Ein Kriegsgräberfeld auf dem Hauptfriedhof Karlsruhe. Der Volksbund betreut 833 Grabfelder in 46 Staaten. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (lsw) - Wo ist mein Vater, wo ist mein Bruder getötet worden? Mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg fragen sich noch immer Menschen, wo ihre gefallenen Angehörigen begraben liegen. Auch der Landeschef des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Johannes Schmalzl, ist noch auf der Suche nach einem Gefallenen - dem Bruder der ermordeten Widerstandskämpfer der Weißen Rose, Hans und Sophie Scholl.

Die Familie habe großes Interesse am Verbleib ihres „kleinen Bruders“, sagte Schmalzl. Würde er gefunden, wäre er einer von jährlich rund 30 000 Gefallenen, die vornehmlich bei Bauprojekten in Osteuropa entdeckt, dann vom Volksbund geborgen, möglichst identifiziert und an Kriegsgräberstätten beerdigt werden. Noch heute ließen sich Familienschicksale aufklären, erläuterte der 52 Jahre alte Schmalzl, der seit Anfang November hauptamtlich auch Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart ist. „Unser Motto ist: jedem Toten einen Namen und ein Grab.“ Das beziehe sich nicht nur auf Soldaten, sondern auch auf andere Kriegsopfer - etwa Juden, die bei Massenerschießungen in Osteuropa starben. Da sich daran zum Teil örtliche Kollaborateure der Nazis beteiligt hätten, falle den betroffenen Ländern die Erinnerungskultur schwer.

Harsche Kritik an AfD

„Staaten in ganz Osteuropa haben die Aufarbeitung dieser Geschichte noch vor sich, wie sie Deutschland schon hinter sich hat.“ Der Volksbund stehe als Partner bereit, so wie er die Gedenkstätte für die aus Baden deportierten Juden und den Deportierenfriedhof im französischen Gurs unterstütze. Schmalzl warnte vor dem Aufleben von Nationalismus. „Die AfD will ein Europa der Nationalstaaten - genau das war aber Grundlage für unsere kriegerischen Auseinandersetzungen.“ Nationalismus sei ein Irrweg, der zu Repression und Aggression nach außen führe. Die Aussage von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, die Deutschen dürften stolz sein auf „die Leistungen deutscher Soldaten“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg, sei eine Unverschämtheit. „90 Prozent aller Wehrmachtssoldaten hatten keine Lust, in einem Winter in Stalingrad zu sterben - sie waren weder Helden noch Verbrecher.“

Die Zentrale Gedenkfeier des Landes zum Volkstrauertrag an diesem Sonntag steht unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landtagspräsidentin Muhterem Aras (beide Grüne). Bei der Veranstaltung im Neuen Schloss hält Europaminister Guido Wolf (CDU) eine Rede. Der Volksbund betreut 833 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten, auf denen etwa 2,7 Millionen deutsche Tote beider Weltkriege ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Jugendarbeit gewinnt an Relevanz

Der rückläufigen Bedeutung der Angehörigenarbeit steht die wachsende Relevanz der Jugendarbeit gegenüber. Der Volksbund bietet Reisen zu Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten im Ausland an. Der Verein erwartet vom Land, seine Bildungsarbeit finanziell mitzutragen. An Workcamps des Volksbundes zur Grabpflege sowie an Begegnungen im Inland nehmen jährlich 20 000 junge Menschen teil. Sie knüpften Kontakte zu den Menschen vor Ort. Schmalzl: „Insofern ist die Betreuung der Kriegsgräber auch ein wichtiger Schritt zur europäischen Versöhnung.“