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Lonie Geigle hat einen Naturgarten, in dem es grünt und blüht. Um andere Naturfreunde an ihrem Paradiesle in Bad Urach teilhaben zu lassen, bietet die Freizeitgärtnerin mit Sinn für Dekoratives immer wieder Führungen an. Als Biosphären-Botschafterin weiß sie viel zu erzählen.

Bad UrachVom benachbarten Kirchturm klingt das Mittagsläuten sanft durch die schwüle Sommerhitze, der Hahn kräht und die Tür zum Paradiesle im Bad Uracher Ortsteil Hengen öffnet sich. Idylle pur umfängt den Besucher, der sofort von der einzigartigen Atmosphäre gefangen ist, die der Naturgarten von Lonie Geigle ausstrahlt. Es ist ein paradiesisches Gesamtkunstwerk, das die Biosphären-Botschafterin auf 2000 Quadratmetern geschaffen hat, dem gottlob die Strenge eines architektonischen Barock- oder Landschaftsgartens fehlt. Dennoch spürt man die steuernde Hand in den verschiedenen Zonen dieser gepflegten Wildnis. „Betreutes Wuchern“ nennt die Besitzerin lachend ihre liebevoll geformte Handvoll Deutschland, die sie seit 27 Jahren hegt und pflegt. Und das Schöne daran ist, die 56-Jährige macht das nicht für sich alleine, sondern lässt die Öffentlichkeit Anteil an dieser sehenswerten Naturidylle haben, die aus dem ehemaligen Hühnergarten der Schwiegermutter entstanden ist. Lonie Geigle führt mehrmals im Jahr themenbezogene Veranstaltungen für Erwachsene durch und bietet zu bestimmten Terminen Gartenführungen an.

Aber auch Gartenromantik macht Arbeit. Zum Sitzen und Genießen all der Pracht kommt die Schwäbin kaum. „Ich genieße, während ich schaffe.“ Es muss gezupft und gezogen, geschnitten und gefüttert werden. In diesem Sommer war Gießen ein Schwerpunktthema. Täglich benötigte sie hunderte von Litern Wasser, mit denen sie in zwei Stunden den größten Durst der Pflanzen löschte. „Nur noch lebenserhaltende Maßnahmen“ wurden bei weit mehr als 30 Grad Celcius gemacht. Das kleine Holzschild an der Eingangstür in der Böhringer Straße 26 verrät viel vom Humor der Familie Geigle: „Bitte klingeln. Wenn keiner aufmacht: Blumen gießen und Unkraut zupfen.“ Da ist der Besucher froh, wenn sich die Tür zum Sehnsuchtsort für Umweltbewusste dann doch öffnet.

Samen gegen Spende

Zumal das mit dem Unkraut so eine Sache ist. Wie viele Pflanzen in ihrem privaten Arkadien sind, kann Lonie Geigle nicht mehr zählen. Sie holt vieles von Wald und Wiese und kultiviert es in ihrem grünen Reich. Pflanzen, die manch Gartenbesitzer als Unkraut empfindet, wie das kleine Knopfkraut oder Franzosenkraut, das nur so vor Proteinen und Vitamin C strotzt. Bei ihr wandert es statt in die Tonne in den Salat. Für ihre Mischung aus Zier- und Nutzpflanzen hat sie die Sterndolde vom Waldrand geholt. „Ich nehme gerne die wilden Formen, da sie wertvoller für die Insekten sind“, sagt die Naturexpertin, die nichts dagegen hat, wenn bei Veranstaltungen Pflanzensamen gegen eine Spende mitgenommen werden.

Entsprechend summt und brummt und flattert und schwirrt es zwischen Streuobstbäumen, Salbei, Magentaspinat, Polsterthymian, Steinklee und der gelb leuchtenden Durchwachsenen Silphie, die aufgrund ihrer großen Biomasseproduktion als Energiepflanze angebaut werden kann und höchst interessant für Bienen ist. Das freut Ehemann Rolf für seine 20 Bienenvölker, die ebenfalls in der Naturoase eine Heimat haben. In erster Linie wollen Geigles ihre Begeisterung und ihre Liebe für die Natur weitergeben und machen entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Dafür wurde der Garten mehrfach ausgezeichnet; im vergangenen Jahr mit dem Landesnaturschutzpreis.

