Für die Segnung homosexueller Paare interessieren sich wohl bei weitem nicht so viele Gemeinden wie dies nach dem neuen Gesetz möglich wäre. Foto: dpa - dpa

Nun ist auch in evangelischen Kirchen in Württemberg der Weg frei für Segnungen homosexueller Paare. Es ist ein Kompromiss, den sich die Landeskirche mühsam abringen musste.

Stuttgart (dpa/lsw) -Applaus gibt es nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses, der Jubel bleibt aus. Nach jahrelangem Streit im Umgang mit homosexuellen Paaren ringt sich die Evangelische Landeskirche in Württemberg zu einem Kompromiss durch. Zukünftig dürfen sich auch gleichgeschlechtliche Paare in öffentlichen Gottesdiensten segnen lassen - in manchen Gemeinden zumindest.

Er wisse, betont der württembergische Landesbischof Frank Otfried July, dass dieses Ergebnis bei den einen Befürchtungen auslöse: «Ist diese Kirche noch treu der Schrift und den Bekenntnissen? Und bei anderen Enttäuschung auslöst, weil sie sich noch einen Schritt weiter gewünscht hätten.»

Martin Plümicke, Mitglied der Landessynode, dem Parlament der Landeskirche, wollte weder mit Ja noch mit Nein stimmen: «Das ist nicht unser Gesetz.» Gemeinsam mit vier anderen verließ er den Saal, als am Samstag in Stuttgart abgestimmt wurde. Trauung für alle sei das Ziel - «und das werden wir weiter verfolgen», betont er später.

In anderen Landeskirchen, etwa in Baden, sind kirchliche Trauungen für homosexuelle ebenso wie für heterosexuelle Paare möglich. In den meisten können sich gleichgeschlechtliche Partner im Gottesdienst, öffentlich und mit Glockengeläut, immerhin segnen lassen. Württemberg bildete bislang - zusammen mit der Landeskirche Schaumburg-Lippe - die Ausnahme.

Nicht mehr: Mit 65 Ja-Stimmen wurde die benötigte Zweidrittel-Mehrheit für das neue Kirchengesetz erreicht - 90 der 98 Synoden-Mitglieder stimmten ab. Einige der Stimmen kamen auch aus den Reihen der Lebendigen Gemeinde, wie der Leiter des pietistischen Netzwerks betont: «Zum einen, um eine Ordnung herzustellen und dem Wildwuchs zu wehren, zum anderen, um die Einheit in der Kirche nicht zu gefährden», so Ralf Albrecht. Die Frage, was gilt in der Kirche von Bibel und Bekenntnis her, bleibe aber eine sehr beschwerliche.

Sowohl Befürworter der Gleichstellung homosexueller Paare wie auch Gegner berufen sich auf ihre Auslegung der Bibel. Im Vorwort des Gesetzes wird dieser Dissens thematisiert. «Wir werden einander zugestehen, dass beide Sichtweisen biblisch begründet und gerechtfertigt sind und wir werden es ertragen, dass wir verschiedener Meinung sind», erklärt Synodalpräsidentin Inge Schneider.

Die Organisatoren des Stuttgarter Christopher-Street-Days kritisieren die Einigung als uneindeutig. «Daher ist schon heute klar, dass das Kirchengesetz, welches zum 1.1.2020 in Kraft treten wird, auch in Zukunft weiter für Wirbel und Diskussion sorgen wird - jetzt eben vor allem in den Kirchengemeinden vor Ort», sagte Christoph Michl, Geschäftsführer der IG CSD Stuttgart.

2017 scheiterte der Vorstoß, öffentliche Segnungen landeskirchenweit als Amtshandlung einzuführen. Die erforderliche Mehrheit in der Landessynode wurde um zwei Stimmen verfehlt. Auf dieser Grundlage hätte jeder Kirchengemeinderat selbst entscheiden können, ob in der Gemeinde gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden. Nach dem neuen Gesetz soll nur ein Teil der Kirchengemeinden ihre örtlichen Gottesdienstordnungen ändern dürfen. Und zwar höchstens ein Viertel.

Von den derzeit 1300 Gemeinden in Württemberg gibt es laut Landeskirche bislang 90 sogenannte Regenbogengemeinden - sie haben bereits signalisiert, offen für die Segnungsgottesdienste zu sein. Sollten sich mehr als 325 Gemeinden dafür aussprechen, wäre doch eine landeskirchenweite Regelung nötig. Dann müsste sich die Synode erneut beraten - und mit Zweidrittel-Mehrheit beschließen.

CSD-Geschäftsführer Michl ermutigte «Regenbogen-Paare» zum Gang auf die Pfarrämter, um eine erneute Beratung der Synode zu forcieren. «Im Sinne des Weiteren, noch immer nötigen Diskurses sollte diese Hürde möglichst bald gerissen werden.»

Der Landesbischof sprach von einem wichtigen Tag. July versteht das Gesetz als deutliches Zeichen, «dass gleichgeschlechtlich Liebe empfindende Menschen in unserer Landeskirche willkommen sind».