Mit der Erstellung neuer Wohngebiete wird auch der Busverkehr verstärkt. Die Buslinie nach Oberesslingen wird in die Lerchenäcker verlängert. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

1960 nimmt das seinen Lauf, was „Kalter Krieg“ genannt wird. Auch in Esslingen und in der EZ findet der Streit zwischen den Siegermächten Niederschlag.

EsslingenDie Phase der Entspannung zwischen den politischen Blöcken ist nur von kurzer Dauer. Die Sowjetunion schießt im Mai 1960 über ihrem Territorium ein US-amerikanisches Spionageflugzeug ab, der Pilot wird gefangen genommen. Der Vorfall führt zu einer schweren Krise, die laut der Eßlinger Zeitung die Vereinten Nationen von einer „Verschärfung des Kalten Krieges“ sprechen lässt. Die Nachricht platzt in die Endphase der Vorbereitungen für eine Gipfelkonferenz der vier Siegermächte Frankreich, Großbritannien, UdSSR und USA in Paris über Abrüstung und eine Friedensordnung für Europa. Der sowjetische Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow erklärt, nur dann verhandeln zu wollen, wenn sich die USA für den Spionageflug entschuldigen, die Verantwortlichen vor Gericht stellen und solche Flüge künftig unterlassen. „Leisten die USA keine Abbitte, werde er heimfahren“, berichtet die Zeitung.

Esslinger besorgt über Weltpolitik

Der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower lehnt dies brüsk ab und erklärt, „von der Haltung der Sowjetunion stark angewidert“ zu sein. Frankreich und Großbritannien reagieren versöhnlicher, üben jedoch den Schulterschluss mit den USA. Chruschtschow reist ab, die Konferenz scheitert, bevor sie begonnen hat. In der deutschen Bevölkerung löst dies erhebliche Besorgnis aus. „Vor Zeitungskiosken und in den Läden unterhielten sich die Menschen mit ernsten Gesichtern. Der Fernsprech-Nachrichtendienst der Bundespost war in den meisten Städten infolge der vielen Anrufe blockiert“, schreibt die EZ.

Das Scheitern der Konferenz hat auch Folgen für Deutschland. Die DDR verbietet im August Bundesbürgern für fünf Tage die Einreise nach Ost-Berlin, ab September ist das nur noch mit einer Aufenthaltsgenehmigung möglich. Die Bundesrepublik reagiert mit der Kündigung des Abkommens über den Interzonenhandel.

Die Bundesrepublik vereinbart in der ersten Jahreshälfte Abkommen mit Dänemark, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und Norwegen zur Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus. Auch an anderer Stelle ist die jüngste Vergangenheit noch präsent. Der Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer muss wegen des Vorwurfs zurücktreten, als Mitarbeiter des Militärgeheimdiensts und als Kommandeur an der Ostfront an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Der israelische Geheimdienst nimmt den ehemaligen SS-Offizier Adolf Eichmann in Argentinien fest und entführt ihn nach Israel. Eichmann war einer der Hauptverantwortlichen für die Deportation von mehreren Millionen Juden in die Vernichtungslager.

Der wirtschaftliche Aufschwung der Bundesrepublik ist ungebrochen und auch die Stadt Esslingen profitiert. Die Gewerbesteuer steigt und die Stadt plant große Investitionen. Zur Verkehrsentlastung der Stadt werden der Ausbau der B 10 und der Bau einer neuen Neckarbrücke diskutiert. Eine Erweiterung des Krankenhauses und ein neuer Saalbau an der Bahnhofstraße sind im Gespräch.

Im Juni wird per Bundesgesetz die Zwangsbewirtschaftung des Wohnungsmarkts außer Kraft gesetzt. Das gibt dem Wohnungsbau in Esslingen weiteren Auftrieb. An der Flandernstraße wird ein neues Wohnbaugebiet ausgewiesen, das Wohngebiet Lerchenäcker wird fertiggestellt. Für die Bewohner wird bald schon die Obus-Strecke bis zur Dresdener Straße verlängert. „Der Fahrpreis steigt allerdings. „Um durch Lohnerhöhung entstandene Mehrkosten auszugleichen, mußte der Gemeinderat ab 1. Mai die Tarife heraufsetzen“, berichtet die Zeitung.