Die US-Armee räumt im November 1992 ihre Kaserne in Nellingen, auf dem Gelände entsteht in den Folgejahren ein neuer Stadtteil. Foto: Stadtarchiv Ostfildern - Stadtarchiv Ostfildern

In der EZ-Jubiläumsserie geht es um das Jahr 1992.

EsslingenIm Jahr 1992 rückt die Bildung der Europäischen Union näher. Zehn der zwölf Staaten ratifizieren den Vertrag von Maastricht, einschließlich der Vereinbarungen zu einer gemeinsamen Währung und einer gemeinsamen Außen- und Sozialpolitik. Dänemark schert allerdings nach einer Volksabstimmung aus dem Vertragswerk aus, Großbritannien will die Entscheidung um zwei Jahre vertagen. Bei einem Referendum in Frankreich stimmt nur eine knappe Mehrheit für eine Union, viele Bürger befürchten einen zu starken Zentralismus. In Deutschland entscheidet sich der Bundestag bei nur wenigen Gegenstimmen für die EU, „trotz gravierender Bedenken, die DM in einer gemeinsamen Währung aufgehen zu lassen“, merkt die Eßlinger Zeitung an.

Im Bürgerkrieg auf dem Balkan ist kein Ende in Sicht. Bosnien-Herzegowina ruft die Unabhängigkeit aus, die dortige serbische Minderheit gründet daraufhin ein eigenes Staatsgebilde. Auch die kroatische Minderheit in Bosnien-Herzegowina ruft in einem Teil des Landes einen eigenen Staat aus. Montenegro beschließt die Gründung eines neuen jugoslawischen Staats gemeinsam mit Serbien, der international jedoch nicht anerkannt wird. Die EG erkennt dafür Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien an. Im Mai verhängen die EG und die UN Handelsembargos gegen Serbien und Montenegro, um sie zu einem Ende des Kriegs zu zwingen. Die UN schicken eine 14 000 Mann starke Friedenstruppe nach Kroatien und 1100 Blauhelm-Soldaten nach Bosnien-Herzegowina. Die Bundeswehr beteiligt sich mit Hilfsflügen für die Zivilbevölkerung und überwacht mit Kriegsschiffen das Embargo. Die UN-Menschenrechtskommission verurteilt die bosnischen Serben wegen ihrer Politik der ethnischen Säuberungen. Nach UN-Schätzungen sind etwa drei Millionen Menschen auf der Flucht. Bund und Länder einigen sich darauf, Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen.

In Deutschland kommt es zu schweren Gewalttaten Rechtsradikaler gegen Migranten. In Rostock zünden Rechte unter dem Beifall vieler Zuschauer einen Wohnblock an, in dem vor allem Vietnamesen leben. In Mölln in Schleswig-Holstein kommen bei einem Brandanschlag Rechtsradikaler auf zwei von Türken bewohnte Häuser zwei Mädchen und ihre Großmutter ums Leben, neun weitere Menschen werden verletzt. In den Folgewochen kommen in etlichen Städten Hunderttausende zu Demonstrationen gegen Fremdenhass zusammen, an einer Lichterkette in München nehmen 450 000 Menschen teil.

Scharnhauser Park entsteht

Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg im April muss die CDU herbe Verluste von fast zehn Prozent der Stimmen hinnehmen, fortan bildet sie mit der SPD eine Koalitionsregierung, Ministerpräsident bleibt Erwin Teufel (CDU). Als besonders erschreckend wird der Einzug der rechten Republikaner ins Parlament gewertet, die fast elf Prozent der Stimmen erhalten. Der Kommentator der Eßlinger Zeitung sieht in den Gründen „eine Mixtur von als bedrohlich Empfundenem, wirklichen Zukunftsängsten sowie Gefühlen sozialer Benachteiligung und Konkurrenz“. Dank des Endes des kalten Kriegs und der Abrüstung in Ost und West ziehen die USA einen Großteil ihrer Truppen aus Deutschland ab, die Mehrzahl der Standorte wird geschlossen. Davon profitiert auch die Stadt Ostfildern. Am 2. November wird in den Nellingen Barracks das Licht ausgemacht, das 150 Hektar große Gelände wird geräumt. In den kommenden Jahren entsteht dort mit dem Stadtteil Scharnhauser Park eine neue Stadtmitte.