Der Verschönerungsverein betreibt während vieler Jahre auf dem Marktplatz eine Eisbahn (Aufnahme um 1910). Foto: Stadtarchiv Esslingen - Stadtarchiv Esslingen

Das Jahr 1885 hat für die Esslinger viel zu bieten: In unserer Jubiläumsserie berichtet Peter Stotz über die Ausbreitung der Kolonialmächte in Afrika und Winterspaß auf dem Marktplatz der ehemaligen Reichsstadt.

EsslingenDas Weltgeschehen wird auch im Jahr 1885 von der Aufteilung der Territorien Afrikas in Kolonien bestimmt. Grundlage bildet die „Kongo-Akte“, ein Vertrag, der im Februar den Schlusspunkt unter die viermonatige Berliner Kongo-Konferenz setzt. Der belgische König Leopold II. interpretiert den Vertrag auf seine Weise und erklärt den Kongo zu seinem Privatbesitz. Auch Italien mischt nun in Afrika mit. Truppen besetzen den Hafen Massaua an der ostafrikanischen Küste, der Auftakt zur Gründung der Kolonie Eritrea.

Das Deutsche Reich wird ebenfalls in Ostafrika aktiv. Handelsagenten und Abenteurer bringen mit zumeist windigen Verträgen große Gebiete in den heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda unter ihre Kontrolle und erhalten dafür kaiserliche Schutzbriefe und militärische Unterstützung. Auch die Insel Sansibar wird zur Anerkennung der deutschen „Schutzherrschaft“ gezwungen. Unter dem Namen Deutsch-Ostafrika wird das Gebiet deutsche Kolonie.

Beherrschendes Thema in Württemberg ist in diesem September der Besuch Kaiser Wilhelms I. in Stuttgart und Ludwigsburg. Anlass ist das sogenannte „Kaisermanöver“, die jährliche zentrale Großübung des deutschen Militärs. Die Eßlinger Zeitung widmet dem Ereignis eine ganze Seite, berichtet ausführlich von der „Auffahrt der Fürstlichkeiten auf dem Paradefelde“, den „sehr malerischen Uniformen“ und, dass der kaiserliche Blick „wohlgefällig auf den Gestalten der schwäbischen Krieger ruhte“.

Der Besuch und das Manöver werden von zweitägigen Feierlichkeiten begleitet. Wie die Eßlinger Zeitung berichtet, bringen Sonderzüge „Fremde in gewaltiger Anzahl“ zu einem Fackelzug zu Ehren des Kaisers nach Stuttgart, die für „ein gewaltiges Gedränge“ in der Stadt sorgen. Für die Besucher muss sich das Spektakel gelohnt haben und auch der Korrespondent ist begeistert. „Stuttgart hat schon viele großartige Festlichkeiten erlebt, aber wohl schwerlich etwas imposanteres und großartigeres als diesen in allen Teilen so herrlich gelungenen Fackelzug“, berichtet er. Ergriffen von patriotischem Überschwang erkennt das Blatt eine Atmosphäre, „welche die gegenwärtige Stimmung unseres sonst nicht so leicht erregbaren Publikums treffend charakterisiert. Nach dem, was wir heute wieder gesehen, können wir mit Recht noch singen: Lieb Vaterland magst ruhig sein!“

Auch die Esslinger pflegen ihre Lustbarkeiten, manche davon mit stadtbürgerlichem Gemeinsinn. So betreibt der Verschönerungs-Verein in diesen Jahren zur Winterzeit auf dem Marktplatz eine Eisbahn. Zum Auftakt der Saison wird dort im Januar ein Eisfest veranstaltet. Die Bahn wird dazu mit bunten Lampions und bengalischen Flammen beleuchtet und die Eßlinger Zeitung erwartet „einen glänzenden Verlauf“, des Fests, da „voraussichtlich die angrenzenden Häuserbewohner in freundlicher Weise durch Illumination zur Verschönerung des Festes beitragen“. Gefeiert wird für einen guten Zweck: Der Ertrag soll für die Restaurierung der Frauenkirche verwendet werden.

Für die Eisbahn selbst werden klare Regeln ausgegeben. Das „Eisbahn-Comite“ veröffentlicht die Anordnung, dass „beim Schlittschuhlaufen, um Zusammenstößen vorzubeugen, die Richtung Schwanenapotheke-Kielmeyer-Wilder Mann-Dr. Späth-Stadtkirche einzuhalten“ ist. „Hunde auf das Eis mitzubringen, ist verboten, ebenso das Tragen von Spazierstöcken während des Schlittschuhlaufens.“

1884