In Rottenburg überreichte Bischof Fürst Brunhilde Burgmann die Martinusmedaille für ihren jahrelangen Einsatz. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart/Jo - Diözese Rottenburg-Stuttgart/Jochen Wiedemann

Als 1993 der Bosnienkrieg viele Menschen zur Flucht zwang, entstand in Esslingen-Berkheim der Freundeskreis Asyl. Bis heute ist Brunhilde Burgmann darin aktiv, nun erhielt sie dafür die Martinusmedaille.

EsslingenHätten Brunhilde Burgmann und ihr Ehemann damals nicht die zweite Tochter zur Taufe gebracht, vielleicht wäre ja alles ganz anders gekommen. Aber Pfarrer Rolf Scheiffele war damals wachsam und sah die Fähigkeiten des katholisch sozialisierten Ehepaars. „Wir sind 1981 von Münster nach Esslingen gezogen, der Ortspfarrer in Berkheim hat uns gekrallt“, sagt Brunhilde Burgmann. „Wir konnten immer nicht nein sagen.“ Die langfristige Folge: Für ihren vielseitigen Einsatz hat Bischof Gebhard Fürst ihr nun im Bischofshaus in Rottenburg die Martinusmedaille verliehen.

Seit 16 Jahren im Freundeskreis Asyl

In der Berkheimer Kirchengemeinde St. Maria war sie in der Taufkatechese, im Kindergottesdienst, bei der Erstkommunion- und Firmvorbereitung, beim Besuchsdienst für Neuzugezogene und in den Taizé-Gottesdiensten aktiv. Als 1993 viele Menschen vor dem Bosnienkrieg nach Deutschland flohen, entstand aus den Mitarbeitern im ökumenischen Kindergottesdienst heraus der ökumenische Freundeskreis Asyl, der mit einem Kernteam von acht Leuten bis heute besteht. „Wir haben Kleider gesammelt, einen Kindergarten und ein Schulzimmer eingerichtet“, erinnert sich Burgmann. „Wir haben mit einem wöchentlichen Treffen für Frauen begonnen. Sie sind in der Situation erstarkt, mussten den Familienbetrieb am Laufen halten.“ Bis heute wird der Freundeskreis von den Pfarrern unterstützt. Das war vor allem am Anfang bitter nötig: „In den ersten 15 Jahren hat kein Hahn nach den Flüchtlingen gekräht.“

Heute ist die Situation ganz anders. „Die Menschen, die heute kommen, sind anders – im Fluchtweg, in ihrer Geschichte, in den Erwartungen.“ Die Wohnsituation hat sich verbessert, statt fünf Quadratmetern stehen nun jedem sieben Quadratmeter zu, das Landratsamt und die AWO sind präsent. Es gibt nur noch drei große Unterkünfte in der Stadt mit etwa 150 Geflüchteten, hinzu kommen etwa 1500 Menschen in der Anschlussunterbringung. Jeden Montagnachmittag bietet der Freundeskreis das „Café für Alle“ an. Seit 2014 hält Burgmann Vorträge bei den Rotariern und anderen und weiß: „Die Infos, welche die Leute aus dem Fernsehen haben, entsprechen nicht der Realität.“ Heute käme die Hälfte der Geflüchteten in Esslingen aus Schwarzafrika. „Das sind entsetzliche Flüchtlingsgeschichten, manche sind zwei Jahre lang unterwegs, viele verdursten in der Wüste.“ Mindestens 40 Prozent der Angekommenen seien traumatisiert und bräuchten Therapie. Doch es fehle an Therapeuten, Geld und Dolmetschern. Alle wollten schnell arbeiten und eine Wohnung, doch dazu müssten sie Deutsch können. Aber ohne Rechtssicherheit seien viele völlig blockiert. „Ich habe nur Probleme im Kopf“, habe ihr ein Geflüchteter gesagt. Dort sei gerade kein Platz für eine neue Sprache.

Es gibt auch Rückschläge

Brunhilde Burgmann hat auch viele Abschiebungen begleitet. „Ich war mit auf dem Flughafen.“ Sie bezeichnet sich selbst als „Macher“, freut sich über das „Netzwerk von Hilfsmöglichkeiten“. Doch es gebe auch Rückschläge. „Man muss sehr stressresistent sein.“ Man könne das nur aushalten, wenn man im Team arbeite und die Familie müsse dahinterstehen, sagt Burgmann. Besonders heftig wurde es einmal, als Burgmann auf einem Plakat für eine Nikolausfeier um Neuware als Spende warb. „Diese Menschen bekommen so viel Gebrauchtes, da sollten es für ein Fest neue kleine Geschenke sein.“ Jemand empörte sich und stellte das Plakat auf Facebook, ein rechter Shitstorm brach los, mit ganz üblen E-Mails und Anrufen. „Das war extrem belastend, doch ich habe mich nicht einschüchtern lassen, die Feier fand unter Polizeischutz statt.“

Der Einsatz lohnt: „Ich bin erfolgsorientiert, ich habe ein großes Gottvertrauen. Es ist eine große Freude, zu sehen, wer es geschafft hat.“ Neben ihrem christlichen Glauben nennt Burgmann einen weiteren Antrieb: „Was würde ich selbst tun, wenn ich als Flüchtling in Syrien ankäme, könnte die Sprache nicht?“

Der Brief aus dem Bischöflichen Ordinariat, etwa sechs Wochen vor der Ehrung, kam völlig überraschend. „Die Caritas hat mich vorgeschlagen. Bei meinem Mann kam mal eine Anfrage, was ich alles gemacht habe, aber er hat es mir nicht erzählt.“ Die Martinusmedaille ist nicht die erste Auszeichnung: Zuvor hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann Brunhilde Burgmann für ihren langjährigen Einsatz für Flüchtlinge bereits die Landesehrennadel verliehen.