Im „Körperbeet“ der Kräuter Welt begegnet man dem griechischen Arzt Hippokrates und seinem Leitspruch „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein“. Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Klaus Franke (Fotos)

Sonnenhut, Nachtkerze, Ringelblumen und Thymian stehen in voller Blüte. Es summt, surrt und flattert in der 2005 eröffneten Kräuter Welt. „Wir möchten hier nicht nur für gesundes Essen werben“, erklärt Christel Ehlers. „Unsere Besucher sollen die Vielfalt der Natur erleben. Dadurch möchten wir sie auch für den Artenschutz sensibilisieren.“ Schließlich wachsen in dem etwa drei Fußballfelder großen Garten, der nach biologischen Kriterien bewirtschaftet wird, insgesamt rund 1000 verschiedene Pflanzen. Herzstück des blühenden Paradieses ist das in der Form eines stilisierten menschlichen Körpers angelegte „Körperbeet“. Dort begegnet man zunächst einmal Hippokrates und seinem Leitspruch „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein“. Der Tübinger Künstler Manfred Martin hat die lebensgroße Holzskulptur des Begründers der griechischen Medizin sowie weitere Holzmenschen geschaffen, darunter einen freundlich lächelnden Gärtner.

Die einzelnen Bereiche des „Körperbeets“ sind bestimmten Regionen des menschlichen Körpers zugeordnet und beherbergen die entsprechenden Heilpflanzen. Kleine Stecktafeln verraten den Besuchern nicht nur, wie die jeweilige Pflanze heißt. Man erfährt, dass der Dach-Hauswurz Wunden heilt, Spitzwegerich bei Insektenstichen und Beinwell bei Venenleiden hilft, die Nachtkerze - deren Blüten übrigens ebenso essbar sind wie die der Taglilie - ein natürliches Mittel zur Hautpflege ist, und der echte Sonnenhut, der vielen Schmetterlingsarten als Landeplatz dient, das Immunsystem stärkt. „Bei uns wachsen auch Arznei- und Heilpflanzen, die nicht so bekannt sind“, sagt Christel Ehlers. Sie liebt die Kräuter Welt auch deshalb, „weil es hier jeden Monat anders aussieht und es immer wieder neue Highlights gibt“ - von Adonisröschen und Küchenschellen im Frühjahr bis zum Safran, der im Herbst blüht.

Die Gärtnermeisterin kennt nicht nur jedes Kräutlein. Sie kennt auch viele Geschichten. Zum Beispiel die des Bilsenkrauts, das einst bei Fruchtbarkeitsriten eine Rolle spielte und noch heute in der Homöopathie eingesetzt wird. „Außerdem war das Rauschmittel früher Bestandteil des Biers.“ Bei Führungen durch den Garten, dürfen die Gäste über die mit einem weichen Flaum besetzten Blätter der Eselsdistel streichen und Süßholz raspeln. „Als Zucker noch nicht verbreitet war, hat man die abgeschabten Wurzeln als Süßigkeit gegessen“ - und seinem Körper damit etwas Gutes getan. „Süßholz, das im Lakritz ist, ist gut für den Magen und die Stimmbänder und es hilft bei niedrigem Blutdruck.“ Bei hohem Blutdruck sollte man allerdings nicht allzu viel davon genießen.

Ein paar Schritte weiter werden an diesem sonnigen Vormittag Ziest („das ist ebenfalls eine ganz alte Heilpflanze“) und lila blühende Disteln von Hummeln, Bienen und Wespen belagert. Die Blütenkugeln sind aber nicht nur eine wertvolle Bienenweide. „Disteln sind gut für die Leber“, erklärt die Fachfrau. Im Herzen des Körperbeets findet man auch giftige Pflanzen wie Finger- und Eisenhut, der „zu den giftigsten Pflanzen überhaupt“ gehört. Brennnesseln und andere „Unkräuter“ haben ebenfalls ihren Platz in dem großen Kräutergarten. Schließlich stecken in Wildpflanzen Inhaltsstoffe, „die dem Körper gut tun“. Auch rosa blühender Schlafmohn gedeiht in einem Beet der Kräuter Welt. „Dafür haben wir aber die Genehmigung des Ministeriums“, versichert Christel Ehlers.

Der Kopf des „Körperbeets“ ist ein Erlebnis für Augen und Nase. Neben tiefblau blühendem Ysop, der gegen Stress helfen soll, wogen Lavendelblüten im Wind, und alte Rosensorten verströmen ihren betörenden Duft. „Obwohl unser Garten in einem eiskalten Tal liegt, schaffen wir es immer wieder, die Apothekerrosen über den Winter zu bringen“, erzählt die Gärtnermeisterin. Auch der aus der türkischen und orientalischen Küche bekannte Schwarzkümmel, der jedoch mit Kümmel nichts zu tun hat, ist inzwischen in dem Trochtelfinger Schau- und Erlebnisgarten heimisch geworden. „Leider ist es uns aber noch nicht gelungen, Kreuzkümmel und Anis anzusiedeln.“

Dafür gedeihen auf dem landwirtschaftlichen Lehrpfad der Kräuter Welt neben Emmer, Einkorn, Dinkel und Hirse jedoch Sojabohnen sowie die Amaranthsorte „Roter Dom“. Ist der Herbst mild und lang, „dann können wir die Körner des Amaranths ernten“, berichtet Christel Ehlers. Wer sich bückt und genau hinschaut, entdeckt ein zartes Pflänzchen, das erfolgreich wieder angesiedelt wurde: die Alblinse. In Maultaschen verpackt, kann man die Hülsenfrucht nach der Gartentour in dem zum Alb-Gold-Kundenzentrum gehörenden Restaurant Sonne genießen - oder ein Tütchen mit nach Hause nehmen.

Für ihr Buch „Die 25 schönsten Kräutergärten im Südwesten“ (Südverlag, 24 Euro) hat sich Marion Reinhardt auch auf den Weg in die Trochtelfinger Kräuter Welt gemacht. In dem mit vielen Fotos und Rezepten garnierten Buch beschreibt die Autorin zudem Klostergärten im Ländle - von Bad Waldsee bis Wertheim - sowie Bauern- und Heilpflanzengärten, unter anderem den Hildegard von Bingen gewidmeten Arzneipflanzengarten in Stuttgart-Hohenheim.