Ein Rotkehlchen sitzt auf einem Holunderstrauch. Foto: Schäf/Nabu Quelle: Unbekannt

„Besonders vom Aussterben bedroht sind die Vögel der offenen Feldflur, so etwa die Feldlerche.“

Machen Vögel glücklich? Viele Mitmenschen dürften diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Die Amsel, die im Abendlicht ihr ätherisch schönes Lied anstimmt, oder die munteren Piepmätze, die sich im eigenen Garten tummeln, empfinden sie als Balsam für die Seele. Doch die Idylle ist bedroht. Die jüngsten Meldungen über den dramatischen Einbruch der Vogel- und Insektenbestände haben Experten und Naturliebhaber aufgeschreckt.

Deutschlands wohl renommiertester Ornithologe Peter Berthold zieht in seinem neuen Buch „Unsere Vögel - Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können“ eine alarmierende Bilanz. Zwei Drittel des Vogelbestandes sind hierzulande seit 1950 verschwunden. Dass damit nicht nur der Luxus kontemplativer Vogelbeobachtung auf dem Spiel steht, macht der Experte unmissverständlich deutlich. Vom Erhalt der Artenvielfalt hänge das Überleben des gesamten Ökosystemes ab.

Anstatt sich in Untergangs-Szenarien zu verlieren, schafft der rührige Professor lieber praktisch Abhilfe, etwa mit seinem Modellprojekt des Biotopverbundes Bodensee. Motivieren will er zudem mit seinem Credo, dass jeder Einzelne etwas für die bedrohte Tierwelt tun kann: Wer seinen Garten, Balkon oder die Terrasse naturnah gestaltet und zudem Futterstellen und Nistplätze einrichtet, kann sich bald an etlichen gefiederten Gesangeskünstlern und anderen tierischen Mitbewohnern erfreuen.

Das sieht auch der Vorsitzende des Nabu Esslingen Ralf Hilzinger so. Oberstes Gebot sei es, einheimische Pflanzen zu verwenden. In der Vogelwelt besonders beliebt seien beerentragende Sträucher, Obstbäume, Ebereschen oder die selten gewordene Elsbeere. Freiflächen könne man als artenreiche Blumenwiese oder mit Ackerwildkräutern ansäen. Stauden und krautige Pflanzen wie die Wilde Karde locken nicht nur Hummeln, Bienen und Schmetterlinge an, sondern auch prächtig bunte Distelfinken.

Bezähmen solle man den weit- verbreiteten Aufräumwahn im Garten und stattdessen „Mut zu gepflegter Wildnis entwickeln“, schreibt Peter Berthold in seinem neuen Buch. „Psychopathengärten“ mit kurz geschorenem Rasen und Koniferen sind dem bärtigen Naturliebhaber ein Gräuel. Wer Laubhaufen, abgestorbene Stängel und Brennnessel-Ecken zulässt, ermöglicht damit auch Insekten das Überleben; diese wiederum stellen die Nahrungsgrundlage für die Aufzucht der Jungvögel dar.

Allerdings weist der Ornithologe nach, dass selbst optimal gestaltete Gärten nicht das ersetzen können, was den Vögeln in der freien Landschaft an Futtermöglichkeiten verloren gegangen ist. Als Hauptursache für den Schwund der Populationen gilt die industrialisierte Landwirtschaft. Massiver Einsatz von Chemikalien und Maschinen zerstören die Artenvielfalt und lassen Agrarwüsten entstehen.

„Besonders bedroht sind die Vögel der offenen Feldflur, so etwa die Feldlerche, sagt Hilzinger. Als rettende Maßnahmen sieht er das Anlegen von „Dauerbuntbrachen“, die vielen Vögeln Lebensraum und Nahrung verschaffen - und zudem mit Blütenteppichen etwa aus rotem Klatschmohn und wilder Kamille eine Augenweide darstellten. Stattdessen setze man von Amts wegen auf Ackerrandstreifen - „dort wird aber nie ein Bodenbrüter brüten“.

