Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Dass sie eines Tages in ihrer eigenen Backstube stehen wird, und ihre Kunden mit Kuchen, Muffins, Cupcakes oder aufwendigen Hochzeitstorten verwöhnt, „das hätte ich mir nie träumen lassen“, sagt Zsuzsanna Bánvölgyi-Stadler. Auch wenn sie oft bis spät am Abend in ihrem Kleinbetrieb steht und an Wochenenden durcharbeitet, möchte die Existenzgründerin, die sich vor drei Jahren als „Leckerschmecker Küchenfee“ selbstständig gemacht hat, ihr augenblickliches Leben nicht missen. „Ich mache, was ich liebe. Denn ich backe und koche mit Leidenschaft und finde es toll, immer wieder was Neues auszuprobieren.“ Die gebürtige Dresdnerin verspürt aber keinen missionarischen Eifer. „Für mich persönlich passt das mit der veganen Ernährung. Ich will die Leute aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern durch den Geschmack überzeugen.“

Vegane Kost hat sie eher durch Zufall entdeckt. Um sich ihr Studium an der Hochschule Esslingen zu finanzieren, jobbte sie in einem Laden für Naturkosmetik. „Und da hab ich mich bei einer veganen Aktionswoche mit dem Thema Tierhaltung und Lebensmittelindustrie beschäftigt“, erzählt Zsuzsanna Bánvölgyi-Stadler. Da sie damals unter Gelenkrheuma litt, probierte sie den Verzicht auf tierische Lebensmittel einfach mal aus. „Schon nach zwei Wochen habe ich gemerkt, dass sich die vegane Ernährung positiv auf meinen Körper auswirkt.“ So blieb sie dabei und lebt seit sieben Jahren vegan. Damals habe es zwar schon viele Veganer gegeben. „Aber in den normalen Läden hat man mit viel Glück Sojamilch und vielleicht noch Tofu bekommen. Und ins Restaurant brauchte man gleich gar nicht gehen.“ Denn Veganes sei mit dem Vorurteil behaftet gewesen, „dass es einfach nicht lecker schmeckt und Verzicht bedeutet. Doch wir üben keinen Verzicht, sondern essen halt manche Sachen nicht.“

Um das zu zeigen, startete Zsuzsanna Bánvölgyi-Stadler ihr YouTube-Projekt. Zuvor funktionierte sie ihre Küche in ein Experimentierlabor um. Denn die Waiblingerin backt nicht nach speziell entwickelten veganen Rezepten, sondern nach alten Familienrezepturen. Und in denen stecken nun mal jede Menge Butter, Milch und Eier, die es zu ersetzen gilt.„Beim Ei muss man sich fragen, welche Funktion es im Teig hat.“ Soll es den Teig binden, „kann man es einfach durch Lupinenmehl oder auch Chiasamen ersetzen“. Werden Eier beigemischt, um einen fluffigen oder saftigen Teig zu bekommen, nimmt sie stattdessen Sojajoghurt oder Obstpürees. „Im Apfelmus ist ja viel Wasser. Wenn das beim Backen verdampft, hat man einen lockeren und saftigen Teig.“ Am einfachsten sei Milch zu ersetzen. „Da nimmt man Soja- oder Hafermilch“, verrät die Küchenfee. „Und auch bei der Sahne gibt es inzwischen ein großes Angebot.“ Auch Butter ist kein Problem. „Ich habe schon immer lieber mit Margarine als mit Butter gebacken.“ Wem die zu stark verarbeitet ist, der weicht auf Öl oder Kokosfett aus. Damit manche Rezepte gelingen, müsse man unter Umständen die Mengenangaben verändern. „Für erfahrene Bäckerinnen und Bäcker ist das in der Regel kein Problem“, meint Zsuzsanna Bánvölgyi-Stadler. „Ich backe und koche nach Gefühl, und es gibt nur ganz selten etwas, das ich in den Müll schmeißen muss.“

Dass die Videos, auf denen Zsuzsanna Bánvölgyi-Stadler zum Beispiel zeigt, wie man Schokolade selber macht, einen schwäbischen Kartoffelsalat mit Sojaschnitzeln anrichtet oder Mini-Törtchen mit Kirschcreme zaubert, so gut ankamen, hat sie überrascht. Als sich die Anfragen häuften, „ob ich nicht auch für eine Familienfeier kochen und backen könnte“, meldete sie zunächst ein Nebengewerbe an. Schnell wurde aber klar, dass sich die Arbeit nicht mehr nebenbei stemmen lässt. „Ich habe da wohl einfach eine Nische aufgetan.“ So ging sie auf die Suche nach geeigneten Räumen, die sie schließlich in Waiblingen-Hegnach fand. „Hier habe ich die ideale Location gefunden.“ Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und über Facebook wuchs der Kundenstamm. „Viele Leute kommen auch, weil sie wissen, dass hier handwerklich gearbeitet wird, dass die Sachen frisch sind und vor allem, dass sie schmecken.“ Inzwischen wird die Küchenfee, die für die EZ-Leser zwei Rezepte spendiert hat, auch für Messen gebucht, wo sie auf der Bühne in die Geheimnisse der veganen Küche einführt - „und das, obwohl ich kein eigenes Kochbuch habe oder sonst woher bekannt bin“. Rein pflanzliche Kost ist derzeit Trend, und den will weder die Lebensmittelbranche noch die Gastronomie versäumen. „Heute gibt es selbst in unserem Lädchen hier in Hegnach eine vegane Ecke. Und Restaurants oder Kantinen, die was auf sich halten, haben vegane Gerichte auf der Karte.“ Schließlich könne man damit „auch alle, die an Laktoseintoleranz leiden oder keine Eier vertragen, glücklich machen“.

Selbst Baiser lässt sich auf rein pflanzlicher Basis herstellen. Dafür müsse man das Wasser vorgekochter Kichererbsen mit Puderzucker und Weinsteinbackpulver aufschlagen. „Das funktioniert, weil das Kichererbsenwasser viel Stärke enthält“, erklärt Zsuzsanna Bánvölgyi-Stadler. Bei ihren Recherchen rund ums vegane Backen hat sie Aufzeichnungen aus der Zeit um 1900 entdeckt, in denen der Effekt bereits beschrieben ist. Trotz aller Experimentierfreude muss die kreative Küchenfee auf eines aber doch verzichten: „Bisher habe ich leider noch keinen Weg gefunden, wie ich eine vegane Dresdener Eierschecke hinbekomme.“

Die „Leckerschmecker Küchenfee“ öffnet am Samstag, 20., und am Sonntag, 21. Mai, sowie am Wochenende 17. und 18. Juni jeweils von 14 bis 17 Uhr im Esslinger Restaurant Marples, Heugasse 10, ihre Pop-up-Bäckerei.