige Juristin gemeinsam mit den Anwälten nach Lösungen, die alle zufrieden stellen. Wenn alle Versuche, zwischen den Beteiligten zu vermitteln, scheitern, urteilt das Gericht. Gerade bei Scheidungen mit Unterhaltsansprüchen gehe es um viel Geld oder um Immobilienbesitz. Auch wirtschaftliche Fragen haben daher im Familiengericht hohen Stellenwert.

Mit ihrer gelassenen Art und dem charmanten Lächeln fällt es der Richterin nicht schwer, Konflikte zu entschärfen. Aber es gebe immer wieder Fälle, in denen es zu spät für jedwede Art von Mediation ist. Dann hat das Familiengericht Möglichkeiten, zum Beispiel Kinder vor aggressiven Eltern zu schützen. Immer wieder verhandelt Schnabel auch Fälle, in denen Jungen und Mädchen von den Müttern oder Vätern vernachlässigt werden. In der Regel schreitet zunächst das Jugendamt ein. Wenn es um eine Inobhutnahme geht, liegt die endgültige Entscheidung beim Familiengericht. „Uns geht es um das Wohl der Kinder.“ Schnabel hört die Mitarbeiter der Jugendbehörde ebenso wie die Eltern, macht sich dabei selbst ein Bild von der Situation. Es sei durchaus möglich, dass sie anders entscheide als das Jugendamt. Da kommt der erfahrenen Richterin ihre Menschenkenntnis zu Gute. „Vor Gericht wird so viel gelogen, oft nur, um dem anderen zu schaden.“ Das herauszufinden und objektiv zu entscheiden, ist ihre Aufgabe. Kontakte mit Anwälten oder Prozessbeteiligten sind deshalb für die Richterin vor der Verhandlung tabu. Im Vorfeld gelangt sie durch intensives Aktenstudium zu einer ersten Einschätzung. Etwa 350 Fälle in Familiensachen bearbeiten Vollzeit-Richter am Esslinger Amtsgericht in einem Jahr. Die Akten mit den aktuellen Fällen hängen in braunen Ordnern im Geschäftszimmer des Familiengerichts. „Manche Fälle sind schnell verhandelt, etwa, wenn es um eine Vaterschaftsfeststellung geht“, sagt die Richterin. Nach dem DNA-Test bei einem vom Gericht anerkannten Labor sei da alles klar. Scheidungsverfahren dagegen zögen sich oft hin, wenn es um das Sorgerecht für die Kinder oder um den Unterhalt geht.

Auch Fälle, in denen Kindern, Frauen oder auch Männern von Angehörigen Gewalt angetan wird, landen beim Esslinger Familiengericht. Tätern, die gegen Auflagen eines Gewaltschutzbeschlusses verstoßen, kann das Familiengericht ein Zwangsgeld auferlegen. In der kreisweiten Arbeitsgemeinschaft „Hilfen gegen häusliche Gewalt“ ist das Familiengericht ebenfalls vertreten. Um Opfer zu unterstützen und um Täter in Therapie zu bringen, hat der Landkreis Esslingen ein engmaschiges Netz von Hilfen aufgebaut. Diese Vernetzung ist Schnabel sehr wichtig. „Es geht uns darum, den Betroffenen zu helfen.“ Da ist die Richterin froh, Menschen, deren Fälle sie verhandelt, an die entsprechenden Organisationen verweisen zu können. Gerade im Familiengericht nähmen auch Anwälte diese Aufgabe mit großem Engagement wahr.

Die Serie

Das Amtsgericht ist eine Institution, die tief in Esslingen verankert ist. Hier werden Urteile über Straftaten gesprochen, die in der Stadt und Umgebung begangen wurden, hier wird über Nachbarschaftsstreitigkeiten und Familienkonflikte verhandelt. In einer Serie stellen wir verschiedene Aspekte sowie Personen vor, die das Amtsgericht prägen, etwa die Arbeit von Schöffen, Bewährungshelfern, Zeugenbegleitern oder Dolmetschern. Die Serienteile erscheinen in loser Folge.