Ein Bild wird zum Symbol: Bundeskanzler Willy Brandt bittet in Warschau am Denkmal für die Opfer im Warschauer Ghetto um Verzeihung. Foto: dpa - dpa

In der Jubiläumsserie geht es um das Jahr 1970: Die Machtblöcke nähern sich an. Lokal ist die Kreisreform ein großes Thema.

EsslingenDas Jahr 1970 steht im Zeichen der Annäherung der politischen Machtblöcke in Europa und eines tiefgreifenden Wandels der Ost-West-Beziehungen. Bundeskanzler Willy Brandt schlägt Verhandlungen über eine Normalisierung des deutsch-deutschen Verhältnisses vor und trifft sich im März in Erfurt mit dem Vorsitzenden des Ministerrats der DDR Willi Stoph zum ersten innerdeutschen Gipfel. Die Gespräche werden bei einem Gegenbesuch Stophs in Kassel fortgesetzt. Im November beginnen die Verhandlungen über ein Transitabkommen und den Grundlagenvertrag.

Auch auf europäischer Ebene wird auf eine Politik der Entspannung gesetzt. Der französische Staatspräsident Georges Pompidou unterstützt die Bundesregierung offiziell bei ihrer Ostpolitik. Der NATO-Ministerrat ist zu Gesprächen mit den Staaten des Warschauer Pakts über die Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz bereit. Jene wünschen zusätzlich Beratungen über eine Verkleinerung der Truppenstärken.

Egon Bahr, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, bereitet mit dem sowjetischen Außenminister Andrej Gromyko einen Gewaltverzichtsvertrag vor. Bundesaußenminister Walter Scheel reist zu konkreten Verhandlungen nach Moskau. Brandt unterzeichnet im August den deutsch-sowjetischen Vertrag über Gewaltverzicht und Anerkennung der in Europa bestehenden Grenzen.

Wie die Eßlinger Zeitung berichtet, nutzen die Regierungsvertreter beider Seiten die Gelegenheit, um über eine Weiterführung der Entspannungspolitik auf europäischer Ebene zu beraten. „Der Kanzler versicherte, die Bundesregierung werde die Ergebnisse des Gedankenaustausches in die NATO einbringen und meinte, es wäre nützlich, wenn die Sowjetunion das gleiche im Warschauer Pakt tun würde“, berichtet die EZ. Darüber hinaus habe sich Kanzler Brandt „einer Konferenz für die Sicherheit Europas nicht abgeneigt“ gezeigt.

Im Dezember unterzeichnen Brandt und der polnische Ministerpräsident Jozef Cyrankiewicz einen Vertrag zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Im Warschauer Vertrag erkennt die Bundesrepublik die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze an. Brandt legt am Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos einen Kranz nieder. Sein dortiger Kniefall, mit dem er Abbitte für die deutschen Verbrechen in Polen leistet, geht in die Geschichtsbücher ein.

Köngen bleibt im Kreis Esslingen

Innenpolitisch sucht die Bundesregierung die Verständigung mit der außerparlamentarischen Opposition und Mittel zur Befriedung der Unruhe im Land. Unter anderem wird eine Liberalisierung des Demonstrationsstrafrechts beschlossen. Das Wahlalter wird auf 18 Jahre herabgesetzt. Einige Oppositionelle gehen in die Illegalität. Der 1968 wegen der Frankfurter Kaufhaus-Brandstiftung verurteilte Andreas Baader wird befreit, Ulrike Meinhof ist daran beteiligt. Dies gilt als Signal zur Bildung der Roten Armee Fraktion (RAF).

Im Landkreis Esslingen konkretisieren sich die ersten Schritte zu einer Kreisreform. Die Eßlinger Zeitung berichtet, dass der Kreistag einer Verwaltungsreform zustimmen werde, wenn die Gemeinde Köngen beim Kreis bleibt und nicht, wie vom Land vorgesehen, dem Kreis Nürtingen zugeschlagen wird. Diesem Vorhaben widersprächen die „in 160 Jahren gewachsenen, engen Beziehungen und Verflechtungen der Gemeinde Köngen mit Stadt und Kreis Esslingen“. Außerdem habe eine Bürgerbefragung in Köngen „ein einmütiges Bekenntnis für den Verbleib beim Landkreis Esslingen“ ergeben. Die SPD-Fraktion im Kreistag kündigt an, bei einer Weigerung des Landes werde die Partei „im Landtag den Antrag einbringen, zum ursprünglichen Konzept eines Großkreises Esslingen und Nürtingen zurückzukommen“.