Die Esslinger Stadtbücherei ist ein beliebter Ort des Lesens, des Lernens und der Begegnung. Nun gilt es, die Bibliothek für die Anforderungen der Zukunft zu rüsten. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Das Tauziehen um den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei geht weiter - und es wird wohl bis zum Frühjahr dauern, bis eine Entscheidung fällt. Verwaltung und Gemeinderat sind sich einig, dass noch zu viele offene Fragen zu klären sind. Zwei Alternativen sind aktuell im Rennen: eine Modernisierung der bisherigen Bücherei im Bebenhäuser Pfleghof, die um das Nachbarhaus Heugasse 11 zu erweitern wäre, und ein Neubau zwischenKüferstraße und Kupfergasse. Nachdem die Verwaltung zuletzt die Neubaulösung in ihrer Bewertung klar bevorzugt hatte, sollen nun beide Varianten „absolut gleichberechtigt“ geprüft werden, so Rathaus-Sprecher Roland Karpentier. Dass sich die Stadt nun doch mehr Zeit für eine sachgerechte Untersuchung beider Standorte nimmt, begrüßt die Vorsitzende des Fördervereins der Stadtbücherei, Professorin Sylvia Greiffenhagen: „Wir erwarten die Entscheidung vertrauensvoll.“

Verwaltung und Teile des Gemeinderats wollten die Standortentscheidung schon vor der Sommerpause treffen. Weil da aber noch vieles ungeklärt war, hatten SPD und Freie Wähler auf eine Vertagung bis zum Herbst gedrängt. Ein Argument für die Vertagung war, dass es die Verwaltung versäumt hatte, die Bürger angemessen einzubeziehen. Deshalb gab es Ende September eine Informationsveranstaltung, die ungewöhnlich große Resonanz fand - und an deren Ende vor allem die Erkenntnis blieb, dass die bisherigen Planungen noch nicht fundiert genug waren.

Der Abend im Alten Rathaus hat auch manche Ratsmitglieder nachdenklich gemacht. Deshalb wurde nun in nichtöffentlicher Verwaltungsausschuss-Sitzung beschlossen, den Standort-Beschluss auf das Frühjahr zu vertagen. Bis dahin soll die Verwaltung ihre Planungen konkretisieren und dem Bebenhäuser Pfleghof dieselben Chancen einräumen wie einem Neubau. Unterstützt wird die Bauverwaltung vom Architekturbüro Fritzen 28, das beide Standorte und deren Perspektiven für die Bibliothek der Zukunft ausloten soll. Kosten: zwischen 30 000 und 50 000 Euro. Im April 2013 hatte Fritzen 28 bereits eine Machbarkeitsstudie für eine Erweiterung und Modernisierung der Bücherei in der Heugasse sowie die Zukunft von Stadtmuseum und Villa Merkel vorgelegt. Kultur- und Bauverwaltung sowie die beauftragten Architekten arbeiten in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zusammen, die alle Aspekte beleuchten und auch zahlreiche Fragen aus dem Gemeinderat beantworten soll. Selbst die CDU-Fraktion, die bereits im Juli abstimmen wollte, weil nach ihrem damaligen Eindruck alles klar war, hat wie die anderen Fraktionen nun doch noch einen längeren Fragenkatalog vorgelegt.

Baurecht und Denkmalschutz im Blick

Ein entscheidendes Argument wird die Größe der künftigen Bücherei sein: Aktuell rechnet die Stadt mit maximal 3600 Quadratmetern - Fachleute empfehlen für Bibliotheken in Städten dieser Größe 4500 bis 5000 Quadratmeter. Rund 3600 Quadratmeter wären laut der Machbarkeitsstudie von 2013 im Pfleghof möglich. Allerdings wird dort neben technischen Fragen auch zu klären sein, ob und in welchen Bereichen der Denkmalschutz mitzureden hat. Doch auch vor einem Umzug Richtung Küferstraße gibt es einiges zu klären. Wie groß ein Neubau in zweiter Reihe an der Küferstraße werden könnte, hängt nicht zuletzt von baurechtlichen Fragen ab: Wie nah darf ein neues Gebäude an die angrenzende Bebauung heranrücken und wie hoch darf ein Neubau werden? Dass die Stadt die Gebäude Küferstraße 13/1 und Kupfergasse 6 kaufen und das Areal neu bebauen könnte, ist grundsätzlich klar. Schon vor der Sommerpause gab es nach Informationen aus dem Rathaus eine mündliche Einigung mit dem dortigen Eigentümer, im September wurden die Absprachen konkretisiert. In einer schriftlichen Absichtserklärung haben beide Seiten sogar schon einen möglichen Verkaufspreis fixiert. Dagegen spielt die Frage, was bei einem Umzug der Bücherei in einen Neubau aus dem Bebenhäuser Pfleghof werden würde, für die Verwaltung aktuell keine Rolle: „Unsere Aufgabe ist es momentan, für beide Standorte zu prüfen, wie weit sich dort die Anforderungen an eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts realisieren lassen“, sagt Karpentier. „Dann muss der Gemeinderat entscheiden. Dass die Frage, was aus dem Pfleghof wird, bei der Meinungsbildung in den Fraktionen eine Rolle spielen wird, ist anzunehmen.“

