Jörg M. Schall und Dagmar Bahr vom Bürgerausschuss sehen die Parksituation in der Innenstadt mit Sorge. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Wer in der Esslinger Innenstadt wohnt, kann vieles auf kurzen Wegen erledigen. Doch die günstige Lage, die gute Topographie und die differenzierte Infrastruktur haben auch ihre Kehrseiten: Die Verkehrsdichte ist gewaltig, Parkprobleme sind an der Tagesordnung, Anwohner klagen über Lärm und schlechte Luft. Darüber berichten wir in unserer Mobilitätsserie.

EsslingenMobilität kann sich für viele Bewohner der Esslinger Innenstadt ziemlich elegant regeln: Geschäfte, Freizeiteinrichtungen und Behörden sind meist bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar. Manche Innenstädter verzichten deshalb sogar auf ein eigenes Auto, und wenn sie eines brauchen, nutzen sie Carsharing-Angebote. Wer jedoch auf ein eigenes Auto angewiesen ist, hat’s weniger leicht: Parkplätze sind in der Innenstadt rar, während der Stoßzeiten rollt eine Blechlawine durch die City, Baustellen wie derzeit an der Ringstraße verschärfen Staus und nervige Wartezeiten. Derweil ärgern sich Anwohner viel befahrener Innenstadtstraßen über Lärm, Abgase und Schmutz. Kein Wunder, dass man nicht nur im Rathaus schon lange über Möglichkeiten nachdenkt, den Individualverkehr zu reduzieren und möglichst viele Esslinger zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen. Auch für den Bürgerausschuss Innenstadt ist das ein zentrales Anliegen – wobei sich Patentlösungen nicht unbedingt aufdrängen.

„Teilweise extreme Bedingungen“

Jörg M. Schall, der Vize-Vorsitzende des Bürgerausschusses, weiß nur zu gut, dass die Situation in manchen Straßen schwierig ist: „Anwohner viel befahrener Strecken wie der Entengrabenstraße, der Vogelsangbrücke oder der Mettinger Straße sind nicht zu beneiden. Das sind teilweise extreme Bedingungen.“ Gerade während der Sanierung der Augustinerbrücke staut sich der Verkehr oft weit zurück. Und viele denken schon mit Grausen an die bevorstehende Sanierung des Geiselbachs, die noch viel aufwendigere Umleitungen nötig macht. „Meist ist das nur schwer aufzulösen“, weiß Schall. „Solche Bauarbeiten müssen sein, aber die Folgen für Verkehrsteilnehmer und Anwohner sind heftig. Wer sich auskennt und die betroffenen Bereiche weiträumig umfahren kann, sollte das tun. Aber oft steht man einfach im Stau.“ Wozu das führen kann, hat Dagmar Bahr vom Bürgerausschuss beobachtet: „Wenn auf der Ringstraße nichts mehr geht, suchen viele nach Schleichwegen durch die Altstadtgassen. Das macht alles nur noch schwieriger.“

Die Stadt hat zuletzt versucht, unerwünschten Verkehr aus der Innenstadt fernzuhalten – etwa durch Veränderungen an der Zufahrt zur Ritterstraße. Jörg M. Schall hat jedoch beobachtet, „dass viele Autofahrer die Schilder entweder nicht richtig verstehen oder einfach nicht beachten“. Dagmar Bahr ärgert sich über Zeitgenossen, „die mit dem Auto in die Ritterstraße fahren, vor dem Supermarkt halten und mit einer Brezel wieder rauskommen. Die kann man auch anderswo kaufen, wo man nicht den Verkehr behindern und durch die halbe Altstadt fahren muss.“ Deshalb nimmt Schall alle in die Pflicht: „Gegenseitige Rücksicht nützt allen. Viele Probleme lassen sich einfach lösen, wenn sich jeder an die Regeln hält und überlegt, ob er sich einen Vorteil auf Kosten anderer einhandelt.“ Deshalb appelliert der Bürgerausschuss an die Stadt, Verstöße konsequent zu ahnden: „Wenn die Leute das Gefühl haben, dass die Stadt nicht so genau hinschaut, dann ist die Bereitschaft geringer, sich an die Regeln zu halten.“ Wie gut es der Innenstadt tun kann, wenn der Autoverkehr reduziert wird, zeige sich am Rathausplatz. Dagegen sieht Schall mit Sorge die Pläne für 300 Micro-Apartments in der Innenstadt: „Das wird die Parksituation erheblich verschärfen.“

Wenn man im Bürgerausschuss über den Verkehr in der Innenstadt nachdenkt, werden viele Möglichkeiten diskutiert. Bei Themen wie dem Lärmschutz an der Bahn, weiteren Tempo-30-Bereichen oder besseren Straßenbelägen herrscht aktuell Funkstille, was Schall bedauert, aber auch verstehen kann: „Bei den vielen Baustellen, die es ohnehin gibt, will man natürlich keine weiteren.“ Deshalb müsse eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs noch konsequenter verfolgt werden – im Interesse der Innenstadtbewohner und der Verkehrsteilnehmer. „Doch dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen“, betont Dagmar Bahr. „Der öffentliche Personennahverkehr muss ausgebaut werden, die Voraussetzungen für Fußgänger und Radfahrer müssen weiter verbessert werden. Es darf nicht sein, dass eine Fahrradstraße irgendwo im gefährlichen Nichts endet. Fahrradfahrer brauchen auch genügend Möglichkeiten, wo sie ihre Räder wirklich sicher unterstellen können – gerade am Bahnhof.“ Und Jörg M. Schall ergänzt: „Ideen gibt es viele – man muss sie allerdings auch umsetzen.“

Stärken, Schwächen und Statistik

Kurze Wege: Wer in der Esslinger Innenstadt wohnt, kann vieles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen. Die Topographie erleichtert den Umstieg aufs Rad.

Radverkehr: Noch gibt es viel zu tun, um die Situation für Radfahrer zu verbessern. Die Stadt will und muss sich verstärkt darum kümmern, weil sich so der Autoverkehr reduzieren lässt.

Nahverkehr: Weil der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) in der Innenstadt liegt, haben viele Bewohner der City die nächste Bushaltestelle vor der Haustüre.

Verkehrsaufkommen: Zu Stoßzeiten wälzt sich eine Blechlawine in zentralen Bereichen wie den Neckarbrücken oder der Ringstraße durch die Stadt.

Parken: Parkplätze sind gerade für Innenstadtbewohner rar. Obwohl die Stadt versucht, Nicht-Anlieger aus der City fernzuhalten, kreisen viele durch die Altstadt in der Hoffnung, ein Plätzchen zu finden. Oft wird „wild“ geparkt.

Baustellen: Die Baustelle Augustinerbrücke sorgt für lange Staus. Viele denken bereits mit Grausen an die bevorstehende Sanierung des Geiselbachs. Und mit der Sanierung der Neckarbrücken wartet eine weitere Herausforderung.

Zahlen: In der Esslinger Innenstadt waren zum Jahresanfang 3269 privat und 933 gewerblich genutzte Personenwagen, 372 Motorräder und 250 Nutzfahrzeuge zugelassen. Nur ein sehr geringer Anteil wird elektrisch betrieben.