Wer sein Abitur nachholen will, sollte im Vorfeld seine Ressourcen realistisch einschätzen. Foto: dpa/Christin Klose - dpa/Christin Klose

Wer sein Abitur nachholen will, sollte über den richtigen Weg nachdenken. Fernlerninstitute sind nur etwas für Menschen, die sich gut alleine motivieren können.

Potsdam/NürnbergEs ist nie zu spät. Auch im Erwachsenenalter können Interessierte noch einmal die Schulbank drücken und über den Zweiten Bildungsweg nachträglich das Abitur erwerben. Damit verbessern sie nicht nur ihre beruflichen Möglichkeiten. „Sich hinzusetzen und auf einen höheren Schulabschluss hinzuarbeiten, kann allgemein einen Perspektivwechsel mit sich bringen und zur Persönlichkeitsentfaltung beitragen“, sagt Angela Hoffmann. Die Schulleiterin der Kleist-Schule Potsdam ist Vorsitzende des Bundesrings der Abendgymnasien Deutschlands.

Wer das Abi nachträglich erwerben möchte, muss vor allem eins: Zeit investieren. Und: Eine hohe Motivation sowie viel Selbstdisziplin sind unerlässlich. Einer der anstrengendsten Wege hin zum Ziel Abitur und damit zur Allgemeinen Hochschulreife ist der über das Abendgymnasium. Hierbei üben Interessierte tagsüber ihren Beruf aus und gehen drei Jahre lang abends zur Schule. 20 Stunden pro Woche sieht der Stundenplan vor, regulär müssen die angehenden Abiturienten also von Montag bis Freitag im Durchschnitt pro Tag vier Stunden am Unterricht teilnehmen. „Danach und am Wochenende stehen dann noch Hausaufgaben und die Vorbereitung auf Klausuren an“, erklärt Andrea Schwermer vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz in Berlin.

Lernen via Internetplattform

In einigen Bundesländern ist für Weiterbildungswillige, die etwa durch Behinderung oder durch Wechselschichten in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, auch ein Online-Abitur möglich. Hierbei müssen nur wenige Präsenztage vor Ort eingeplant werden. Das verbleibende Lernpensum wird selbstständig von zu Hause aus auf einer speziellen Internetplattform erarbeitet. Neben dem Abendgymnasium gibt es für Erwachsene die Option, an einem Kolleg fürs Abitur zu büffeln. „Der Unterricht erfolgt drei Jahre lang tagsüber, die Wochenstundenzahl liegt bei etwa 30“, erläutert Dagmar Steinert von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Eine weitere Möglichkeit: Das Abitur kann über ein Fernlerninstitut nachträglich erworben werden. Der jeweilige Anbieter schickt dann die Lerninhalte beispielsweise per Mail, Video oder per Post zu. An einigen – aber nicht an allen – Volkshochschulen (VHS) gibt es ebenfalls die Option, sich auf die Abiturprüfung vorzubereiten. Entsprechende Kurse finden abends oder am Wochenende statt. Die Abi-Prüfung an sich wird aber in aller Regel nicht an der VHS oder am Fernlerninstitut selbst, sondern vor externen Prüfern abgelegt.

Ebenfalls eine Option: Die Berufsoberschule (BOS). Die BOS baut in einigen Bundesländern auf die Mittlere Reife oder die Fachhochschulreife und eine abgeschlossene Berufsausbildung auf. Sie führt Schüler zur Fachhochschulreife, fachgebundenen Hochschulreife oder zur Allgemeinen Hochschulreife. Je nach Abschluss dauert die BOS ein oder zwei Jahre.

Wer ein Abendgymnasium oder ein Kolleg besuchen will, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. „In aller Regel wird ein Mindestalter von 19 Jahren vorausgesetzt“, sagt Hoffmann. Außerdem müssen Bewerber die Mittlere Reife sowie eine abgeschlossene Ausbildung oder eine zwei- bis dreijährige Berufstätigkeit nachweisen. Gegebenenfalls vorhandene Zeiten der Arbeitslosigkeit können angerechnet werden.

Egal, welcher Weg infrage kommt: Interessenten müssen im Vorfeld ihre Ressourcen und ihr Durchhaltevermögen realistisch einschätzen, sonst ist ein Scheitern vorprogrammiert. Freizeit und Erholung stehen über einen längeren Zeitraum weit hinten an. „Vor allem, wenn man ein Abendgymnasium besucht, muss man eigene Methoden und Arbeitstechniken entwickeln, um alles unter einen Hut zu bekommen“, erklärt Hoffmann.

Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten sind genau abzuwägen. Wer sich beispielsweise selbst nicht gut motivieren kann, sollte nicht über ein Fernlerninstitut zu Hause alleine büffeln, sondern mit Gleichgesinnten an einem Abendgymnasium oder an einem Kolleg lernen. Ein Fernlerninstitut kann indes für alle geeignet sein, die selbst entscheiden möchten, wann und zu welcher Uhrzeit sie am liebsten lernen.

Auch über die Kosten-Frage sollten sich Interessenten im Vorfeld gut informieren. „Der Unterricht an Abendgymnasien, Kollegs und Berufsoberschulen in öffentlicher Trägerschaft ist gebührenfrei“, betont Steinert. Bei privaten Schulen und Fernlerninstituten fallen Kosten an. Bei der VHS können Kurse ebenso gebührenpflichtig sein. „Interessenten haben die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen BAföG zu beantragen“, erklärt Steinert. Eine Förderung über Schülerstipendien ist ebenfalls denkbar. Was bedeutet: Der Plan, das Abitur zu erwerben, muss nicht an den Kosten scheitern.

www.abendgymnasien.com; www.bundesring.de; www.zfu.de