Im Februar 1929 fällt das Thermometer auf 26 Grad unter Null, der Neckar bei Esslingen friert zu. Foto: Stadtarchiv Esslingen - Stadtarchiv Esslingen

Das Jahr 1929 begann eisig, das Termometer sank im Kreis Esslingen auf minus 26 Grad, der Neckar fror zu. Der Börsencrash in New York markiert den Beginn der Weltwirtschaftskrise.

Kreis EsslingenIm Frühjahr 1929 berät in Paris eine Kommission unter dem Vorsitz des amerikanischen Wirtschaftsexperte Owen D. Young eine Neuregelung der deutschen Reparationszahlungen. Daran nimmt Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht teil, er fordert eine Revision der deutsch-polnischen Grenze und die Rückgabe der Kolonien. Im Juni wird Youngs Plan unterzeichnet. Er sieht Reparationen in Höhe von 112 Milliarden Goldmark, zahlbar innerhalb von 58 Jahren, vor.

Die NSDAP und rechte Organisationen laufen gegen den Young-Plan Sturm und fordern ein „Gesetz gegen die Versklavung des deutschen Volkes“. Der Reichstag lehnt das Gesetz ab, ein Volksbegehren scheitert. Für die Rechten bleibt aber der propagandistische Erfolg. NSDAP-Funktionär Joseph Goebbels bezeichnet das Volksbegehren als „Anfang einer Volksrevolution“. Während die Reichsregierung unter dem Druck der rechten Parteien einem enorm hohen Etat für Aufrüstung zustimmt, ist Außenminister Gustav Stresemann weiter auf diplomatischem Entspannungskurs. Gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand erarbeitet er für den Völkerbund einen Plan zur Schaffung eines vereinigten, föderalen Europa. Zur Diskussion darüber kommt es nicht mehr, Stresemann stirbt im Oktober nach einem Schlaganfall. Wie die Eßlinger Zeitung berichtet, ist die Trauer um Stresemann im In- und Ausland groß. „Alle Regierungen haben ihr Beileid übermitteln lassen“, schreibt das Blatt. Aus Deutschland hätten Länderregierungen, Städte „und zahllose sowohl amtliche wie private Körperschaften Kundgebungen der Trauer und des Beileids“ nach Berlin geschickt. In der französischen Presse wird laut der Zeitung betont, dass Stresemanns Tod „einen großen Verlust für die europäische Politik und vor allem für die deutsch-französischen Beziehungen bedeute“.

Am 24. Oktober leitet ein Kurssturz an der New Yorker Börse die Weltwirtschaftskrise ein, die Deutschland hart trifft. Das nach dem Krieg in den USA ausgebrochene Spekulationsfieber mit Aktien, die oft mehrfach über ihrem Wert oder gar nur als Papiere ohne Gegenwert gehandelt werden, wird jäh gestoppt. Die Kurse stürzen ins Bodenlose, Millionen Anleger verlieren ihr Geld. Ein Korrespondent der Eßlinger Zeitung berichtet von einer „wild bewegenden schreienden Menschenmasse“ im Börsensaal an der Wall Street. Einen Tag später, am Schwarzen Freitag, erreicht der Börsencrash Europa. Die USA als Hauptgläubiger und amerikanische Investoren ziehen ihr Geld aus Deutschland ab. Konkurse häufen sich, die Arbeitslosenzahl steigt von 1,9 Millionen im Februar auf 3,2 Millionen zum Jahresende an.

Die Esslinger staunen in diesem Winter über ein höchst seltenes Naturereignis. Die Eßlinger Zeitung berichtet im Februar von „ganz ungewöhnlich strenger Kälte“ im Neckartal. Minus 26 Grad seien gemessen worden, „das geht denn doch über die gewohnten Grenzen einer kühlen Winternacht hinaus“ und sei „seit 99 Jahren die größte Kälte“. Der Neckar friert zu, Eisschollen türmen sich auf und locken abenteuerlustige Spaziergänger an.