Christel Hoffmann und Dekan Weißenborn am Portal. Foto: Rapp-Hirrlinger - Rapp-Hirrlinger

Die Esslinger Stadtkirche erhielt nach einer Sanierung vor 50 Jahren ihr Bronze-Portal. Es wurde von Bildhauer Ulrich Henn geschaffen und zeigt die wechselhafte Beziehung von Mensch und Gott.

EsslingenSchwer und wuchtig wirkt das Westportal der Esslinger Stadtkirche St. Dionys auf den ersten Blick. Mancher Passant oder Kirchenbesucher wird kaum einen Blick darauf werfen. Wer sich aber Zeit nimmt, die Darstellungen darauf genauer zu betrachten, kann in den acht Medaillons biblische „Schlüsselgeschichten“ entdecken.

Vor 50 Jahren wurde nach einer gründlichen Renovierung der Stadtkirche die schlichte Holztür des Westportals durch die von dem Künstler Ulrich Henn (1925 – 2014) gestaltete Bronzetür ersetzt. Das theologische Programm entwarf der damalige Esslinger Dekan Helmut Pfeiffer gemeinsam mit dem Künstler. Es stellt den Weg Gottes mit den Menschen dar. „Mich hat diese Tür sofort fasziniert, als wir nach Esslingen kamen“, sagt Christel Hoffmann, ehemalige Lehrerin an der Waisenhofschule und frühere Frau des einstigen Stadtkirchenpfarrers. Sie selbst hat sich intensiv mit der theologischen Botschaft der Tür beschäftigt und auch Meditationen darüber geschrieben. Hoffmanns Anliegen ist es, die Tür stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

„Ich bin sehr dankbar für dieses Engagement, denn das Kunstwerk ist es wert, dass man sich näher damit beschäftigt“, sagt Dekan Bernd Weißenborn. „Sakrale Kunst ist nicht nur da, um ästhetisch anzusprechen, sondern soll die Menschen innerlich berühren“, erklärt Hoffmann. Ulrich Henns Kunst verrate ein feinsinniges und sensibles theologisches Gespür.

Vor allem der Türgriff mit der Figur des Jona, der aus dem Bauch des Fisches ragt, hat es Hoffmann angetan. Er korrespondiert mit einem der Glasfenster im Chor, das zeigt, wie Jona in den Rachen des Fisches gestoßen wird. „Damit verbinden sich Tod und Auferstehung“, erklärt Hoffmann.

Die vier Medaillons auf dem linken Türflügel zeigen von unten nach oben den Sündenfall, den Brudermord Kains, die Sintflut und den Turmbau zu Babel und spiegeln laut Helmut Pfeiffer damit die Aufkündigung von Liebe und Vertrauen der Menschen Gott gegenüber, aber auch untereinander, wie auch die menschliche Hybris. „Dieser Eigenmächtigkeit und Verantwortungslosigkeit des Menschen stellt Gott seine grenzenlose Liebe zum Menschen gegenüber“, sagte er. Dafür stehen die vier Medaillons des rechten Türflügels mit neutestamentlichen Motiven – die Geburt Christi, die Heilung des Gelähmten, die Geschichte der Sturmstillung und Jesus im Garten Gethsemane.

Zwischen den beiden Türflügeln verläuft ein Band aus Blättern des Lebensbaumes, das im Kruzifix ganz oben mündet. Es zeigt den gekreuzigten, aber auch segnenden Christus. Ein Motiv, das sich in etlichen Bildern wiederfindet.

Ulrich Henn, der als bedeutender Erschaffer religiöser Kunst gilt, hat insgesamt 36 Kirchenportale geschaffen. Ein weiteres findet sich in der Martinskirche in Oberesslingen.

www.ev-kirche-esslingen.de

Der Künstler

Bildhauer Ulrich Henn wurde 1925 in Schwäbisch Hall geboren. Nach seinem Notabitur musste er im Zweiten Weltkrieg Militärdienst leisten. Er kam in amerikanische Gefangenschaft in Italien bis 1946. In dieser Zeit schaffte er laut Angaben auf seiner Webseite mit Rasierklingen erste Arbeiten aus Munitionskistenholz. Nach seiner Entlassung arbeitete er zunächst im Studio von Professor Josef Zeitler in Stuttgart. Seit 1948 war er als Bildhauer selbstständig, zunächst mit Atelier in Stuttgart, später in Leudersdorf/Eifel.

Auf Aufträge für Restaurierungen in Holz und Stein folgten eigenständige

Arbeiten für Kirchen und im öffentlichen Raum. Eine Handverletzung zwang Henn schließlich, die Arbeitsweise auf Modellieren in Wachs für Bronzeguss umzustellen. Er schuf zahlreiche Kirchenportale, Brunnen und Freiplastiken in Deutschland, England, Österreich, den USA und anderen Ländern.