Atemberaubende Perspektiven tun sich 232 Metern Höhe über Rottweil auf. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Lena Müssigmann

Rottweil - In 232 Metern Höhe über Rottweil tritt der Architekt des Aufzug-Testturms auf die Aussichtsplattform in die kalte Herbstluft und lässt den Blick schweifen. „Ich liebe diese Landschaft“, sagt Werner Sobek. Die Hänge der Schwäbischen Alb sind an diesem Tag wolkenverhangen, an klaren Tagen soll man aber das Jungfraujoch der Alpen sehen können. Es ist nach Angaben von Thyssenkrupp Deutschlands höchste Aussichtsplattform. Der Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp, Andreas Schierenbeck, kennt sie schon lange, schwärmt aber immer noch: „Man gewöhnt sich nicht an den Anblick.“

100 000 Besucher pro Jahr erwartet

Sobek und Schierenbeck haben mit dem Rottweiler Oberbürgermeister Ralf Broß (parteilos) am gestrigen Freitag die neue Attraktion für Rottweil eröffnet. 100 000 Besucher pro Jahr werden vom Unternehmen und Stadtverwaltung auf dem Testturm erwartet. Ab 13. Oktober hat die Plattform regulär für Besucher geöffnet, immer freitags, samstags, sonntags und feiertags. Der Eintritt kostet neun Euro für Erwachsene, fünf Euro für Kinder. Besucher können im Freien fast um den Turm herumgehen und durch hohe Glasfenster in die Ferne - oder mit den Fußspitzen an den Fenstern auch in die Tiefe - schauen.

Die Idee einer Besucherplattform haben die Rottweiler bei einer Bürgerversammlung zum Bauprojekt entwickelt. Thyssenkrupp-Chef Schierenbeck hat die Idee von Anfang an gefallen. „Der Turm steht in Rottweil, dann ist es nur fair, dass er auch zugänglich für die Bürger ist und sie ihre wunderschöne Stadt von oben betrachten können.“ Die Firma hatte laut Schierenbeck große Schwierigkeiten, einen Standort für den Bau eines so hohen Testturms zu finden, und war daher zu Zugeständnissen bereit. „Die Bürgerschaft freut sich drauf“, sagt Broß.

Der Aufzug im Testturm rauscht mit acht Metern pro Sekunde in die Höhe. Es knackt in den Ohren. Vor dem Aufzugsfenster werden die Felder und Gehöfte kleiner und kleiner. Irgendwann schiebt sich ein leichter Schleier vor das Sichtfeld: die Membran, die den Turm verhüllt. Riesige Bahnen aus teflonbeschichtetem Glasfasergewebe winden sich um den zylindrischen Betonturm. Architekt Sobek, der auch am Berliner Sonycenter mit Stoffbahnen gearbeitet hat, berichtet von der Idee, dem Turm „etwas Schlicht-Reizvolles überzuwerfen wie ein hauchdünnes Negligé“. Die Hülle wird nach oben immer transparenter.

Verzögerung bei Fassadengestaltung

Wegen Verzögerungen bei der Fassadengestaltung musste der einst angepeilte Eröffnungstermin für die Aussichtsplattform im Mai 2017 abgesagt werden. Nun arbeiten Industriekletterer Tag und Nacht daran, sie bis November vollends anzubringen. Etwa 70 Meter fehlen noch bis zum Boden. Ab 2018 soll der Turm beleuchtet werden. Sobek verspricht eine „superschlichte Unterstützung der Architektur“ durch Licht, keine „Las Vegas Beleuchtung“.

In der Rottweiler Innenstadt wird zur Eröffnung der Besucherplattform das ganze Wochenende über ein „Turmfest“ gefeiert. Rottweil habe ein neues Wahrzeichen, freut sich der Oberbürgermeister. „Wir sind nicht mehr nur älteste Stadt Baden-Württembergs sondern auch Technologiestandort.“ Die Firma Thyssenkrupp testet in dem Turm neuartige Aufzüge, darunter ein seilloses Modell, das mit Magnetschwebetechnik auch horizontal fahren und somit zwischen Schächten wechseln kann: ein Aufzug der Zukunft gewissermaßen.