Bernd Daferner, Christa Müller und Wolfgang Clauß (von links) wollen die Begeisterung der Zuschauer fürs Esslinger Theater fördern. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Als die Landesregierung 1998 die Württembergische Landesbühne Esslingen zur Disposition stellte, regte sich vielstimmiger Protest – der Bestand des Theaters wurde gesichert.

EsslingenDie Württembergische Landesbühne (WLB) blickt auf 100 Jahre Esslinger Theatergeschichte zurück. Viel hätte allerdings nicht gefehlt, und dieses Jubiläum würde es nie geben: Ende der 90er-Jahre hatte die Landesregierung erwogen, eine der drei Landesbühnen zu schließen – wegen der Nähe zur Landeshauptstadt mit ihrer vielfältigen Bühnenszene schien der damalige Esslinger Intendant Peter Dolder schlechtere Karten zu haben als seine Kollegen in Tübingen und Bruchsal. Doch die Landesregierung hatte die Rechnung ohne die Esslinger Theater-Fans gemacht. Die gingen auf die Barrikaden, sammelten 24 000 Unterschriften für den Erhalt der WLB und zeigten mit einer Menschenkette rund ums Schauspielhaus, dass sie sich ihr Theater nicht nehmen lassen. Einer der Initiatoren des Protests war der Journalist und Filmemacher Bernd Daferner. Nachdem die Esslinger den Erhalt ihres Theaters erkämpft hatten, war für ihn klar, dass die Bürgerinitiative ihre Arbeit noch lange nicht vollendet hatte. Zusammen mit vielen Gleichgesinnten gründete er den Verein der Freunde der Württembergischen Landesbühne, der nun auf 20 erfolgreiche Jahre zurückblickt. Die Arbeit des Vereins hat sich seither stetig weiterentwickelt. Geblieben ist die Leidenschaft seiner Mitglieder fürs Theater – und für die WLB.

Schauspiel hautnah erleben

2,2 Millionen Zuschauer haben seit der Entscheidung für den Erhalt der WLB deren Vorstellungen besucht. Das ist auch ein Verdienst des Vereins der Freunde der WLB, der rund 200 Mitglieder zählt. „Wir waren uns damals einig, dass es nicht genügt, nur für den Erhalt unseres Theaters zu kämpfen und wenn der erreicht ist, einfach aufzuhören“, sagt Bernd Daferner, der Initiator der Vereinsgründung und dann fast 18 Jahre lang Vorsitzender war. Vor zwei Jahren hat er die Leitung an Wolfgang Clauß abgegeben – seither engagieren er und Christa Müller sich als Vize-Vorsitzende. Dass ein Theater wie die WLB dauerhaft einen Verein im Rücken braucht, war für Daferner nach der erfolgreichen Solidaritätsaktion im Herbst 1998 klar: „Unterschriftensammlung, Kundgebung und Menschenkette haben damals gezeigt, dass vielen Esslingerinnen und Esslingern bewusst geworden ist, wie viel der Stadt fehlen würde, wenn es unser Theater nicht mehr gäbe. Das wollten wir aufnehmen und mit unserem Verein dazu beitragen, dass die Verbindung zwischen der WLB und ihrem Publikum noch enger geknüpft wird.“

Dafür hat der Verein in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Menge getan. Besonders reizvoll findet Christa Müller den Blick hinter die Kulissen: „Wenn man weiß, wie eine Inszenierung entsteht, wenn man Proben erleben und hinterher von den Dramaturgen die Hintergründe erfahren und wenn man mit Schauspielern, Regisseuren, Ausstattern und den Intendanten ins Gespräch kommen darf, sieht man eine Inszenierung mit anderen Augen. All das verbindet zusätzlich, weil man das Gefühl bekommt, ein Teil des Ganzen zu sein.“ Theaterreisen, besondere Aufführungen der WLB speziell für den Verein und seine Mitglieder und Besuche in anderen Kultureinrichtungen gehören ebenso zum Programm. Alljährlich zeichnet der Verein zwei herausragende Schauspieler, die Junge WLB sowie ein außergewöhnliches Stück mit Theaterpreisen aus – eine rund 20-köpfige Jury diskutiert fachkundig und oft stundenlang über die Preisträger. „Wenn das Theater unsere Unterstützung braucht, können wir besondere Projekte fördern“, denkt Christa Müller auch ans Finanzielle.

Junge Zuschauer im Blick

Und noch etwas liegt Bernd Daferner und seinen Mitstreitern am Herzen: „Es ist uns ein besonderes Anliegen, junge Menschen aller Schichten und Nationalitäten ans Theater und die Kultur heranzuführen.“ Angebote wie das Projekt Klassenkasse oder der Kulturrucksack werden vom Verein unterstützt – finanziell und ideell. „Ich kann jedem nur raten, sich dafür einzusetzen, dass junge Menschen die ganze Vielfalt der Kultur für sich entdecken.“ Und was ist, wenn der Verein mal an der Arbeit der Theater-Profis etwas auszusetzen hätte? „Dann würden wir darüber mit den Intendanten reden. Aber während der Intendanz von Friedrich Schirmer und Marcus Grube gab’s dazu noch keinerlei Anlass. Der Austausch ist sehr angenehm und konstruktiv“, versichert Wolfgang Clauß, der seit Achim Thorwalds Intendanz Mitte der 70er- und 80er-Jahre zu den Abonnenten gehört. „Wir leben durch die WLB, aber wir geben ihr auch viel zurück.“

Der Verein der Freunde der Württembergischen Landesbühne verleiht die neuen Esslinger Theaterpreise in einer Matinee, die am Sonntag, 15. September, um 11 Uhr im Schauspielhaus der WLB beginnt. Anschließend wird im Foyer eine Ausstellung eröffnet, die 20 Jahre Vereinsgeschichte Revue passieren lässt.