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Die Hocketse auf dem Marktplatz wird es in ihrer bisherigen Form nicht mehr geben.

EsslingenDie Wirte der Esslinger Zwiebelfest GmbH haben das Handtuch geworfen. Damit wird es die große Hocketse auf dem Marktplatz in ihrer bisherigen Form nicht mehr geben – auch nicht während der Übergangszeit in diesem und im nächsten Jahr, bevor die Esslinger Stadtmarketing und Tourismus GmbH (EST) das Fest von 2021 an in eigener Regie übernimmt. Allerdings: Alles deutet darauf hin, wonach es auch in diesem und im kommenden August wieder ein kulinarisches Fest auf dem Marktplatz geben wird. Christian List, Betreiber des Gasthauses „Der Rote Hirsch“ in der ehemaligen Zimmerei an der Abt-Fulrad-Straße, hat seinen Hut in den Ring geworfen und Interesse daran, die Zeit bis zum Übergang in die Regie der EST zu überbrücken.

Im vergangenen Oktober hatte der Gemeinderat mit breiter Mehrheit, allerdings gegen die Stimmen der Freien Wähler, beschlossen, die Traditionshocketse auf neue Beine zu stellen. Vorausgegangen waren Jahre, in denen das Zwiebelfest immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten war. Vor allem nach dem Ausschluss der Weinstube Eißele waren die Wellen hochgeschlagen, und zuletzt hatte auch der Besucherandrang auf dem Marktplatz spürbar nachgelassen. Der Beschluss auf Initiative des Gemeinderats, nach mehr als 30 Jahren auf einen Neuanfang zu setzen, hat bei den Zwiebelfestwirten – namentlich bei Geschäftsführer Frank Jehle (Palmscher Bau) und Gerd Trautwein (Trautwein Catering) – heftige Kritik ausgelöst. Sie zeigten sich tief enttäuscht darüber, dass man mit ihnen vor der Entscheidung nicht gesprochen habe. Nun also der Rückzug – ein persönliches Statement dazu war weder von Frank Jehle noch von Gerd Trautwein zu erhalten.

Den Begriff Zwiebelfest wird es nicht mehr geben, und zumindest für dieses und nächstes Jahr auch nicht die bekannten Lauben auf dem Marktplatz. Aber: Schon seit Dezember 2018 liegt dem städtischen Ordnungsamt ein Antrag von Christian List vor. Der betreibt neben diversen anderen Lokalitäten in Stuttgart und Umgebung den „Roten Hirsch“ in Esslingen, bietet Catering an und ist seit 25 Jahren im Event-Geschäft unterwegs. Auf dem Stuttgarter Weindorf ist er vertreten und vor drei Jahren hat er in Bad Cannstatt das Wein- und Brezelfest wieder aufleben lassen.

Im vergangenen Jahr hatte sich List erstmals der Zwiebelfest-Gesellschaft angeschlossen und war mit einer Laube auf dem Marktplatz präsent. Er bedauert ausdrücklich, „dass die Sache so im Streit endet“. Einiges, was da passiert sei, habe er nicht verstanden, und am Ende nur noch das Gefühl gehabt: „Die Fronten waren verhärtet.“ Wenn es nun nach dem Rückzug der Zwiebelfest-Wirte zwei Jahre lang zu einem Sommerloch auf dem Marktplatz kommen würde, hielte List dies für die schlechteste Lösung. Deshalb will er einspringen, „ohne das Rad neu zu erfinden und dem künftigen Konzept der EST vorzugreifen“. Ein Sommer- und Marktplatzfest, gastronomisch breit aufgestellt, selbstredend mit Esslinger Wein, Sekt und regionalen Produkten – so schwebt es List vor. Allein steht er mit seinen Überlegungen schon jetzt nicht mehr. Annette Currle (Currles Culinarium), ebenfalls Zwiebelfestwirtin, wäre mit von der Partie. Sie bedauert den Rückzug der Wirte, fände es aber gut, wenn die Zeit bis zum Wechsel überbrückt werden könnte. Und mit Salvatore Marrazzo hat am Dienstag noch ein weiterer Gastronom sein Interesse bekundet, sich an dem Zwischenspiel zu beteiligen. „Ich würde mitmachen“, sagt der Chef vom Accanto am Rathaus- und vom Cosmopolita am Marktplatz. Dass es nun zu dieser Situation gekommen ist, findet Marrazzo schade, „aber es war doch klar, dass es da zu einer Überraschung kommt“.

