Das Kulturfest „Stadt der Frauen“ fand im vergangenen Herbst geteiltes Echo. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Der Gemeinderat muss eine neue Kultur-Chefin oder einen neuen Kultur-Chef wählen. Zwei Kandidaten gehen am 20. Mai ins Finale.

EsslingenWenn der Esslinger Gemeinderat an diesem Montag über die Nachfolge des bisherigen Kulturamts-Leiters Benedikt Stegmayer entscheidet, lockt die Stadt mit „einer gestaltungsreichen, vielseitigen und herausfordernden Tätigkeit in einem gut entwickelten kulturellen Netzwerk mit engagierten Partnern“. 18 Bewerberinnen und Bewerber fanden die Ausschreibung so attraktiv, dass sie ihren Hut in den Ring warfen. Nach einer internen Vorauswahl hatten sich die drei aussichtsreichsten Kandidaten in einer gemeinsamen Sitzung von Verwaltungs- und Kulturausschuss vorgestellt – zwei Namen blieben übrig. Anders als in früheren Jahren wird die Personalie hinter verschlossenen Türen entschieden: Die Stadt beruft sich auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz und wählt Amtsleiter nur noch in nichtöffentlicher Sitzung. Unterlegene Bewerber sollen bei ihren bisherigen Arbeitgebern keine Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Nicht nur im Rathaus, sondern auch in der örtlichen Kulturszene hoffen viele, dass es dem Gemeinderat gelingen möge, den Chefsessel in der Kulturverwaltung wieder langfristig zu besetzen. Viele erinnern sich wehmütig an die Ära des früh verstorbenen Kulturreferenten Peter Kastner, der 21 Jahre lang das kulturelle Leben der Stadt zu dem gemacht hat, was es heute ist. Seit er krankheitsbedingt in den Ruhestand gehen musste, tut sich die Stadt mit einer dauerhaften Lösung schwer: Kastners Nachfolgerin Barbara Maria Schierl war nur wenige Monate im Amt, ihre Nachfolgerin Christine Mast nicht einmal zwei Jahre. Benedikt Stegmayer brachte es auf dreieinhalb Jahre, ehe es ihn zum 1. Mai nach Bayreuth zog.

Nun machen sich eine Bewerberin und ein Bewerber Hoffnungen auf Stegmayers Nachfolge. Insider berichten, dass der Gemeinderat die Wahl zwischen zwei recht unterschiedlich gestrickten Kandidaten habe. Wer das Rennen machen wird, scheint offen. Sicher ist: Auf die künftige Leitung des Kulturamts warten große Aufgaben – allen voran „die Modernisierung und Positionierung einer zukunftsorientierten Stadtbücherei“. Und auch sonst hat es diese Aufgabe in sich: Neben der Führung des Kulturamts und seiner Abteilungen mit 170 Mitarbeitern erwartet die Stadt unter anderem die Weiterentwicklung und Umsetzung der städtischen Kulturkonzeption, die Förderung und Pflege des kulturellen Netzwerks und der Esslinger Rolle in der Kulturregion Stuttgart sowie die Planung und Organisation des städtischen Kulturprogramms, wobei es nicht zuletzt darum gehen wird, zum Kulturfest „Stadt im Fluss“, das sich im vergangenen Jahr „Stadt der Frauen“ nannte und durchaus kontrovers diskutiert worden war, ein neues Konzept für die nächste Auflage im Herbst 2021 zu entwickeln.

Dreieinhalb Jahre an der Spitze der Esslinger Kulturverwaltung

Als er im November 2015 sein neues Amt antrat, machte Benedikt Stegmayer den Esslingern Hoffnung, dass die unruhigen Zeiten an der Spitze ihrer Kulturverwaltung vorbei sein würden: „Diese Aufgabe birgt sehr viel Entwicklungspotenzial – ein solcher Prozess ist nicht in fünf Jahren abgeschlossen. Wenn wir gemeinsam zu einer Kulturkonzeption kommen, ist sie auf zehn und mehr Jahre angelegt. Wer etwas erreichen will, muss langfristig denken. Wenn es nach mir geht, will ich auch am Erfolg teilhaben.“ Dreieinhalb Jahre später ist die Ära Stegmayer schon wieder vorbei. Ende Januar wurde der 37-Jährige zum neuen Kulturreferenten in Bayreuth gewählt – künftig will er lieber am Erfolg der Wagner-Stadt teilhaben.

Stegmayer hat in seiner Zeit in Esslingen manches bewegt, auch wenn sich manche gewünscht hätten, dass er häufiger mit offenem Visier für die Sache der Kultur gekämpft hätte. Er hat die Wiederbelebung des Centraltheaters betrieben und Leander Schwazers Ausstellungsprojekt KadeWe den Weg geebnet – auch wenn dessen Zeit in der Galerie 13 nach allerlei Dissonanzen schon wieder beendet ist. Er hat das Kulturfest „Stadt der Frauen“ initiiert, das bei Publikum und Kulturausschuss geteilte Meinungen hinterließ. Und er hat eine Kulturkonzeption vorgelegt, die seinen Namen trägt und die dank vieler kenntnisreicher Kulturakteure, die Entscheidendes beisteuerten, eine wichtige Bestandsaufnahme der örtlichen Szene liefert. Den spannenderen Teil der Arbeit, aus der Analyse die richtigen Zukunftsperspektiven zu entwickeln, darf seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger weiterführen. Genau wie Stegmayers Vorhaben, eine Kultur-App aufzulegen, die er bei seiner Bewerbung 2015 als eines der vordringlichen Projekte genannt hatte und die noch auf sich warten lässt.

Viele werden Stegmayer als gewieften Netzwerker in Erinnerung behalten, der es verstanden hat, sich den nötigen Rückhalt in einzelnen Ratsfraktionen zu sichern. Und der bei der Standortentscheidung zur Stadtbücherei im Hintergrund manche Fäden gezogen hat, ohne sich allzu sehr als Neubau-Befürworter zu positionieren. Jene Künstler und Kulturschaffenden, denen Stegmayer in den vergangenen dreieinhalb Jahren den Rücken gestärkt und Wege geebnet hat, werden ihn vermissen. adi

Kommentar

Alexander Maier kommentiert das Thema unter dem Titel "Langfristig denken"