25.02.2018 Gerlinde Kretschmann hilft in der Esslinger Vesperkirche mit

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Die Frau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Gerlinde Kretschmann, hat zum Auftakt der zehnten Vesperkirche zusammen mit dem Oberkirchenrat Dieter Kaufmann mitgeholfen.

EsslingenDie nächsten drei Wochen ist die ehrwürdige Esslinger Frauenkirche wieder Vesperkirche und damit Ort gelebter Solidarität. Unter dem Motto „Gemeinsam an einem Tisch“ treffen sich dort bis zum 18. März Bedürftige und Nichtbedürftige aus Esslingen und Umgebung, um gut zu essen, gemütlich Kaffee zu trinken, aber auch um der Einsamkeit zu entfliehen und anderen zu begegnen. Zur Feier des zehnten Geburtstags hatte sich zur Eröffnung gestern auch Gerlinde Kretschmann, die Schirmherrin der Vesperkirchen in Württemberg, angekündigt, um in weißer Schürze bei der Essens- und Kuchenausgabe mit Hand anzulegen.

Fast 80.000 Essen in neun Jahren

Mehr als zufrieden schauen die Organisatoren in diesem Jahr auf das zehnjährige Bestehen des ökumenischen Projekts zurück, bei dem mit Hilfe von rund 1000 Ehrenamtlichen seither mehr als 78 700 Essen über den Tresen gegangen sind. Aus gegebenem Anlass wird die Vesperkirche das ganze Jahr über mit ihrem Runden Tisch auf Reisen gehen und zum Gespräch einladen. Im festlichen Eröffnungsgottesdienst wiesen der evangelische Dekan Bernd Weißenborn und der leitende Pfarrer der katholischen Gesamtkirchengemeinde, Stefan Möhler, auf die christlichen Wurzeln von Solidarität und Nächstenliebe hin. Oberkirchenrat Dieter Kaufmann ging in seiner Predigt von der „Speisung der Fünftausend“ im Evangelium aus, bei der Jesus die Jünger dazu aufruft, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der Text bot Anknüpfungspunkte für Gesellschaftskritik. „Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich lässt uns nicht kalt“, erklärte Kaufmann. Nicht der freie Markt, sondern die soziale Marktwirtschaft stelle ein angemessenes Wirtschaftssystem für die Gesellschaft dar. „Ein jeder sollte von seiner Hände Arbeit leben können“, wünschte sich Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands. Er lud Gerlinde Kretschmann und einige langjährig tätige Ehrenamtliche zum Interview aufs Podium ein. Die Frau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten schilderte, wie sie vor einigen Jahren von einer Freundin mit der Begeisterung für die Mitarbeit in der Vesperkirche angesteckt wurde. „Hilfe muss ein Gesicht bekommen“, sagte sie und freute sich darauf, die Gäste mit kleinen Gesten glücklich zu machen. „Vesperkirchen müssen und dürfen sein.“ Im anschließenden Gespräch mit der EZ betonte sie, dass es ihr auch um die Würdigung der vielen Ehrenamtlichen gehe. „Ihre Arbeit ist nicht immer ganz einfach.“

Ort der Begegnung

Nach dem Gottesdienst füllte sich der lichte Kirchenraum mit den ersten Gästen, die noch ein wenig zögerlich die Tische und Bänke in Besitz nahmen. Darunter waren auch Margitta aus Esslingen und Monika aus Ludwigsburg. Die beiden älteren Damen hatten sich vor einem Jahr in der Vesperkirche kennengelernt und pflegen seither ihre Freundschaft. Einen Tisch weiter hatte die Familie Enow mit drei Kindern Platz genommen. „Hier gibt es gutes Essen“, sagte Susan Enow. „Aber es geht auch darum, Freunde zu treffen und zusammen zu sein.“

Rund 420 Ehrenamtliche engagieren sich in diesem Jahr bei der Essensausgabe und beim Bedienen. Für Diakon Bernd Schwemm, Organisator des Mammutprojekts, startete der erste Tag gleich mit der Hiobsbotschaft, dass sich zehn Helfer krankgemeldet hätten. Dennoch musste der Tag über die Bühne gehen. Wie in jedem Jahr stellen Schulen, Institutionen und Esslinger Firmen ganze Abordnungen, die sich tageweise voller Enthusiasmus einbringen. Für Gisela und Klaus Süpfle gehört der Dienst in der Vesperkirche seit zehn Jahren mit dazu. Inspiriert vom Bibelvers „Einer trage des anderen Last“ setzen sie tatkräftig gelebte Solidarität um. „Wir sind häufig am Wochenende da“, sagte Gisela Süpfle. „Schließlich haben wir als Rentner Zeit zu verschenken“, fügte ihr Mann hinzu.

Auch die Flüchtlingsinitiative „Zell hilft“ ist in diesem Jahr wieder vor Ort. „Wir sind heute mit zehn jungen Flüchtlingen gekommen“, erzählten Irmela Schüle und Eva Röcker. Ayman und Issa, zwei junge Männer aus Syrien, sind begeisterte Helfer, die die Gäste mit ihrem strahlenden Lächeln ansteckten. „Für uns zählt vor allem der Kontakt zu den Leuten“, berichteten sie. Ansonsten mache die Arbeit einfach Spaß. Dass tätiges Engagement Sinn vermittelt, wissen auch Eva Röcker und Irmela Schüle. „Ein kleines Stück Frieden in die Welt zu bringen“, sei das Ziel ihres Engagements.

Die Vesperkirche in der Frauenkirche ist von 11.30 bis 14.30 Uhr geöffnet.