Nicht einzelne Landwirte, sondern eine strukturelle Schieflage verursachten das rasante Artensterben, betont Hilzinger. „Lebensmittel immer billiger zu produzieren, kann nicht gut gehen.“ Von heute auf morgen ist die Misere wohl nicht lösbar. Ornithologe Berthold leitet daraus eine moralische Verpflichtung zur Zufütterung frei lebender Vögel ab - und zwar das ganze Jahr über. So könne man ihnen einen Teil dessen zurückgeben, was durch rigorosen Raubbau an der Natur verloren ging.

Die Idee der ganzjährigen Fütterung widersprach zunächst allen landläufigen Regeln, dass etwa erst bei Dauerfrost oder geschlossener Schneedecke und niemals während der Brutzeit zu füttern sei. Doch die anfänglich heftige Kritik ist verstummt - und Berthold kann anhand von Studien positive Effekte der ganzjährigen Fütterung belegen. Die Siedlungsdichte werde erhöht, der Bruterfolg sei deutlich größer, und es ließen sich sogar gebietsweise verschwundene Arten wieder ansiedeln.

Guten Gewissens können Vogelfans das ganze Jahr über Futter anbieten und die faszinierenden Akrobaten der Lüfte in Aktion beobachten. Geeignete Nistplätze komplettieren das vogelfreundliche Naturparadies vor der Haustüre.

Was zu beachten ist, haben Peter Berthold und Gabriele Mohr in dem Ratgeber „Vögel füttern, aber richtig“ zusammengefasst (siehe Tipps im Kasten). Dass es um die Vögel im Kreis Esslingen nicht gerade rosig bestellt ist, hat Ralf Hilzinger im Rahmen einer aufwendigen Kartierung nachgewiesen. Von einst 141 hier heimischen Arten sind 70 - somit die Hälfte - inzwischen verschwunden.

Der Nabu-Vorsitzende Ralf Hilzinger präsentiert seine Ergebnisse der „Roten Liste Esslingen“ bei einem Vortrag an der VHS Esslingen am Freitag, 17. November, um 20 Uhr. Anmeldung bis 10. November unter Tel. 07 11/550 21-306 oder per email unter info@vhs-esslingen.de

Oasen für Vögel

Vögel im eigenen Garten: Wie man Garten oder Balkon zur Vogel- Oase umgestaltet, haben Peter Berthold und Gabriele Mohr in dem mehrfach aufgelegten Ratgeber „Vögel füttern, aber richtig“ zusammengefasst. Ob gekauft oder selbst gebaut - das ideale Futterhaus soll geräumig sein, überdacht und es soll so aufgestellt werden, dass Katzen sich nicht unbemerkt anschleichen können.

Silos für das Futter: Bewährt haben sich auch Futtersilos, die eine Vorratsfütterung ermöglichen. Neben Saatmischungen mit Sonnenblumenkernen, Hanf und Erdnüssen darf auch Fettfutter nicht fehlen. Wer es einfach selbst herstellen möchte, erwärmt Sonnenblumen- oder Distelöl leicht und rührt feine Haferflocken ein. Alternativ wird Rinderfett benutzt. Beliebt sind auch Fettkuchen und Meisenknödel, die es zur Verwendung mit Federspiralen oder Gitter-Halterungen auch ohne Nylon-Netze zu kaufen gibt.

Nistkästen: In puncto Nistkästen ist man mit den nahezu unverwüstlichen Modellen aus Holzbeton der Firma Schwegler gut bedient. Als besonders geeignet hätten sich die Großraummodelle mit mehreren Einfluglöchern herausgestellt, sagt Ralf Hilzinger. „Der Bruterfolg auch bei kleinen Singvögeln wie Blau- oder Kohlmeisen ist damit größer“.

Bauanleitungen: Wer Vogel-Domizile selbst bauen will, findet Bauanleitungen im Internet (siehe unten). Wie kreativ man da vorgehen kann, zeigt Bernd Illi vom Nabu Ruit mit seinen Holzhäuschen. Besonders bewährt habe sich das Modell mit Vorbau: Darin sei die Brut vor Fressfeinden geschützt und die Altvögel könnten von oben her füttern, ohne das Nest zu verschmutzen.

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/helfen/index.html