Im Jahr 1932 werden das Gestüt und die Rennbahn in Weil, über Jahrzehnte Schauplatz bürgerlicher Vergnügungen, geschlossen. Foto: Stadtarchiv Esslingen - Stadtarchiv Esslingen

1932 wird die Demokratie weiter ausgehöhlt. Die gestärkten Rechten stiften auch auf Esslinger Straßen Unruhe. Zudem wird eine wichtige Vergnügungsstätte geschlossen.

EsslingenDas parlamentarische System und damit die Demokratie in Deutschland lösen sich im Jahr 1932 langsam auf. Die Regierung kann sich auf keine stabilen Mehrheiten im Reichstag stützen, wichtige Entscheidungen fallen zumeist aufgrund von Notverordnungen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.

Mehr als sechs Millionen Menschen sind arbeitslos, die wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Dies spielt der NSDAP in die Hände, die reichlich Nährboden für Versprechungen einer besseren Zukunft findet. Adolf Hitler versichert sich bei einem Treffen des Wohlwollens der Großindustrie mit der Aussage, die wirtschaftliche Krise könne nur überwunden werden, wenn das parlamentarische System beseitigt würde.

Bei den Neuwahlen zum Präsidentenamt im April tritt neben Hindenburg auch Hitler an, der zwar unterliegt, aber 36,8 Prozent der Stimmen erhält. Bei mehreren Landtagswahlen in diesem Monat fährt die NSDAP satte Gewinne ein. In Württemberg steigert sie ihren Anteil von rund 20 000 im Jahr 1928 auf mehr als 328 000 Stimmen.

Hindenburg entlässt die Regierung

Reichskanzler Heinrich Brüning plant, das Siedlungsprogramm für Arbeitslose in großem Maßstab zu erweitern und dafür Ländereien ostpreußischer Großgrundbesitzer zu enteignen. Hindenburg sieht die Interessen seiner Klientel gefährdet, entlässt die Regierung und beruft den Zentrumspolitiker Franz von Papen zum Kanzler.

Im Juli wird der Reichstag neu gewählt, die NSDAP wird mit 37,4 Prozent stärkste Fraktion, regierungsfähige Mehrheiten kommen nicht zustande. Die Regierung scheitert nach wenigen Monaten, es wird erneut gewählt, auch dieses Mal ohne Mehrheiten zu erzielen. Hindenburg bietet Hitler das Kanzleramt an, der jedoch mit Unterstützung der Industrieverbände eine vom Parlament unabhängige Regierung – faktisch die Diktatur – fordert. Hindenburg lehnt das ab und beruft Reichswehrminister Kurt von Schleicher zum Reichskanzler.

Reichspräsident lehnt Parteidiktatur ab

Die Eßlinger Zeitung druckt dazu eine amtliche Mitteilung ab, in der Hindenburgs Ablehnung begründet wird. Der Reichspräsident könne nicht vertreten, „dem Führer einer Partei, die immer erneut ihre Ausschließlichkeit betont hat, seine präsidialen Vollmachten zu geben“. Es stehe zu befürchten, „daß ein von Herrn Hitler geführtes Präsidialkabinett sich zwangsläufig zu einer Parteidiktatur mit all ihren Folgen für eine außerordentliche Verschärfung der Gegensätze im deutschen Volke entwickeln würde“.

Rechte gegen Linke in Esslingen

Während des Jahres gibt es schwere Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken, bei denen viele Menschen ums Leben kommen. Auch in Esslingen entladen sich die Spannungen. Wie die Eßlinger Zeitung berichtet, kommt es in der Pliensauvorstadt „öfters zu weitgehenden Zusammenstößen zwischen Angehörigen politischer Parteien“. Eine Polizeistreife in Zivil wird von einer Gruppe unter der Führung eines „polizeibekannten, politisch linksradikalen Kreisen angehörenden, vorbestraften Raufboldes“ angegriffen. Die Polizisten greifen zur Waffe, zwei Menschen sterben.

Gestüt und Rennbahn Weil werden geschlossen

Im Dezember nimmt Esslingen Abschied von einer Institution des bürgerlichen Vergnügens. „Die fortgesetzte Verschlechterung der Wirtschaftslage gab den Anstoß für die Auflösung des Gestüts Weil“, berichtet die Eßlinger Zeitung. Mit dem Gestüt wird auch die Rennbahn geschlossen. „Die Rennbahn wird keine sausenden Vollblüter, keine Uniformen, keine Jockeis in bunter Seidenjacke – und keine schönen Frauen mehr sehen.“