Ein etwas anderes Leben auf der Straße: Nele und Jalil Landero Flores reisen mit ihrem Wohnwagengespann – hier sind sie in der Bardenas Reales in Nordspanien – und berichten davon in ihrem Blog. Foto: Landero Flores - Landero Flores

Von Sigor Paesler
Stuttgart – Wenn es mal wieder drei Tage ohne Unterbrechung regnet, die Wege matschig sind und die Kleidung klamm wird, dann schaut Nele aus dem Fenster ihres Wohnwagens und denkt daran, wie es früher in ihrem Büro im Hertener Rathaus war. Auf keinen Fall besser, findet sie. In ihrer Kindheit war es anders herum. Nele saß im Klassenzimmer, schaute hinaus an den blauen Himmel und träumte vom letzten Urlaub. Heute braucht sie kein Fernweh mehr zu haben. Seit zwei Jahren fährt Nele (Landero Flores heißt sie mit Nachnamen, aber der wird in ihrer neuen Branche nicht unbedingt gebraucht) mit ihrem Mann Jalil, dem Hund Zoe und dem Caravan durch die Welt und verdient ihren Lebensunterhalt als Bloggerin. Nele und Jalil haben die Seite „Camperstyle.de“ gegründet, auch die Wohnmobilisten Stefanie und Sebastian Vogt schreiben dafür, dazu noch einige weitere freie Autoren. „Wir wollten mit der Lebensfreude nicht warten, bis wir in Rente sind. Und auch nicht mit der Berufsfreude“, fasst Nele ihre Motivation zusammen. Arbeiten, wie andere Urlaub machen.

Kontaktpflege bei der CMT

Die Urlaubs- und Campingmesse CMT in Stuttgart, die am Sonntag endet, ist für die Blogger ein Pflichttermin. Kontaktpflege ist angesagt. Auch Sebastian ist da. Er kommt direkt aus Portugal. Denn finanziert wird die Seite und damit der Lebensunterhalt durch die Zusammenarbeit mit Werbe-Partnern. Nele betont jedoch, dass sie nur Kunden auswählen, hinter deren Produkten sie stehen, und dass sie in ihrer Berichterstattung frei sind. Das steht sogar in den Verträgen. Der Schritt in die Selbstständigkeit war ein großes Risiko. Nele gab eine Festanstellung als Pressesprecherin einer Stadt auf, Jalil war in Mexiko als Videoproduzent tätig. Das heißt nicht, dass der Weg nicht gut geplant war. Als Start half ein Stipendium, die Blogger ließen sich in Sachen Online und Marketing schulen. Sebastian hatte in dem Bereich ohnehin Erfahrung, er hatte schon mehrere Blogs betrieben und Verlage in Marketingfragen beraten.

Während Nele Journalismus studiert hat, kommt Sebastian von der technischen Seite. Was den Online-Bereich und was Wohnmobile betrifft. „Wenn man ständig darin lebt, spürt man ganz anders, was Qualität bedeutet“, erklärt Sebastian. Er schreibt über entsprechende Themen. Die Beiträge sind vielfältig. Zu den weiteren Autoren gehören eine alleinerziehende Mutter und ein Paar, das mit gemieteten Wohnmobilen reist. „Viele denken bei Camping an Gelsenkirchener Barock, Dauercamper und Gartenzwerge. Dabei ist Camping sehr individuell und kreativ“, sagt Nele. Sebastian nickt. „Der Camping-Bereich ist super spannend. Die Branche kann es vertragen, bunter zu werden“, findet der 39-Jährige. Und: „Campen fängt an, wenn man im Schlafsack im Wald übernachtet und vielleicht noch einen Kartuschenkocher dabei hat, und endet bei den Luxuslinern.“ Die ganze Bandbreite wollen die Blogger abdecken. Abwechslungsreich und seriös. Es ist schon mehr ein Online-Magazin als ein klassischer Blog. Ein „Blogzin“, wie Sebastian es nennt.

Dass sie den gedruckten Camping-Zeitschriften Konkurrenz machen, ist den Bloggern bewusst. „Aber wir haben keine Berührungsängste, im Gegenteil. Der Markt verträgt beides“, erklärt Nele. Bestes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Magazin „Camping, Cars & Caravans“, in dem Nele und Jalil seit zwei Monaten eine regelmäßige (gedruckte) Kolumne schreiben. Zuletzt über das Thema „Reisen mit Hund“.

Der Erfolg gibt dem Team bislang recht. Dass die Camping-Branche boomt, hilft dabei. Von 30 000 auf 80 000 Besucher pro Monat sind die Zugriffszahlen im vergangenen halben Jahr gestiegen, 200 000 sind das Ziel.

Und kann man tatsächlich vom Bloggen leben? „Wir haben eine gewisse Anlaufphase gebraucht, jetzt ja“, sagt die 38-jährige Nele und erklärt: „Auch wenn es als Hobby begonnen hat, hatten wir von Anfang an die Idee, damit Geld verdienen zu wollen. Wir wollten etwas formen, das unser Lebensunterhalt ist.“ Schön, wenn es dann auch klappt.

„Routine war für mich Gefängnis“

Nele und Sebastian genießen ihr Leben auf Tour, ohne festen Wohnsitz. Sie wissen aber, dass das nichts für jeden ist und auch Nachteile hat. Schwer ist etwa die Pflege von sozialen Kontakten – von alten, denn neue kommen fast täglich dazu. „Wir haben keine Kinder, um die wir uns kümmern und kein Haus, das wir abbezahlen müssen“, sagt Nele. „Die Routine, die für andere Geborgenheit bedeutet, war für mich ein Gefängnis.“
Aber wie machen Reiseblogger eigentlich Urlaub? Sebastian lacht. „Wir haben das an Weihnachten tatsächlich versucht und sieben Tage lang den Laptop ausgelassen. Aber es war gar nicht so einfach.“ Leben im mobilen Heim bedeutet für die meisten Arbeiter Urlaub. Für die Camperstyle-Blogger ist es mehr. Eben arbeiten, wie andere Urlaub machen. Nele sagt, dass sie so lange so leben will, wie sie Spaß daran hat. „Es soll nicht zur selben Tretmühle werden wie das Leben davor.“ Noch ist sie davon weit entfernt. Bereut hat sie den Schritt nicht. Selbst wenn es mal drei Tage ohne Unterbrechung auf das Wohnwagendach regnet.

www.camperstyle.de