Ob Christian List den Zuschlag für die Interimszeit erhält, wird sich wohl erst Ende März herausstellen. So lange haben potenzielle Veranstalter die Möglichkeit, sich mit einem Event bei der Stadt zu bewerben. „Die Verwaltung begrüßt es, dass es einen Interessenten gibt, der den Marktplatz mit einem kulinarischen Fest bespielen will“, sagt Rathaussprecher Roland Karpentier. So werde ein Loch in diesem und im nächsten August vermieden. Die Frage sei nun, ob bis Ende März noch weitere Anträge von möglichen Veranstaltern eingereicht würden. Dann gelte es, das Einvernehmen mit dem Gemeinderat herzustellen.

Auch EST-Geschäftsführer Michael Metzler zeigt sich ob der Aussicht angetan, wonach es möglich ist, die drohende Lücke mit einem Sommerfest zu schließen. Er und sein Team von der Stadtmarketing und Tourismus GmbH arbeiten bereits an einer Konzeption, die dann von 2021 an greifen soll. „Dabei wird es erstmals seit Bestehen des bisherigen Zwiebelfests einen Wettbewerb unter den Gastronomen geben“, sagt Metzler. Und er will die gastronomische Szene in die Entstehung der Konzeption mit einbinden. Dazu soll es im zweiten Quartal dieses Jahres einen Termin geben, an dem sich interessierte Wirte und EST gemeinsam an einen Tisch setzen. Die Kritik, man habe sich vor der Gemeinderatsentscheidung zu keiner Zeit mit den Zwiebelfest-Wirten ausgetauscht, weist Metzler im Übrigen zurück. So habe es im Mai 2018 ein Gespräch mit dem Zwiebelfest-Vorstand gegeben.

Das sagen die Fraktionen im Gemeinderat

SPD-Fraktionschef Andreas Koch: „Die SPD nimmt die Entscheidung der aktuellen Wirte, ab sofort für das Zwiebelfest nicht mehr zur Verfügung zu stehen, zur Kenntnis. Dabei räumt sie erneut ein, dass die Kritik am Umgangsstil mit den Wirten ihre Berechtigung hat.“ Auf der Sachebene bleibe die SPD jedoch bei ihrer Auffassung, dass eine Neuausrichtung des Zwiebelfests unerlässlich sei. „Sollte es eine sinnvolle Zwischenlösung geben, die dann aber auch als solche zu deklarieren wäre, würden wir uns dem freilich nicht verwehren“, betont Koch.

CDU-Fraktionschef Jörn Lingnau: „Wenn da jemand kommt, der es machen will, dann soll er es machen“, sagt Lingnau mit Blick auf das Angebot von Gastronom Christian List. Zudem wundert er sich, dass das Thema Zwiebelfest angesichts vieler deutlich schwerwiegender Probleme in der Stadt so hoch gehängt wird.

Stadträtin Daniela Hemminger-Narr (Freie Wähler): „Wir sind schockiert, dass es noch immer keine Gespräche zwischen der Stadt und den Zwiebelfest-Wirten gab.“ Es sei schade, dass man nun so auseinandergehe. „Man hätte eine gemeinsame Lösung finden können“, meint Hemminger-Narr. Was das Angebot von Christian List angehe, so werde man sich erst einmal ansehen, was er genau plane.

Fraktionschefin Carmen Tittel (Grüne): „Schade, dass sich die Zwiebelfest-Wirte verabschieden.“ Vorstellbar sei vieles, meint Tittel zur vorgeschlagenen Interimslösung. Allerdings könne man letztlich erst dann entscheiden, „ wenn uns das Konzept vorliegt“.

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