Für Irritation hatte zuletzt bei vielen Freunden der Bücherei gesorgt, dass es bereits eine Konzeption für die neue Bücherei gibt, die aber noch nicht öffentlich diskutiert werden soll. „Im Grunde ist das erst ein Anforderungsprofil an eine Bücherei der Zukunft“, sagt Karpentier. „Nun müssen wir diese Anforderungen zunächst mit den räumlichen Möglichkeiten beider Standorte in Einklang bringen. Erst dann kann man von einer Konzeption sprechen. Wenn der Wunsch aus dem Gemeinderat kommt, vor einem Grundsatzbeschluss nochmals eine Infoveranstaltung zu Standort und Konzeption anzubieten, werden wir das sicherlich tun.“

Der Bürgerausschuss Innenstadt sagt seine Meinung

Stadtbücherei: Der Bürgerausschuss Innenstadt begrüßt die Entscheidung, die Standort-Entscheidung für die Esslinger Bibliothek zu vertagen. „Dieses Thema ist so wichtig - da darf es keinen Beschluss geben, für den man noch nicht die nötige Grundlage hat“, sagt die Vorsitzende Barbara Frey. Den aktuellen Standort im Bebenhäuser Pfleghof findet sie „absolut geeignet“ für eine moderne Bibliothek: „Daraus könnte man etwas richtig Gutes machen - wenn man wirklich will.“ Mit einem Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse könnte sich der Bürgerausschuss auch anfreunden, weil er die Möglichkeit eröffne, ein wenig attraktives Areal aufzuwerten und die Küferstraße zu stärken. Das dürfe aber nicht auf Kosten der Bibliothek gehen: „Nur wenn ein Neubau der Bücherei deutliche Vorteile gegenüber einem modernisierten Pfleghof bringt, sollte die Stadt diesen Weg gehen“. Deshalb müssten beide Standort-Alternativen mit derselben Ernsthaftigkeit geprüft werden. Sollte sich die Stadt für einen Neubau entscheiden, legt der Bürgerausschuss Wert auf eine architektonisch anspruchsvolle Planung, die in der beengten Lage zwischen Küferstraße und Kupfergasse eine Herausforderung bedeute. Unabhängig vom Standort müsse die Bücherei ihr besonderes Flair und eine hohe Aufenthaltsqualität haben. „Wenn es am Ende nur einen Zweckbau gäbe, nur weil man Geld sparen möchte, wäre keinem gedient“, sagt Barbara Frey.

Bebenhäuser Pfleghof: Klar ist für den Bürgerausschuss, dass die Stadt den Bebenhäuser Pfleghof in jedem Fall in ihrem Besitz behalten muss: „Ein Verkauf ist für uns undenkbar und würde auch von vielen Bürgern keinesfalls akzeptiert werden.“ Denkbar wäre, dass das Stadtmuseum in den Pfleghof einziehen würde, was allerdings mit zusätzlichen Kosten in Millionenhöhe verbunden wäre: „Das Gebäude muss in jedem Fall aufwendig saniert werden.“ Deshalb glaubt Barbara Frey, dass es am Ende auf eine Bücherei im Pfleghof hinauslaufen könnte: „Das ist ein einmaliges historisches Gebäude, das Geschichte erlebbar macht. Wenn man sich anschaut, was selbst kleinere Städte wie Ravensburg aus ihrer historischen Bausubstanz machen, müsste es für Esslingen ein Leichtes sein, eine ganz moderne Bibliothek in einem Ambiente zu schaffen, das perfekt zu einer Stadt wie Esslingen passt.“