Zwei freiwillige Helfer hinter einem Container mit tot aus der Jagst geholten Fischen.Foto: dpa Foto: EZ

Künzelsau/Karlsruhe (lsw) - Vergiftetes Wasser könnte die Jagst nach Einschätzung eines Experten auf einer Strecke von rund 120 Kilometern belasten. „Es wird sicherlich Jahre dauern, bis der Ausgangszustand wieder erreicht ist“, sagte der Referatsleiter Gewässerschutz bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Kurt Kreimes, gestern in Karlsruhe.

Das Ausmaß des Schadens infolge von Löscharbeiten bei einem Brand im Kreis Schwäbisch Hall sei bislang nicht absehbar, sagte Kreimes. Tonnenweise Fisch und andere Tiere sind schon an den Giftstoffen verendet. „Wir müssen nun alles Machbare versuchen, um diese ökologische Katastrophe in der Jagst so gut es geht zu bewältigen und die Auswirkungen möglichst zu begrenzen“, sagte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Kreimes schätzt, dass das verunreinigte Löschwasser den Neckar in etwa drei bis sieben Tagen erreicht. „In welcher Konzentration kann man aber noch nicht sagen.“

Verunreinigtes Löschwasser

Gestern Vormittag war das Gift im benachbarten Hohenlohekreis angekommen. Bei Mulfingen-Eberbach sei am Mittag ein Schadstoffwert von 4,26 Milligramm Ammoniumnitrat pro Liter gemessen worden, teilte das Landratsamt in Künzelsau mit. Tödlich für Fische sei ein Wert über 0,5 Milligramm. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer waren mit der Rettung der noch lebenden Fisch- und Muschelbestände beschäftigt. Mit einem Elektrobefischungsgerät wurden die Tiere betäubt und anschließend mit einem Netz abgefischt. Sie sollen unter anderem in den abgeriegelten Nebenflüssen und Biotopen wieder ausgesetzt werden. Bei dem Großbrand eines Mühlenbetriebs in Kirchberg an der Jagst war in der Nacht zum Sonntag auch ein Gebäude betroffen, in dem größere Mengen Düngemittel mit Ammonium lagerten. Trotz Vorsichtsmaßnahmen der Feuerwehr gelangte verunreinigtes Löschwasser in die Jagst. Das Landratsamt Schwäbisch Hall sprach von einer ökologischen Katastrophe. Die Naturschutzreferentin beim BUND: „Es ist die größte Flusswasservergiftung in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit dem Chemieunfall 1986 bei Sandoz bei Basel, als im Rhein auf 400 Kilometern der Aalbestand ausgelöscht wurde.“ Das Gift in der Jagst sei farblos und im Wasser nicht sichtbar, sagte Kreimes. Es werde wie ein Schiff im Wasser mitgetrieben, dabei aber langsam auseinandergezogen, weil die Strömung nicht an allen Stellen gleich schnell sei.

„Ein echtes Naturjuwel“

Im Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Schwäbisch Hall hatte das verseuchte Wasser bereits Tausende Fische getötet. Daneben sei auch das Makrozoobenthos - also die Gesamtheit aller lebenden Organismen wie Insektenlarven, Würmer oder kleine Krebse - betroffen, sagte der Sprecher des Naturschutzbundes, Hannes Huber. „Wir müssen davon ausgehen, dass ein Großteil abgestorben ist. Das ist natürlich für die betroffenen Arten fatal - aber auch für die Arten, die darauf als Nahrungsgrundlage angewiesen sind.“ Die Jagst sei einer der besonders naturnahen Flüsse im Südwesten, sgte Huber. „Das ist ein echter Schlag ins Kontor. Das ist nicht irgendein Kanal, sondern ein echtes Naturjuwel.“

Erst im nächsten Jahr könne man eine Bestandsaufnahme in dem Fluss machen und im Herbst vorsichtig mit einer Besatzmaßnahme beginnen, sagte der Vorsitzende des Angelsportvereins Jagst Langenburg, Achim Thoma. Dabei werden Fische aus Züchtungen in dem Fluss angesiedelt. Solche Maßnahmen seien aber eine Kostenfrage. „Da ist man schnell im mehrstelligen Bereich von hunderttausend Euro“, sagte Thoma.