Die Entwicklung des Weinstädter Jugendgemeinderats in seiner zehnjährigen Geschichte ist zwiespältig: Es gab einerseits viele erfolgreich umgesetzte Projekte, andererseits eine sinkende Bewerberzahl und Wahlbeteiligung.
„Unter dem Strich ist gewaltig etwas bewegt worden“, sagt Kurt Meyer und blickt auf die Projekte zurück, die der Jugendgemeinderat von Weinstadt in den vergangenen zehn Jahren angestoßen und umgesetzt hat. Und in der Stimme des Stadtjugendreferents schwingt Hochachtung mit. Daran, wie stolz er auf die aktuellen und ehemaligen Jugendräte ist, lässt er keinen Zweifel. Von Anbeginn hat er das Gremium begleitet, hat es gemeinsam mit einer Gruppe Jugendlicher aus der Taufe gehoben.
Den Anstoß dazu gab auf Betreiben der SPD-Fraktion das Stadtparlament der Erwachsenen. Meyer erhielt vom damaligen Oberbürgermeister Jürgen Oswald den Auftrag, sich als Stadtjugendreferent dem anzunehmen. „Darum war ich sehr froh. Das wird nicht überall so gehandhabt. Oft fehlt es an pädagogischer Begleitung.“
30 Jugendliche schlüpfen in die Rolle von Gemeinderäten
Meyer tingelte mit Stadträten durch die weiterführenden Schulen, um die Jugendlichen über Jugendbeteiligung und ihre Bedeutung zu informieren. „Dann haben wir ein Planspiel gemacht. 30 Jugendliche haben sich schulübergreifend dafür gemeldet, um in die Rolle von Gemeinderäten zu schlüpfen.“ Für das Projekt Jugendgemeinderat waren sie offenbar Feuer und Flamme, die 30 bereiteten gemeinsam mit Meyer die folgenden drei Jahre die Gründung vor. Sie organisierten Infoveranstaltungen und Partys zum Thema und stellten gemeinsam mit den jugendpolitischen Sprechern der Gemeinderatsfraktionen eine Wahlordnung für das Jugendparlament auf.
„Am 12. Juli 2012 fiel dann der Gemeinderatsbeschluss zur Gründung und Anfang 2023 fand die erste Wahl statt“, sagt Meyer. Mehr als 30 junge Weinstädter im Alter von 14 bis 18 Jahren kandidierten. Dass einige aus dem Vorbereitungsteam nicht gewählt wurden, sei „ein bitteres Brot“ für sie gewesen, erinnert sich Meyer, obgleich er versucht habe, sie auf diesen Fall vorzubereiten. Zum Trost wurden sie bei einem Empfang vom Oberbürgermeister geehrt.
Von einer solch großen Begeisterung für den Jugendgemeinderat kann Meyer heute nur träumen. Bei der jüngsten Wahl 2023 bewarben sich lediglich 13 Mädchen und Jungen, gerade so viele, wie es Sitze gibt. „Das ist eine Entwicklung, die mir Sorge macht“, sagt Meyer. Zumal auch die Wahlbeteiligung von Jahr zu Jahr in kleinen Schritten abnehme. Zuletzt gaben nur knapp 300 von rund 1300 Wahlberechtigten ihre Stimmen ab, womit die Wahlbeteiligung 22 Prozent betrug. Woran das liegt? „Der Jugendgemeinderat hat ganz viel vorzuweisen, was er geschafft hat. Vielleicht wirkt das auch einschüchternd“, mutmaßt Meyer, der eine ganze Reihe gelungener Projekte aufzählen kann.
So habe sich schon das erste gewählte Gremium erfolgreich für die Installation einer Skateanlage auf dem Jugendfreizeitgelände stark gemacht. „Und dass es überhaupt in Weinstadt öffentliches WLAN gibt, ist ein Verdienst des Jugendgemeinderats.“ Insbesondere der zweite Jugendrat habe sich massiv dafür eingesetzt. Das dritte Gremium organisierte zur Gestaltung des Bürgerparks Grüne Mitte ein Jugendhearing, an dem sich rund 1000 Jugendliche beteiligten. „Das war zu diesem Zeitpunkt das größte Jugendhearing, das es in ganz Deutschland je gegeben hat“, berichtet Meyer.
Bei der Gestaltung des Grillplatzes am Karlstein beteiligt
Als Ergebnis entstanden in der Folge die Street-Workout- und Parcoursanlage im Park. Auch an der Gestaltung des Grillplatzes am Karlstein sei der Jugendgemeinderat maßgebend beteiligt gewesen, sagt Meyer. Zudem habe die von den Jugendlichen dafür entworfene Grillkonzeption auch noch an anderen Stellen Anwendung gefunden.
Das vierte Gremium griff die Idee des Einheitsbuddelns zum Tag der Deutschen Einheit auf und setzte eine Jugendeiche im Bürgerpark. „Damit hat der Jugendgemeinderat ein Naturdenkmal gepflanzt und sich selbst ein Denkmal gesetzt“, meint Meyer angesichts der Lebensdauer von mehreren hundert Jahren, die Eichen haben können. Das älteste Exemplar in Deutschland soll mehr als 1000 Jahre alt sein. Der fünfte Jugendrat machte vor allem durch die Realisierung eines Beachvolleyballfelds an der Schnaiter Halle und die Organisation des Holifestivals am Weinstädter Bildungszentrum zusammen mit den jungen Amtskollegen von Remshalden von sich reden, zu dem mehr als 450 Besucher kamen, um nur ein paar der größeren Projekte aus den je zweijährigen Amtszeiten zu nennen.
Pestalozzistraße soll Spielstraße werden
Zu den Dauerthemen gehört die Gestaltung des Bildungszentrums, zu welcher Jugendräte schon mehrere Jugendforen organisiert haben. Das aktuelle Gremium hat das Thema ebenfalls auf seiner Agenda. Dabei habe man auch die Verkehrssicherheit rundherum im Blick, sagt dessen Vorsitzende Lisa-Marie Drews. „Die Grünen-Fraktion des Gemeinderats hat uns gefragt, ob wir sie dabei unterstützen, dass die Pestalozzistraße zur Spielstraße wird“, berichtet die 16-Jährige. „Das zeigt, dass wir ernst genommen werden.“ Das werde auch immer deutlich, wenn sie ihr Rederecht im Gemeinderat in Anspruch nehme.
Seitens der Schulen würde sie sich wünschen, dass neben der Unterstützung bei der Durchführung der Jugendgemeinderatswahlen Kommunalpolitik auch im Unterricht Thema ist, statt lediglich auf Land und Bund zu schauen. „Denn das ist Politik hautnah. Ich finde schade, dass das nicht mehr angesprochen wird.“ Zumal auf diese Weise vielleicht auch wieder mehr Interesse am Jugendgemeinderat geweckt werden könne.