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Sie blühen zartweiß, lila, blau, gelb, orange, kräftig rot oder auch mehrfarbig. Mit dem Farbspektrum von Orchideen, aber auch der Form ihrer Blüte, die von einigen Millimetern bis zu 20 Zentimetern oder mehr reichen, kann keine andere Pflanzenfamilie aufwarten. Diese Vielfalt an Farben und Formen fasziniert auch Ingrid und Dieter Göhring. Seit mehr als vier Jahrzehnten kultiviert das Ehepaar aus Esslingen die Schönheiten.

EsslingenDass Ingrid und Dieter Göhring mit dem viel zitierten grünen Daumen gesegnet sind, sieht man in ihrem wunderschönen, gepflegten Garten. In einem großen Topf gedeiht ein Schnurbaum, dessen Samen das weit gereiste Ehepaar aus Neuseeland mitgebracht hat. In den Obstbäumen wiegen sich auf Äste oder Weinreben gesetzte Tillandsien im Wind, die vor allem in Südamerika zuhause sind. Während die Hanfpalmen, deren Samen vom Monte Verità im Tessin stammen, die Herbstsonne genießen, tankt der Star der Göhringschen Orchideensammlung vor dem Umzug ins Gewächshaus an einem schattigen Plätzchen im Garten Kraft für den Winter. Viele der ovalen Wasser- und Nährstoffspeicher der Coelogyne cristata, die auch als Engelsorchidee bekannt ist, sind bereits prall gefüllt. An einigen der sattgrünen Pseudobulben entdeckt Dieter Göhring schon Blütenansätze. „Da werden wir auch dieses Mal wieder unsere Freude dran haben“, sagt seine Frau.

Das Ehepaar verbindet nicht nur die Lust daran, andere Länder zu erkunden. „Wir lieben beide Pflanzen und Blumen und speziell die Orchideen, weil sie mit ihren etwa 1000 Gattungen und circa 30 000 verschiedenen Arten eine ungeheuere Vielfalt an Farben und Formen bietet“, erzählt Ingrid Göhring, in deren Brautstrauß ein prachtvolles Exemplar der Blume steckte. Vor 43 Jahre zog es sie und ihren Mann zum ersten Treffen der Württembergischen Landesgruppe der Deutschen Orchideengesellschaft. Das Ehepaar füllte gleich einen Antrag auf Mitgliedschaft aus und wird auch am kommenden Wochenende bei der Orchideen- und Raritätenbörse des Vereins in der Osterfeldhalle dabei sein.

Ein älterer Herr hatte sie bei ihrem ersten Besuch der Landesgruppe eingeladen, doch mal sein Gewächshaus anzuschauen. Die weiß blühende Coelogyne cristata, die der Vereinskamerad in einer Zeit, in der das Orchideensammeln noch erlaubt war, von einer Reise nach Nepal mitgebracht hatte, zog Dieter und Ingrid Göhring sofort in ihren Bann. Sie bekamen einen Ableger geschenkt, den sie hegten und pflegten. Ihre Mühe wurde belohnt. „Das ist unsere dankbarste Pflanze, denn sie hat seither in jedem Jahr geblüht.“ In einem Jahr zählten die Hobbygärtner sogar mehr als 400 Blüten. Dass die Engelsorchidee sie so reich belohnt, führt Dieter Göhring unter anderem darauf zurück, „dass ich ihre Wurzeln nie gestört, sondern immer nur Substrat um den Wurzelballen herum dazu gegeben habe“.

Ganz ohne Pflege gedeihen natürlich auch Orchideen, die – außer in der Wüste – in fast jeder Ökozone der Erde wachsen, nicht. „Aber viele Leute tun zu viel des Guten“, sagt der Experte. So werde oft zu viel Dünger gegeben. „Orchideen sind sehr genügsame Pflanzen“, weiß seine Frau, die auf Reisen auch Muscheln und Meeresschnecken sammelt, aus Erfahrung. Denn in der freien Natur wachsen mehr als die Hälfte der tropischen Arten als Epiphyten auf Bäumen. „Sie sind aber keine Schmarotzer, sondern Aufsetzpflanzen, die ihre Nährstoffe auch aus der Luft holen.“ In der Regel reiche es, die Blumen ein Mal in der Woche zu wässern. Dazu sollte man die Pflanze aus dem Übertopf nehmen, sie über einem Plastikeimer gießen und gut abtropfen lassen. Denn nasse Wurzeln mögen die exotischen Schönheiten ebenso wenig wie zu häufiges Umtopfen. „Wichtig ist außerdem, auf genügend Luftfeuchtigkeit zu achten“, rät Dieter Göhring. „Deshalb sollten sie auch nicht über der Heizung stehen.“

