Ein leidenschaftlicher Sammler von Reclam-Heften: Hans-Jochen Marquardt. Foto: Hendrik Schmidt Foto: DPA - Hendrik Schmidt

Dank eines Sammlers der Reclam Universal-Bibliothek bekommt die älteste noch existierende deutschsprachige Taschenbuchreihe nun eine Ausstellung an ihrem Gründungsort in Leipzig.

Leipzig/Ditzingen (dpa)Seit mehr als 50 Jahren sammelt Hans-Jochen Marquardt die kleinen, handlichen Hefte. «Reclams Universal-Bibliothek» hatte es ihm bereits als Jugendlicher angetan. Aus der ganzen Welt trug er bis heute Hefte zusammen, vor allem aus Europa, aber auch aus Australien und Südafrika. Nun erfüllt sich ein Traum von ihm: Am Mittwoch öffnet in Leipzig das erste Reclam-Museum. «Mich hat fasziniert, wie Literatur für wenig Geld weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde», sagt der heutige Pensionär (Jahrgang 1953) zu seiner Leidenschaft. «Reclam wurde in den Mansarden für Dienstpersonal ebenso gelesen wie in den Salons».

Vor allem der 2011 gegründete gemeinnützige Verein «Literarisches Museum» hat sich für die Reclam-Schau stark gemacht. Anliegen sei es, die Erinnerung an den Verleger Anton Philipp Reclam (1807-1896) in der Stadt lebendig zu halten, in welcher der Verlag gegründet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die DDR Reclam als Staatsbetrieb weiter. Die teilweise enteignete Verleger-Familie ging in den Westen und es kam zur Spaltung des Verlags. Nach der Wiedervereinigung firmierte Leipzig als Zweigstelle des Stuttgarter Unternehmens. Im März 2006 wurde das einstige Stammhaus in Leipzig geschlossen.

Blickfang der Ausstellung ist ein riesiger Schrank mit historischen Reclam-Ausgaben bis zum Jahre 1945. «5500 Hefte enthält er und sehr viel mehr gehen auch nicht hinein», sagt Marquardt. Mehr als 10 000 Hefte aus der Leipziger und Stuttgarter Produktion insgesamt sind im Museum zu sehen. Dabei werden die wechselnden Gestaltungsarten und Formate der ältesten noch existierenden deutschsprachigen Taschenbuchreihe aufgezeigt.

«Doch wir wollen auch Lesungen und Vorträge bieten, eine Zusammenarbeit mit der Leipziger Buchmesse ist ebenfalls geplant», sagt Marquardt. Er ist gebürtiger Leipziger und lebt heute in Halle.

Als erstes Heft der Universal-Bibliothek erschien am 10. November 1867 Goethes «Faust. Der Tragödie erster Teil». Das erste edierte Heft sei jedoch nicht das erstgedruckte der Reihe gewesen, erläutert der studierte Germanist Marquardt. Bereits im März 1865 sei «Romeo und Julie» von W. Shakespeare - so das Titelblatt der damaligen Ausgabe - gedruckt worden.

Mit 4,9 Millionen verkauften Exemplaren belegt Goethes «Faust» in der Top-10-Liste seit 1948 nach Verlagsangaben heute noch Platz zwei. Für die Zahlen davor hat der Verlag keine verlässlichen Zahlen. Ganz vorn steht Schillers «Wilhelm Tell» mit 5,4 Millionen Exemplaren. Die Schulklassiker eben, genauso wie Kellers «Kleider machen Leute» und Lessings «Nathan der Weise» mit jeweils 4,4 Millionen Büchern auf den Plätzen drei und vier.

Ein weiterer Hingucker in der neuen Leipziger Ausstellung ist der Nachbau eines Reclam-Bücherautomaten - eine Dauerleihgabe des Verlages Philipp Reclam jun. Stuttgart. Sie wurden vor allem in den Jahren 1912 bis 1917 an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen und Krankenhäusern aufgestellt. Die Interessenten konnten dabei zwischen zwölf Titeln wählen.

Die lange Zeit doppelte «Reclams Universalbibliothek» ist eine deutsch-deutsche Geschichte: Viele Verleger zieht es einst in den Westen. Doppelexistenzen in Ost und West gibt es auch bei Brockhaus oder Insel. Der alte Reclam bekommt auch in der sowjetischen Zone eine Lizenz, es erscheinen Titel von Goethe, Schiller, Puschkin. In Ernst Reclams Neugründung in Stuttgart beginnt der Wiederaufbau mit acht Titeln für württembergische Schulen. 1970 entsteht hier das Markenzeichen: der grellleuchtende gelbe Umschlag.