China als Bedrohung oder Chance: Darüber diskutierten (von links) Dirk Eilers, Weinpei Lin, Moderator Gerd Schneider und Max J. Zenglein. Foto: Dietrich - Dietrich

Erreicht China das selbstgesetzte Ziel, in vielen Bereichen Weltmarktführer zu werden? Die Diskussionsrunde in der Esslinger Hochschule zeigte sich diesbezüglich eher skeptisch. Gleichwohl ist mit China als globalem Akteur verstärkt zu rechnen.

EsslingenIm Jahr 2049 wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt. Dann will sie eine führende Industrienation sein. Doch wird China seine Ziele erreichen? „Es ist alles offen“ betonte der asienerfahrene Dirk Eilers von der TÜV SÜD Stiftung. Im Rahmen des Studium Generale der Hochschule Esslingen diskutierte er mit Weinpei Lin von der Zhongde Metal Group und Max J. Zenglein vom Mercator Institut for China Studies (MERICS) über die neue Wirtschaftspolitik Chinas. Die Moderation hatte EZ-Chefredakteur Gerd Schneider übernommen.

„China ist nicht das liberale wirtschaftliche System geworden wie erwartet“, sagte Zenglein. „Die Rolle des Staates und der Kommunistischen Partei hat sich ausgeweitet.“ Auch private Unternehmen müssten dazu beitragen, dass die staatlich festgelegten Ziele in Schlüsselindustrien erreicht werden. „China ist ein schwierigerer Partner geworden. Das Land sagt uns, sein Ziel sei, uns zu ersetzen.“ China erlebe stärkeren Gegenwind, halte aber an seinen Zielen fest. Es lerne aus Fehlern und versuche, seine Industriepolitik effektiver zu machen, ohne zu hohe Verschuldung und Aufbau von Überkapazitäten.

Dirk Eilers verdeutlichte mit einigen Zahlen die gewaltigen Dimensionen. China sei der weltweit größte Kohleverbraucher und habe die weltweit höchsten Tourismusausgaben. An Photovoltaikanlagen sei in China ein Vielfaches im Vergleich mit den USA installiert. Dennoch: „Das Erreichen der Ziele von ,Made in China 2015’ liegt weit in der Ferne.“ Ein wichtiger Faktor für die Entwicklung Chinas sei aber: „Die jungen Leute sind hungrig, sie wollen etwas erreichen.“

Weinpei Lin beschrieb die acht Kernprodukte, um die sich China bis 2020 kümmern will. Zu ihnen gehören intelligente Sprachinteraktionssysteme, Serviceroboter, Videoerkennungssysteme, exakt positionierbare Drohnen. Die internationalen Verbindungen gingen in beide Richtungen: 5200 deutsche Unternehmen seien in China engagiert, 2000 chinesische Unternehmen in Deutschland. China verändere sich: „Es gibt immer weniger Kinder, und sie sind immer verwöhnter.“ Der Handelskrieg mit den USA sei nicht zu vermeiden: „1985 hat die USA einen Handelskrieg mit Japan geführt, dann kam die EU, jetzt China.“

Muss man vor China Angst haben? Das sei die Entscheidung jedes einzelnen, antwortete Lin auf die Frage von Gerd Schneider. Sie riet zu realistischen Erwartungen: „Ein deutsches Unternehmen, das in China Erfolg haben will, braucht sechs bis acht Jahre.“ Für Lin liegt Deutschlands Problem darin, dass es keine mit China vergleichbaren Strategien hat.

Was ist mit Donald Trump? „Er versteht die grundsätzliche Problematik gar nicht“, sagte Zenglein. Er habe den Falken die Tür in die Politik geöffnet. Anders als zwischen China und Europa gebe es mit den USA geopolitische Rivalitäten, das mache die Beziehungen komplizierter.

Wie ist das, wenn ein deutsches von einem chinesischen Unternehmen übernommen wird? „Solange das in geordneten Bahnen und in beiden Richtungen läuft, ist das okay“, befand Eilers. Lin verteidigte das chinesische System der „social credits“, wenn etwa jemand mit hohen Schulden keine Bahntickets mehr kaufen kann. In diesem Punkt widersprach Zenglein: „Ich sehe es kritischer.“ Er wehrte sich auch gegen einen direkten Vergleich der Infrastruktur: „In China ist alles neu, aber sehen Sie sich mal die U-Bahn von Shanghai in 100 Jahren an.“

Das größte Hindernis der chinesisch-deutschen Kooperation sieht Lin übrigens nicht bei strengen hiesigen Brandschutzbestimmungen oder Ähnlichem: „Das Problem vieler Chinesen in Deutschland ist, dass sie hier kein gutes Essen bekommen. Alles andere kann man lösen.“ Für die Aufgabe, den Deutschen effektiv Informationen über China zu vermitteln, schlägt sie folgende Lösung vor: „Am besten geschieht das nach dem Abendessen, bei einem Bier in der Lobby.“