Durch den Erfolg mit der Kultivierung der Engelsorchidee ermutigt, holten sich die Hobbygärtner im Laufe der Jahre immer mehr Orchideen ins Haus. Irgendwann ging aber der Platz auf den Fensterbänken aus. Heute stehen zwei Gewächshäuser im Garten. Das für die Orchideenzucht reservierte Haus, in dem immer irgendwas blüht, ist an die Heizung angeschlossen und voll klimatisiert. Dort gedeiht mit der aus Mexiko stammenden, gelb blühenden Encyclia citrina ein weiterer Schatz der Sammlung. „Mit dieser Orchidee haben wir schon eine Goldmedaille gewonnen“, berichtet Dieter Göhring nicht ohne Stolz. Hoch dekoriert ist auch die Coelogyne cristata, die seit ihrer Ankunft im Hause Göhring vor 43 Jahren ungezählte Nachkommen produziert hat. „Wir haben inzwischen schon unsere ganze Landesgruppe damit versorgt“, berichtet Ingrid Göhring. Bei Orchideenausstellungen auf dem Stuttgarter Killesberg wurde die Engelsorchidee 1989 mit einer Bronzemedaille und einem Ehrenpreis ausgezeichnet und vier Jahre später sogar als „Champion der Schau“ gekürt. „Das war natürlich schon eine ganz besondere Auszeichnung.“

Mit jeder blühenden Rarität, die neu hinzu kam, hat das Ehepaar weitere Erfahrungen gesammelt. „Vor allem bei den Wildformen muss man die Wachstums- und Ruhezeit einhalten und auf den richtigen Standort achten“, erläutert Ingrid Göhring. In ihrer Heimat im Himalaja ist die Coelogyne cristata auf einer Höhe zwischen 1300 und 2700 Metern zuhause. „Sie wächst dort oft lithophytisch, also auf moosbewachsenen Felsen oder auch epiphytisch.“ Da es am Naturstandort eher kühl ist, setzen die Esslinger Orchideenliebhaber ihr Prachtstück vor die Tür, sobald sich der Frost verzogen hat. Dadurch bekommt die Engelsorchidee nicht nur viel mehr Licht als im Gewächshaus, sondern auch Regen. „Der Regen ist ganz wichtig, denn in ihrer Heimat wächst sie im Monsungebiet“, sagt Dieter Göhring. Bleibt das erfrischende Nass wie in diesem Sommer aus, muss er halt mit dem Schlauch nachhelfen. So lange die Temperaturen nicht unter den Gefrierpunkt sinken, kann die Engelsorchidee den Herbst genießen. Ist aber Frost angesagt, steht dem Ehepaar ein Kraftakt bevor. Dank der guten Pflege ist die weiß blühende Orchidee so üppig gediehen, „dass wir sie zu zweit tragen müssen und sie kaum noch durch die Tür des Gewächshauses passt“, erzählt Dieter Göhring. „Deshalb können wir sie seit vielen Jahren auch nicht mehr zu den Ausstellungen mitnehmen.“

Ein Blütenmeer erwartet die Besucherinnen und Besucher am kommenden Wochenende in der Osterfeldhalle in Esslingen-Berkheim. Dorthin lädt die Landesgruppe Württemberg der Deutschen Orchideengesellschaft vom 19. bis zum 21. Oktober zur Internationalen Orchideen- und Raritätenschau. Orchideenzüchter aus Deutschland und Übersee zeigen heimische und tropische Pflanzen. Am Infostand der Landesgruppe werden Fragen beantwortet. Zudem gibt es Führungen durch die Schau und eine Umtopfaktion. Die Ausstellung ist am Freitag und Samstag von 9 bis 18 Uhr und am Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Weitere Infos: www.orchideentage-esslingen.de