Friedrich Merz beim Landestag der Jungen Union Baden-Württemberg. Foto: dpa - dpa

Friedrich Merz gilt den Konservativen in der CDU als Heilsbringer, der die Partei, ja das ganze Land retten wird. Bei der Jungen Union schlägt Merz aber andere Töne an.

Bad Waldsee (dpa)Der Saal kocht schon, da hat Friedrich Merz noch gar nicht die Turnhalle betreten. Die 200 Delegierten in der Mehrzweckhalle im oberschwäbischen Bad Waldsee klatschen zu dröhnender Popmusik, sie jubeln, pfeifen, schreien, als wäre der ehemalige CDU-Fraktionschef ein Popstar. 41 Minuten später werden sie rhythmisch "Kanzler, Kanzler" rufen, während sich Merz auf der Bühne mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischt. Merz lächelt, streckt die Hände hoch zur Siegerpose, wird frenetisch gefeiert. Er hat viele Fans im Südwesten. Der Auftritt bei der Jungen Union Baden-Württemberg ist ein Heimspiel für den Konservativen.

Es ist der letzte größere öffentliche Auftritt von Merz vor dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig in wenigen Tagen. Die innerparteilichen Machtkämpfe und und anhaltende Personaldebatten in der CDU überschatten das Treffen. Der Frust in der Union über Wahlschlappen und miese Umfragewerte ist groß. Nicht nur die Junge Union ruft derzeit nach mehr Profil und klarer Kante.

Die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Susanne Eisenmann, lässt in Bad Waldsee kein gutes Haar an ihrer Partei. Die CDU scheue Haltung, sei zu beliebig, wirke altbacken und langweilig, zu arrogant, zu verkrampft. Man müsse wieder wissen, für was die CDU stehe, für was sie kämpfe. "Die Diskussionen der letzten Wochen kamen ja nicht umsonst auf", sagt sie. "Wenn ich mir eure Gästeliste so anschaue, heute und morgen, habt ihr ja genau auch diejenigen eingeladen, die zu diesem Thema da was zu sagen haben."

Der Unionsnachwuchs - traditionell konservativer als die Mutterpartei - hat nämlich mit Merz und JU-Bundeschef Tilman Kuban namhafte Kritiker am Kurs von Parteispitze und Bundesregierung nach Oberschwaben eingeladen. Die JU fordert einen Mitgliederentscheid in der Frage der Kanzlerkandidatur, was als Affront gegen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verstanden wurde. Nach wiederholter Kritik an ihrer Amtsführung hatte die CDU-Chefin ihre internen Gegner zuletzt aufgefordert, auf dem Parteitag in Leipzig die offene Auseinandersetzung zu suchen.

Am Sonntag stellt Kuban in Oberschwaben erneut die Führungsfrage. "Man kann gerne noch weiter so rumwurschteln, aber es wird der CDU nicht helfen. Die Leute verlangen nach Führung, die Leute verlangen nach Köpfen, und genau das muss die CDU liefern." Er erntet Applaus.

Und auch Merz hatte in den vergangenen Tagen die Debatte über die Kanzlerkandidatur am Köcheln gehalten. Am Wochenende gibt er aber den loyalen Parteisoldaten. Er sagt Kramp-Karrenbauer, gegen die er das Rennen um die Parteiführung vor einem Jahr verloren hat, seine Unterstützung zu. Er findet sogar lobende Worte für Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Deren Flüchtlings-Entscheidung 2015 sei eine "großartige humanitäre Geste" gewesen, auch wenn die Folgen Deutschland noch Jahre beschäftigen würden. Mit Blick auf seine scharfe Kritik an der Bundesregierung ("grottenschlecht") gibt sich Merz reumütig. Er habe die Regierung vor kurzem ziemlich hart kritisiert. Gute Freunde hätten ihm gesagt, er müsse aufpassen, nicht zu weit zu gehen - dass er nicht derjenige sein dürfe, der auslöse, "dass wir in der Union einen ähnlichen Umgang mit den gewählten Repräsentanten erreichen wie die Sozialdemokraten".

Es sei nicht die Zeit für Personaldebatten, sagt Merz. "Und wenn ich mich zu der ein oder anderen Person auch einmal kritisch äußere, dann ist das kein Putschversuch. Lasst mal die Kirche im Dorf!" Falls die GroKo platze, werde die CDU in der Lage sein, sehr schnell Entscheidungen zu treffen. "Ich bin bereit, daran mitzuwirken." Aber nur im Team, nicht als One-Man-Show. Wie ein solches Team aussehen könnte, lässt er offen.

Trotz solch versöhnlicher Töne präsentiert sich der 64-Jährige als Alternative zur Parteichefin, auch wenn er es nicht ausspricht. Er fordert einen neuen Kurs in der Innen- wie Außenpolitik, eine bessere digitale Infrastruktur, eine andere Wirtschaftspolitik, es dürfe auch keine weiteren Zugeständnisse an die Sozialdemokraten geben, keine weiteren Kompromisse zu Lasten der Union, keine weiteren Steuererhöhungen und Abgaben. Am Ende muss sich Merz aus der Halle kämpfen, weil so viele ihn umringen und noch ein Selfie wollen mit ihrem konservativen Messias. Als seine Limousine davon fährt, steht der Unions-Nachwuchs Spalier und klatscht. Merz, die One-Man-Show - zumindest am Wochenende in Bad Waldsee.