Foto: Bulgrin, Hemme/oh (4) - Bulgrin, Hemme/oh (4)

Die Situation am Esslinger Weihnachts- und Mittelaltermarkt bleibt nach dem Anschlag von Straßburg unverändert. Das Sicherheitskonzept rechnet solch einen Vorfall mit ein.

EsslingenIn die Trauer über die Opfer mischt sich am Tag nach dem Anschlag von Straßburg eine Traurigkeit über die Gewohnheit. Gerhard Gorzellik, Esslinger Ordnungsamtsleiter, drückt es so aus: „Dass solche Vorfälle in den Sicherheitskonzepten berücksichtigt werden, ist heute leider notwendig.“ Nach dem Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz in der Vorweihnachtszeit 2016 alarmiert der Vorfall vom Dienstag in Straßburg erneut die Sicherheitsbehörden. „Wenn so etwas in der Nähe von Baden-Württemberg passiert, schauen wir natürlich genauer hin“, sagt Renato Gigliotti vom Landesinnenministerium. Die „abstrakte Gefährdungssituation“ eines Weihnachtsmarktes sei ohnehin hoch. „Wir haben aber im Südwesten ein sehr gutes und gut abgestimmtes Sicherheitskonzept für die Märkte.“

Das Landeskriminalamt werde laut Gigliotti den Anschlag von Straßburg nun in seine Gefährdungsanalyse aufnehmen, aber: „Bislang haben wir keine Hinweise auf andere Anschlagsszenarien und werden daher mit den gleichen Maßnahmen wie bisher Präsenz zeigen.“ Soll heißen: Das Innenministerium sieht keinen Anlass für zusätzliche Polizeikräfte, jedoch sollen die Beamten vermehrt an den Eingängen in Erscheinung treten, um Sicherheit zu vermitteln – und Gigliotti fügt an: „Weihnachtsmärkte sind keine No-go-Areas, sie gehören zu unserer Kultur und Tradition. Die Leute sollen hingehen und im Falle die Polizei ansprechen.“

Das betont auch Andrea Kopp vom für Esslingen zuständigen Polizeipräsidium in Reutlingen: „Die Besucher sollen mit einer gesunden Achtsamkeit aber nicht ängstlich auf die Weihnachtsmärkte gehen.“ Auffälligkeiten wie verdächtige Personen oder Gegenstände sollten sie umgehend den Sicherheitsbeamten melden, denn die Polizei könne nicht überall sein – „und wir gehen jedem Hinweise mehr als gerne nach“. Neben der Polizei kümmern sich in Esslingen der Kommunale Ordnungsdienst und eine eigene Markt-Security um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher, berichtet Michael Metzler von der Esslinger Stadtmarketing und Tourismus GmbH (EST), die den Mittelalter- und Weihnachtsmarkt veranstaltet. Auch manche Marktbeschicker hätten selbst eine Ordnerfunktion. „Wir sind gut vorbereitet“, sagt Metzler, der weder die Öffnungszeiten noch das reguläre Programm ändern möchte – sofern die Sicherheitsbehörden keine anderen Vorgaben machen. „Wir haben ein professionell erstelltes Sicherheitskonzept, das ständig fortgeschrieben wird.“

In diesem sind beispielsweise die Betonpoller vor den Eingängen zum Markt ein Baustein, wie Roland Karpentier erläutert. Der Stadtsprecher sagt aber auch: „Es ist und bleibt ein offener Markt, und es gibt keinen absoluten Schutz für die eine Million Besucher.“ Auch er appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, dennoch über den Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarkt zu flanieren, denn „nicht zu gehen, wäre die falsche Reaktion und würde dem Ziel, Angst zu schüren, nur Vorschub leisten“. Folglich dürfte sich Karpentier gefreut haben, dass am Tag nach dem Attentat in Straßburg mit Toten und Verletzten schon zur Mittagszeit viele Menschen nach Esslingen kamen, und das taten, was man auf Weihnachtsmärkten eben so macht: Glühwein trinken, Bratwürste essen, Stände und Künstler bewundern.

Die Stimmung war jedenfalls nicht gedrückt, wenn auch der Vorfall in Frankreich die Besucher schockiert hat und Mitgefühl auslöste (siehe Zitate). Die meisten Gesprächspartner fühlten sich aber sicher, und der Beschicker Joachim Kritz gab zu Protokoll: „Der Anschlag von Straßburg interessiert hier niemanden, zumal die Berichterstattung verzerrt ist. Denn er hatte keinen Bezug zum dortigen Weihnachtsmarkt. Dieser Zusammenhang ist falsch.“