Bei der neuen Stadtführung müssen die Teilnehmer selbst aktiv werden und nach Hinweisen Ausschau halten. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die neue Stadtführung „Ich sehe was, was du nicht siehst“ setzt auf den gleichnamigen Klassiker des Kinderspiels und auf Interaktion: Die Teilnehmer dürfen rätseln und selbst in Rätseln sprechen.

Esslingen Ich sehe was, was du nicht siehst: Diesen Klassiker des Kinderspiels dürfte fast jeder kennen. Das hat sich Annemarie Albus-Braun nun zunutze gemacht. Bei einer neuen Tour der Esslinger Stadtmarketing und Tourismus Gesellschaft (EST) setzt die Stadtführerin das Ratespiel ein, um die Teilnehmer auf versteckte Details aufmerksam zu machen und aktiv einzubinden. Dabei geht es nicht nur darum, Fragen zu beantworten. Denn wer die Antwort auf eine Frage weiß, soll diese nicht sofort herausposaunen, sondern seinerseits umschreiben, um was es sich handeln könnte – damit sich möglichst viele am Rätselspaß beteiligen können.

Los geht es auf dem Marktplatz. „Ich sehe was, was du nicht siehst – und das ist golden“, sagt Annemarie Albus-Braun und lächelt in die Runde. Die Teilnehmer schauen sich suchend um. Eine Frau fragt: „Könnte es sich um eine Figur handeln?“ Die Stadtführerin nickt. „Könnte diese auf einer Kirche stehen?“, fragt sie weiter. Albus-Braun bejaht. Ob sie den Engel auf der Frauenkirche meine? „Ja“, sagt die Stadtführerin. Sie hätte aber auch den Hahn auf der Stadtkirche St. Dionys oder das Kreuz auf der katholischen Kirche St. Paul gelten lassen. „Es geht mir darum, den Blick dafür zu schärfen, wie viele Kirchen es hier gibt“, sagt Albus-Braun. Schließlich seien die Anfänge Esslingens auf eine Vorgängerkirche der Stadtkirche an derselben Stelle zurückzuführen. Nämlich auf die St.-Vitalis-Kirche, in der sich die Gebeine des Heiligen Vitalis befanden und die deshalb zum Wallfahrtsort avancierte.

Die Kraft des Kellergeistes

Mit „Ich sehe was, was du nicht siehst – und das ist nichts“ spielt Albus-Braun auf das Katharinenspital an, das einst stand, wo sich heute der Marktplatz befindet. Es ist komplett verschwunden, war aber bis vor 200 Jahren eine große städtische Einrichtung, die sich um Bedürftige aller Art kümmerte. Der Hinweis auf etwas Schwarzes lässt die Tour-Teilnehmer in der Nähe des Kielmeyer-Hauses erraten, dass es sich um etwas handelt, das mit Wein zu tun hat und ein Gesicht hat: das schwarze Männle, auch Keltermännle genannt, das oben an einer Ecke des Gebäudes hängt. Diesem Kellergeist sei die Kraft zugesprochen worden, für Ordnung zu sorgen, erzählt Albus-Braun. Denn das Gebäude diente früher als Kelter für das Katharinenspital. Wenn die Tagelöhner, die dort arbeiteten, zu viel mitgehen ließen, sei das schwarze Männle der Überlieferung nach mit dem Knüppel gekommen.

Es sind Details wie diese, die man bei der Führung mit dem spielerischen Element erfährt – inspiriert von architektonischen Besonderheiten in der Stadt, die selbst manch langjähriger Bewohner Esslingens bei der Tour zum ersten Mal bewusst wahrnimmt. Ob am Salemer Pfleghof, bei der Frauenkirche, im Klostergarten oder auf der Inneren Brücke: Bei dem Rundgang durch die historische Altstadt gilt es überall, die Augen offen zu halten. Ist erst einmal das Rätsel gelöst, das Albus-Braun den Tour-Teilnehmern aufgibt, weiß die Stadtführerin mit allerhand Detailwissen über das jeweilige Bauwerk sowie dessen Bedeutung in früheren Zeiten zu informieren.

Kein Wunder: Annemarie Albus-Braun ist in Esslingen geboren und hat sich intensiv mit ihrer Heimatstadt beschäftigt. Nicht zuletzt, weil ihre Familie seit Generationen hier lebt und viele Vorfahren Zimmermänner oder sogar Architekten waren, deren Häuser teilweise bis heute im Stadtbild zu sehen sind.

Die Tour ist eine von acht neuen Esslinger Stadtführungen in diesem Jahr. Sie findet als öffentliche Führung am 15. Juni, am 3. August und am 14. September jeweils um 17.30 Uhr statt, kann aber auch für geschlossene Gruppen gebucht werden. Weitere Informationen gibt es bei der Stadtinformation der EST am Marktplatz oder im Internet auf der Seite www.esslingen-marketing.de.