Möbel aus dem Container

„Ich möchte die Menschen für die Natur sensibilisieren“, sagt Lonie Geigle, der die alten Sorten am Herzen liegen und die besonders auf die seltenen Pflanzen stolz ist, die, wie die japanische Nashi-Birne. Ein zweiter Aspekt, der die Oase auf 740 Meter Höhe so außergewöhnlich macht, ist die Sammelleidenschaft des Ehepaars. Ihr Credo: „es wird nichts weggeworfen.“ Im Gegenteil viele Elemente der Gartenmöblierung stammen vom Container oder von Haushaltsauflösungen. „Es gibt zu viel Abfall. Wir gehen zu sorglos mit den Rohstoffen um“, erklärt die freundliche Naturbotschafterin mit Entschiedenheit und verweist auf die Möglichkeiten in ihrem kleinen Land der Glückseligkeit. Auf dem ehemaligen Blumenbrett der Oma stehen Kräutertöpfchen, eine alte Dachrinne ist bepflanzt, in Drahtkörbchen sorgt Schafwolle für Feuchtigkeit und Düngung der Pflanzen. „Im Frühjahr freuen sich die Vögel an der Wolle für ihre Nester. Der Rest kann auf den Kompost.“ In den ausgelatschten Wanderstiefeln des Gatten wuchert Farn. Das Wasser in einer alten Sitzbadewanne ist ein Eldorado für Schnaken. Der verrottete Sattel eines rostigen Fahrrads ist das reinste Biotop. Die Ziegel eines alten Industriekamins dienen als natürlicher Schneckenschutz für die Hosta. Auf einem alten Holztisch, für den man beim Antiquitätenhändler in der Stadt ein Vermögen berappen müsste, gedeiht die Nachzucht. Die gelernte Damenschneiderin experimentiert gerne. Ihr Wissen um Flora und Fauna hat sie sich autodidaktisch in verschiedenen Lehrgängen angeeignet: „Natur und Viecher waren mir schon immer lieber.“ Für das Biosphärengebiet des benachbarten ehemaligen Truppenübungsplatzes hat sie sich zum TrÜP-Guide ausbilden lassen und macht dort seit 2006 Führungen.

Im opulenten „Vorgarten“, wie Geigle den ersten Teil nennt, der durch eine Straße vom zweiten verklärten Garten Eden getrennt ist, gibt es einen Teich mit Libellen. Überquert man die Straße, empfangen flaumige Seidenhühner gurrend und schwätzend die Besucher in der verschwenderischen Vegetation. Ein ausgedienter Bienenwanderwagen dient als Unterschlupf bei Regen. Im Gemüsegarten gedeiht der Gute Heinrich, eine alte Spinatart, wilder Brokkoli blüht, und Forellenschluss Salat besticht durch seine Pünktchen, wie bei einer Forelle. Direkt am Tor ist der Steinklee im Weg. „Der ist gut für Insekten, deshalb steig‘ ich drüber“, nennt Geigle als Grund, weshalb sie den Störenfried nicht rausrupft. In alten Spulentransportkörben einer Spinnerei wächst Salat. Ein rostiger Drahtkorb dient als Schutz für die wilde Möhre, dass sie nicht zertrampelt wird. Ein hergerichteter Schäferkarren ist ein Eyecatcher, Laufenten sorgen für Zucht und Ordnung bei den Schnecken, Anisysop und Erdbeerspinat gehen eine Symbiose aus Licht und Farbe ein, die selbst den berühmten Gartenmaler Claude Monet begeistert hätte.

Gartenkrimi

Das Insektenhotel ist in diesem Jahr wenig gebucht. Dafür war die feindliche Übernahme durch Ameisen, die einquartierte Wespen in zwei Tagen regelrecht rauswarfen, spannend wie ein Krimi. Ein Wespenbusard bediente sich beim Entennachwuchs. Als sie die Küken in Sicherheit brachte, randalierte der erzürnte Vogel, zertrümmerte eine Scheibe im Holzhäuschen, zerrupfte Kissen und hinterließ unfreundliche Grüße auf den Polstern. Ein von vergorenen Holunderbeeren stockbesoffener Star flog schnurstracks in einen Zaun. Er übergab sich, dann ging’s wieder. „Man muss die Augen in der Natur aufmachen“, empfiehlt Lonie Geigle. Die Abenteuer, die dieser herrliche Gartentraum bietet, sind spannender als ein „Tatort“.

Am Sonntag, 16. September, heißt es „Vom Wiesle ins Göschle“. Zwischen 14 und 17 Uhr leitet Lonie Geigle einen Kräuterspaziergang. Der Treffpunkt ist in Bad Urach am Ende der Emanuel-Kant-Straße. Die Kosten betragen 15 Euro. Für Einzelpersonen und Gruppen macht die Biosphärenbotschafterin verschiedene Angebote wie Gartenführungen und kulinarische Kräuterseminare. Weitere Informationen und die nächsten Termine auf der Homepage unter www.naturgarten-geigle.de oder telefonisch unter 07125/3241.