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Mit Provokationen bestimmt die AfD gerne die Schlagzeilen. Derzeit beschäftigen die Abgeordneten im Landtag aber heftige innere Grabenkämpfe.

Stuttgart (dpa/lsw)So wirklich viel Freude an seinem Beruf dürfte Bernd Gögel in diesen Tagen nicht haben. Er ist Fraktionschef der AfD im baden-württembergischen Landtag - und erlebt zur Zeit Chaostage. Die Mehrheit seiner Fraktion sprach seinem Vorstand vor einer Woche das Misstrauen aus. Der Putschversuch scheiterte an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Zwei Stellvertreter traten daraufhin aus Protest zurück und forderten Neuwahlen des Vorstands.

Gögel will kämpfen - auch wenn es kein Vergnügen bereitet. "Spaß ist der falsche Ausdruck in der Politik", sagt er. Er sehe es als seine Aufgabe an, die Fraktion wieder "in ruhigere Fahrwasser" zu bringen.

Misstrauensantrag gegen Vorstand

Es knirscht nicht nur, es kracht. Eigentlich wollten sich die Abgeordneten bei der Klausurtagung in Bad Mergentheim vor einer Woche auf die parlamentarische Arbeit im neuen Jahr vorbereiten. Dann stürzte die Parlamentarierin Carola Wolle den fünfköpfigen Vorstand mit einem Misstrauensantrag tief in die Krise.

Zwölf Abgeordnete unterstützten den Antrag, nur acht Abgeordnete sprachen dem Vorstand ihr Vertrauen aus. Die für eine Abwahl erforderliche Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht. Aber die Vize-Fraktionschefs Rainer Podeswa und Emil Sänze legten aus Protest ihre Ämter nieder. Die größte Oppositionsfraktion steht vor einem Scherbenhaufen.

Antisemitismusvorwürfe gegen Gedeon

"Das ist höchst bedauerlich, ärgerlich und peinlich", sagt ein Abgeordneter, der sich dem gemäßigten Flügel zurechnet. "Ich schäme mich schon, in den Landtag zu gehen." Der damalige Fraktionschef Jörg Meuthen hatte nach dem Einzug der AfD in den Landtag 2016 eine "deutlich vernehmliche Opposition" angekündigt. Dieses Versprechen hat die Fraktion wohl erfüllt.

Antisemitismusvorwürfe gegen den Abgeordneten Wolfgang Gedeon hatten rasch nach der Wahl vorübergehend zu ihrer Spaltung geführt. Gedeon ist nun fraktionslos, die beiden Lager vereinten sich wieder. Er gehört aber immer noch der Partei an, nachdem ein Parteiausschlussverfahren Anfang 2018 aus formalen Gründen scheiterte.

Fraktion intern zerrissen

Seither müht sich die Fraktion um Geschlossenheit. Bei all den Provokationen nach außen wird leicht vergessen, dass die Fraktion intern zerrissen ist. Unter der Oberfläche brodelt es. Es gebe unüberwindliche Gräben, die nie geheilt worden seien, sagt ein Abgeordneter. Die Fraktion sei seit ihrer Gründung ein "fragiles Gebilde" gewesen, räumt auch Gögel ein.

Hinter den aktuellen Grabenkämpfen steckt erneut der Streit um den Umgang mit Mitstreitern am rechten Rand, zur Zeit vor allem mit dem Abgeordneten Stefan Räpple. Der machte in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen - etwa wenn er seine Politikerkollegen als "Koksnasen" beschimpfte oder in Chemnitz Seite an Seite mit Rechtsextremen marschierte. Im Dezember wurde er nach mehreren Zwischenrufen von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) aus der Sitzung geworfen. Erst in Begleitung von Polizisten verließ Räpple den Saal - ein beispielloser Eklat in der Geschichte des Hauses.

AfD-Landesvorstand will Räpple loswerden

Der Landesvorstand der AfD will Räpple wegen parteischädigenden Verhaltens loswerden und kündigte am Tag des Rauswurfs aus dem Landtag ein Ausschlussverfahren an. In der Fraktion genießt er aber immer noch gewissen Rückhalt. Einige Abgeordnete werfen Gögel vor, das Parteiausschlussverfahren gegen Räpple zu unterstützen und weder die Fraktion noch Räpple ausreichend darüber informiert zu haben.

Gögel ist nämlich nicht nur Fraktionschef, sondern sitzt auch im Vorstand der Partei. Die Doppelfunktion sei schwierig, räumt er ein. Er sei als Vorstandsmitglied einer Schweigepflicht unterworfen. Ein Teil der Fraktion habe sich schlecht informiert und benachteiligt gefühlt. Bei dem Misstrauensantrag seien "viele Unzufriedenheiten" aufeinandergetroffen. Nun müsse sich der eine oder andere auf eine normale Sachebene zurückbegeben. Eine erneute Spaltung schließt Gögel aber aus. "Der überwiegende Teil der Fraktion denkt über solche Dinge nicht nach." Man habe aus der ersten Spaltung gelernt.

FDP-Fraktionschef Rülke "Braunes Dschungelcamp"

"Statt einer Klausurtagung führte die AfD-Fraktion in der vergangenen Woche eine Art braunes Dschungelcamp auf, bei dem der eigene Vorsitzende aus Solidarität mit Rassisten und Demokratieverächtern rausgewählt werden sollte", kritisiert der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Die Partei befinde sich "auf strammem Kurs nach Rechtsaußen längst jenseits der eigenen Zurechnungsfähigkeit".

Offen bleibt, wie es nun weitergeht. Sänze und Podeswa wollten Gögel bereits bei der turnusmäßigen Fraktionswahl im Oktober stürzen, traten als Gegenkandidaten an - ohne Erfolg. Was werden sie nun tun? Kann sich Gögel im Amt halten? Arbeitet der Vorstand mit nur zwei Stellvertretern weiter? Driftet die Fraktion weiter nach rechts? Niemand weiß so recht, welche Überraschungen die nächsten Tage bereithalten. Man sei arbeitsfähig, sagt Gögel. Die Wogen würden sich wieder glätten. Aber solche Vorgänge wie in Bad Mergentheim dürften sich nicht wiederholen. "Das war absolut parteischädigend."