Der Kabarettist Gregor Pallast kommt zu den Galgenstricken. Foto: Simone Bandurski/oh - Simone Bandurski/oh

Als politischer Kabarettist der alten Schule der Hildebrandts oder Nuhrs ist Gregor Pallast schon fast eine Seltenheit. Soloprogramm „Verwählt? 2.0“ am Freitag in Esslingen.

EsslingenWenn sich Gregor Pallast umschaut, fällt seine Zeitdiagnose düster aus: „Die Bundesrepublik erscheint zunehmend als Kapitalgesellschaft, in der ein Politiker dann gut ist, wenn er trotz vieler Worte nichts sagt und sich kategorisch dem Eindruck erwehren kann, kompetent zu sein. Eben ein Experte aus einem Volk, das in der Schule längst nicht mehr Wissen ansammelt, sondern nur noch Suchbegriffe für Wikipedia.“ Mit seinem Soloprogramm „Verwählt? 2.0“ ist er am Freitag, 21. September, ab 20 Uhr im Esslinger Kabarett der Galgenstricke zu Gast. Mit chirurgischer Präzision seziert der 38-Jährige die aktuellen Probleme, er hinterfragt das Offensichtliche und legt den Finger in die Wunde. Das macht er so überzeugend, dass er es beim angesehenen Prix Pantheon bis ins Finale geschafft hat. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt Gregor Pallast Einblick in sein kabarettistisches Selbstverständnis.

Sie verstehen sich als „waschechten politischen Kabarettisten der alten Schule“. Wie kommt man in Zeiten, in denen viele Ihrer Kollegen ihr Glück eher in der seichten Comedy versuchen, auf dieses Metier?
Ich suche nicht mein Glück. Ich war schon immer begeisterter Kabarettgänger und will nichts anderes machen. Das Publikum soll einen unterhaltsamen und gleichzeitig anregenden Abend haben. Wenn das gelingt, ist das für mich das Größte! Sollte meine Zielgruppe überschaubar sein, dann ist das nicht schlimm.

Gab es Vorbilder, die Sie inspiriert oder geprägt haben?
Auf jeden Fall Volker Pispers und Georg Schramm.

Anfang 2015 feierten Sie Ihr Debüt im Pantheon. Wie darf man sich den Beginn einer solchen Karriere vorstellen? Wacht man eines Morgens auf und beschließt: „Ab heute bin ich politischer Kabarettist“?
Im Gegenteil. Es ist mehr oder weniger passiert. Irgendwann habe ich begonnen, meine Gedanken, die ich mir ohnehin machte, in Worte zu fassen, und später auch andere daran teilhaben zu lassen. Gut zwei Jahre lang habe ich dann in Bonn und Umgebung in Kneipen und Cafés versucht, lauter als die Stammgäste zu sein, habe immer wieder in einem Waschsalon gespielt – nein, nicht in dem aus dem Fernsehen –, bin sogar in einem Beerdigungsinstitut aufgetreten. Ich wollte schon fast wieder aufhören, als sich Martina Steimer, die künstlerische Leiterin des Pantheons, bei mir meldete. Sie hätte von mir gehört und bot mir den kleinen Saal an. Die Premiere war ausverkauft, die Zusatzvorstellung musste in den großen Saal umziehen, dann kam der Prix Pantheon, und seitdem nenne ich mich „Kabarettist“.

Sie sind Lehrer. Was haben Lehrer und Kabarettisten gemeinsam – und was sagen Ihre Schüler, wenn im Unterricht auch mal der Kabarettist durchkommt?
Wir treten beide regelmäßig auf, der Kabarettist aber vor freiwilligem Publikum, ohne Lehrplan und Prüfung am Ende. Das ist unbezahlbar. Im Unterricht hat der Kabarettist nichts zu suchen. Kabarett transportiert Haltung – und die müssen die Schüler selber finden. Außerdem sammeln sie Zitate für die Abi-Zeitung …

Brauchen wir politische Kabarettisten in diesen Zeiten mehr denn je? Und was können sie erreichen?
Wenn Volker Pispers entnervt aufhört, weil er seit 30 Jahren Kabarett über dieselben Themen macht, dann kann ein Kabarettist, fürchte ich, nichts erreichen. Aber wir brauchen echten politischen Diskurs in breiten Teilen der Gesellschaft. Alles, was da Anstoß gibt, ist hilfreich.

Das politische Geschäft wird immer hektischer, schnelllebiger und leider auch oberflächlicher. Kommt man ob des rasenden Tempos, in dem immer neue Säue durchs Dorf getrieben werden, überhaupt noch hinterher?
Die Säue werden vielleicht schneller, aber sie laufen im Kreis. Bildung, Gesundheit, Steuern, Rente, Migration, Klimawandel – die meisten Themen kommen immer wieder, wirklich neue kommen selten hinzu, und für immer gelöst werden die wenigsten Probleme. Statt hinterherzulaufen dreht man sich besser um und lässt die Säue entgegenkommen. Man muss sie nur auch dann wiedererkennen, wenn sie einen neuen Hut aufhaben.

Wie aktuell müssen, beziehungsweise können Sie sein: Gibt’s zur morgendlichen Schlagzeile abends schon die passende Nummer?
Das kann passieren – ist aber eher selten. Viele Themen, die mich interessieren, liefern keine Schlagzeilen. Oder passen in keine.

Hat man als Kabarettist eine etwas andere Weltsicht und bei allem, was man sieht, hört und liest bereits die nächste Pointe im Kopf?
Man ist tatsächlich „immer im Dienst“ und nimmt lieber den einen oder anderen Hintergrundbericht mehr mit. Vor allem aber stellt man seine Weltsicht ständig infrage, wenn man mit ihr auf die Bühne geht. Man will ja so wenig Unsinn wie möglich reden.

Die politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Land werden schärfer und oft auch unversöhnlicher. Beeinflusst das auch Ihren Stil?
Ich hoffe nicht. Ich habe mal in der Zeitung gelesen, ich hätte zu wenig Wut im Bauch. Das stimmt nicht – aber wenn man das auf der Bühne nicht merkt, bin ich froh. Wut haben wir genug auf der Straße. Sie hindert beim Denken.

Gibt es für Sie Grenzen, die Sie nicht überschreiten würden?
Persönlich darf es nicht werden. Politische Akteure interessieren mich ohnehin nicht als Person. Mir geht es um ihre Worte und Taten. Das reicht leider völlig aus.

Das Interview führte Gaby Weiß.

Mit seinem Soloprogramm „Verwählt? 2.0“ ist Gregor Pallast am Freitag, 21. September, ab 20 Uhr im Esslinger Kabarett der Galgenstricke zu Gast. Karten gibt es im Vorverkauf unter Telefonnummer 0711/354444.