Ein junger Mann machte sich unter anderem der Volksverhetzung schuldig. Foto: Tom Weller - Tom Weller

Weil er den Hitlergruß gezeigt und ausländerfeindliche Sprüche gerufen hatte, musste sich ein 36-Jähriger vor dem Amtsgericht Esslingen verantworten.

EsslingenVollständig aufklären konnte die Hauptverhandlung am Esslinger Amtsgericht die Geschehnisse nicht, die sich am 23. Dezember 2018 in der Wäldenbronner Straße zugetragen hatten. Im Raum standen die Vorwürfe der Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen einer verfassungsfeindlichen Organisation. Der Angeklagte gab massive Gedächtnislücken an, räumte aber ein, dass er nicht ausschließen könne, die Taten begangen zu haben. Auch die Zeugen konnten das Bild nicht vervollständigen.

Nur so viel ist klar: Der 36-jährige Angeklagte hatte mit vier Bekannten bei sich zu Hause Alkohol getrunken und Pizza gegessen. Später waren die Beteiligten in eine Bar gegangen und hatten dort weiter getrunken. Gegen 23.25 Uhr soll der Angeklagte dann in der Wäldenbronner Straße laut „Heil Hitler“ gerufen und dazu den Hitlergruß gezeigt haben. Zudem soll er ausländerfeindliche Sprüche gerufen und gegen die Eingangstür zur Wohnung einer Zeugin getreten haben. Dies bestätigten vor Gericht zwei Anwohner, die Zeugen des Vorfalls geworden waren. „Er hat damit zumindest billigend in Kauf genommen, dass Sie damit einen Anreiz für feindselige Handlungen gegen Ausländer gegeben haben“, sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft in der Verlesung der Anklageschrift.

Auf dem Rückweg von der Kneipe sei die Gruppe um den Angeklagten dann unvermittelt angegriffen worden. „Ich habe hinter mit Schlagstockgeräusche gehört und dann hat mit jemand unvermittelt mit dem Schlagstock ins Gesicht geschlagen“, so der 36-Jährige. Er sei zu Boden gegangen und habe – auch aufgrund seiner Alkoholisierung von 2,5 Promille – danach keine klare Erinnerung mehr. Der Angeklagte kam weitgehend ohne Verletzungen davon – seine Freunde wurden teils schwer verletzt.

Da sich die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger darauf geeinigt hatten, den Einspruch gegen den ursprünglichen Strafbefehl auf den Ausspruch der Rechtsfolgen zu beschränken, stand die genaue Abfolge der Geschehnisse der Nacht nicht mehr zur Debatte. Es ging lediglich darum, die Höhe der Strafe festzusetzen.

Der Verteidiger des Angeklagten plädierte dafür, dem 36-jährigen aufgrund seiner Alkoholisierung eine stark verminderte Schuldfähigkeit zu bescheinigen. Er forderte, die im Strafbefehl genannte Strafe von 90 Tagessätzen auf 50 herabzusetzen. Die Staatsanwaltschaft dagegen tat sich mit der stark verminderten Schuldfähigkeit schwer. „Es gibt keinen begründeten Zweifel, dass er sich der Volksverhetzung schuldig gemacht hat“, so der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Die im Strafbefehl genannte Tagessatzzahl sei schon sehr großzügig – auf Volksverhetzung steht eigentlich eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten. Bei der Höhe der Tagessätze kam er dem Angeklagten aber entgegen. 20 statt 45 Euro forderte er.

Der Richter legte sich schließlich auf ein Mittelmaß fest. 75 Tagessätze zu je 20 Euro. Zudem trägt der 36-Jährige die Kosten des Verfahrens. Für den Angeklagten habe gesprochen, dass er keine Vorstrafen habe und sich bei den Ermittlungen kooperativ gezeigt habe. Allerdings: „Die Rechtsordnung kann es nicht hinnehmen, dass alkoholisierte Gruppen durch die Straßen ziehen und das friedliche Zusammenleben gefährden“, so der Vorsitzende Richter. Im selben Atemzug verurteilte er aber auch die vermeintliche Selbstjustiz scharf, die dem Angriff auf die Gruppe um den Angeklagten vermutlich zugrunde liege. Verteidiger und Staatsanwaltschaft verständigten sich darauf, das Urteil nicht anzufechten.