Da ihr Lüften allein nicht ausreicht, hat Brigitte Krömer-Schmeisser beschlossen, den Unterricht in die Mensa zu verlegen. Foto: Kaier - Kaier

In einem Klassenzimmer der Zollberg-Realschule sind so hohe PCB-Werte gemessen worden, dass die Schulleitung den Unterricht sicherheitshalber in die Mensa verlegt.

EsslingenIch war überrascht. Aber wir wissen uns in guten Händen.“ So kommentiert Brigitte Krömer-Schmeisser, Schulleiterin der räumlich ohnehin auf Kante genähten Zollberg-Realschule die Tatsache, dass in einem von fünf getesteten Unterrichtszimmern an ihrer Schule mit 3200 Nanogramm PCB pro Kubikmeter Luft eine so hohe Konzentration des Umweltgifts gemessen wurde, die eine zügige Sanierung des Klassenzimmers unumgänglich macht. Ab Freitag wird die Klasse in die Mensa ausweichen, hat Krömer-Schmeisser beschlossen. Sicherheitshalber. Bei vier Wanderklassen sind alle anderen Reserven schon ausgereizt.

Die Stadt hat das Schadstoffsanierungsprogramm, das der Eigenbetrieb Städtische Gebäude Esslingen (SGE) vor rund einem Jahr auf den Weg gebracht hat, nicht an die große Glocke gehängt. Jörg Sanzenbacher, der ein Kind an der Zollberg-Realschule hat und als Mitglied des Esslinger Vereins Feinstaub – Lärm ohnehin für die Umweltthematik sensibilisiert ist, hat dem eigenen Bekunden nach schon vor Jahren Bürgermeister Wilfried Wallbrecht auf die PCB-Problematik an den Esslinger Schulen angesprochen – zumal zahlreiche andere Schulen in ganz Deutschland entsprechende Sanierungen schon hinter sich haben. „Ich bin mit Herrn Sanzenbacher in regem Austausch. Aber dass wir das Thema jetzt systematisch aufgegriffen haben, liegt nicht an ihm“, sagt Oliver Wannek, seit März 2018 Technischer Betriebsleiter des SGE. Auch das leidige Thema Schulsanierungen will er wieder mit System angehen.

Zunächst einmal hat der SGE alle Schulhäuser zusammengestellt, die in den Risikojahren zwischen 1960 und 1980 gebaut worden sind. Die Polychlorierten Biphenyle, die damals als Weichmacher in Fugen oder Bodenbelägen, aber auch als feuerhemmende Substanz in Decken und Anstrichen verwendet wurden, sind erst 1989 verboten worden. Sie sind wegen ihrer nachhaltigen Ausdünstungen gefürchtet, die sich nicht nur in der Luft, sondern auch auf anderen Gegenständen im Raum anlagern können. Je nach seiner Konzentration werden dem Umweltgift, das sich im Fettgewebe anlagert und vor allem auch über die Nahrung zum Menschen kommt, entsprechende Gesundheitsrisiken zugeschrieben. Es wird in Verbindung mit Schwächegefühl, Krebs, Leberveränderungen, Immunschwäche und mehr gebracht.

Dann haben die SGE-Mitarbeiter die betreffenden Schulhäuser genauer unter die Lupe genommen und eine Prioritätenliste erstellt. Der Flachbau des Mörike-Gymnasiums lag schon bei den untersuchten Proben des Fugenmaterials im grünen Bereich, sodass dort keine Luftmessungen und auch keine weiteren Maßnahmen erforderlich waren. In der Grundschule Sulzgries hingegen bestätigten die Luftmessungen das, was die Materialproben schon vermuten ließen. Dort bewegten sich die ersten Messungen zwischen 300 und 3000 Nanogramm PCB pro Kubikmeter Luft – und damit in einem Bereich, in dem man laut offizieller Richtlinie die Belastungsquellen aufspüren und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit möglichst beseitigen sollte, die Belastung zumindest aber durch regelmäßiges Lüften reduzieren sollte. Morgens hat die Schule stoßgelüftet, tagsüber – auch während des Unterrichts – wurden die Fenster alle 20 Minuten geöffnet. „Das war nicht schlimm“, berichtet Schulleiterin Ursula Weinzierl im Nachhinein. Zumal der Flurbereich am meisten betroffen war. Und die Stadt hat die Fugen mit einem entsprechenden Band abgeklebt. Schon die Nachmessungen hätten eine deutlich geringere Belastung ergeben, sagt Wannek. Damit wollte und will er es aber nicht belassen. „Wir haben einen mehrstufigen Sanierungsplan.“ In der Grundschule Sulzgries sind die betroffenen Fugen bis auf eine schon alle ausgekratzt und erneuert worden, die noch verbliebene kommt in den Osterferien an die Reihe. Alles wurde von einer Fachfirma unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen gemacht, bestätigt Weinzierl. Die habe sich auch alle Räume angeschaut und die verdächtigen identifiziert.

In den Osterferien soll auch das stärker belastete Klassenzimmer in der Zollberg-Realschule saniert werden. Wobei die 3200 Nanogramm nach einem Wochenende in einem ungelüfteten Klassenzimmer gemessen wurden, will Wannek den Wert relativiert wissen. Bei den Nachmessungen sei man mit 2000 Nanogramm deutlich darunter gelegen. Die Werte bei den Erstmessungen in den anderen Räumen lagen unter 3000, aber nicht unter 300 Nanogramm. Kleiner als 300 ist der Richtwert, der langfristig tolerabel wäre. Ihm ist wichtig, dass die Stadt für all ihre Schulen auf eine Raumbelastung unter 300 Nanogramm kommen will. Deshalb habe man einen mehrstufigen Sanierungsplan ausgearbeitet. Gemessen wird nicht in jedem Zimmer. Man habe Referenzzimmer ausgesucht, also Prototypen, mit deren Bewertung man auf den Schadstoffgehalt in vergleichbaren Räumen schließen könne. In dem besonders stark belasteten Raum in der Zollberg-Realschule werde man nicht nur die Fugen, sondern auch die Decke, den Anstrich und den Bodenbelag untersuchen und gegebenenfalls austauschen. Und dann wieder messen.

Ob das dann alles in eine Generalsanierung münden muss, kann Wannek aus heutiger Sicht nicht sagen. Derzeit plant er in kleinen Schritten. „Schließlich müssen wir auch die Handwerker dafür bekommen.“ In der Realschule Oberesslingen wurden bereits Proben gezogen – die Ergebnisse stehen noch aus. Als nächstes stehen die Lerchenäckerschule, die Grundschule St. Bernhardt, die Schillerschule Berkheim, die Grundschule Hegensberg-Liebersbronn und das Theodor-Heuss-Gymnasium auf der Liste.