Sie heißt Hyalomma, ist fünfmal so groß wie heimische Zecken und läuft auf ihre Opfer zu: Die aus dem Süden eingeschleppte Riesenzecke fühlt sich hierzulande immer wohler. Experten sehen aber keinen Grund zu Panik.
Kreis EsslingenSie sind groß. Sie sind lebhaft. Sie sorgen für Schlagzeilen: Eine Riesenzecke, die Hyalomma, kann das tropische Zeckenfleckfieber beim Menschen auslösen, bei einem Pferdebesitzer in der Nähe von Siegen wurde Anfang August die Krankheit wohl erstmals in Deutschland nach einem Zeckenbiss diagnostiziert. Doch Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim, rät zur Besonnenheit: „Kein Grund zur Panik! Die Zecken kommen nur sehr selten vor, und die Krankheit kann mit Antibiotika sehr gut behandelt werden.“ Im Kreis Esslingen sind zudem keine Krankheitsfälle bekannt, erklärt Albrecht Wiedenmann vom Kreisgesundheitsamt.
2018 ist sie erstmals in Deutschland aufgetaucht: eine Riesenzecke, fünfmal so groß wie der bekannte, hierzulande verbreitete Holzbock. Sie stellte die Wissenschaft zunächst vor ein Rätsel: „Niemand wusste, wie man sie bestimmt und worum es sich handelt.“ Darum wurden laut Ute Mackenstedt im Vorjahr auftretende Zecken besonders genau und gründlich untersucht und im März 2019 ein Aufruf an die Bevölkerung lanciert, Zecken an die Bundeswehr-Universität in München, die Tierärztliche Hochschule Hannover oder die Universität in Stuttgart-Hohenheim einzusenden. Das Ergebnis: Die Tiergattung konnte festgestellt und als Hyalomma (deutsch: Glasauge) identifiziert werden. Etwa 1400 Tiere wurden an die Experten geschickt, unter ihnen waren insgesamt gut 60 der Gattung Hyalomma.
Ihre Tendenz ist damit laut der Wissenschaftlerin steigend: „Letztes Jahr waren es noch insgesamt 35 Tiere. Vergangenen Winter haben diese Zecken erstmals in Deutschland überwintert“. Mit Zugvögeln wurden die tropischen Zecken nach Deutschland gebracht, und sie sind leicht vom Holzbock zu unterscheiden: „Die Hyalomma sind Jagd- und keine Lauerzecken, ihr Verhalten ist daher ganz anders. Sie sind lebhafter, aktiver und laufen auf den Wirt zu.“ Zu finden sind die Tiere wohl unter Steinen und in Felsspalten. Wer von Hyalomma befallen werde, werde das auch an den Bewegungen des Tieres auf dem Körper merken.
Allerdings besteht laut Ute Mackenstedt kein Grund zur Panik: Das tropische Zeckenfleckfieber, das von der Hyalomma ausgelöst werden kann, sollte nicht mit dem Fleckfieber verwechselt werden, das im Ersten Weltkrieg viele Soldaten das Leben gekostet hat. Zudem sei die tropische Krankheit gut mit Antibiotika behandelbar. Kennzeichen sind laut der Wissenschaftlerin Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, „ein Gefühl, als würde man verbrennen“, sowie ein Hautausschlag: „Vor allem an den Extremitäten zeigt sich dieses klassische Zeichen. Die Inkubationszeit beträgt etwa eine Woche.“ Und die Parasitologin erneuert ihren Aufruf, gefundene Zecken an die Universität Hohenheim einzuschicken: Dort werde die Gattung bestimmt, es werde untersucht, ob das Tier den Erreger in sich trägt, und die Einsender erhalten auf jeden Fall eine Rückmeldung.
Auf die Unterscheidungsmerkmale zwischen der Hyalomma und dem Holzbock weist auch Albrecht Wiedenmann, Sachgebietsleiter für Insektenschutz und Umwelthygiene beim Gesundheitsamt im Landratsamt Esslingen, hin. Der Holzbock sei ein Spinnentier, das den Körperkontakt zum Wirt brauche, um übertragen zu werden, er kommt vor allem im hohen Gras und in niedrigem Gebüsch vor, und ein Biss kann Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auslösen, die zu grippeähnlichen Symptomen wie Fieber und bei einem Teil der Patienten zu einer Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten führen kann. Impfungen gibt es weder gegen das tropische Zeckenfleckfieber noch gegen Borreliose, sondern nur gegen den FSME-Erreger. Aber Schutz vor dem Holzbock kann möglichst körperbedeckende Kleidung bieten, so der promovierte Experte, hilfreich könne es auch sein, die Hosenbeine in die Socken zu stecken, damit die Zecke nicht hineinschlüpfen kann. Der Holzbock tritt nach Angaben von Albrecht Wiedenmann fast das ganze Jahr über auf: Nur wenn es richtig kalt werde, dann würden die Tiere nicht vorkommen.
Auf das ganzjährige Vorkommen der Zecken weist auch Wolfgang Hoffmann hin: Die Riesenzecken hätten in Deutschland überwintert und die kalten Temperaturen überlebt, obwohl sie an tropische Klimagegebenheiten gewöhnt seien. Aber sie würden sich hier warme, geschützte Plätzchen suchen, um die kalten Monate überstehen zu können, so der Wissenschaftler am Kompetenzzentrum Tropenmedizin, das zum Institut für Tropenmedizin in Tübingen gehört. Dadurch könne sich die Population weiter ausbreiten und auch andere Krankheiten übertragen.
Zwei, drei Jahre könnten die Zecken alt werden, und bei Pferden in England und Österreich sei Hyalomma bereits nachgewiesen worden. Die Larven dieser Spinnentiere seien mit Zugvögeln aus Afrika und Südeuropa nach Deutschland gebracht worden, hier würden sie einen anderen Wirt brauchen, den sie sich aktiv suchen: Pferde, Hunde oder eben auch Menschen. Die Tiere würden sich in der Haut verankern, sich mit einer Art Zement festklammern und könnten so bis zu einer Woche beim Wirt verbleiben. Auch Wolfgang Hoffmann verweist auf den Unterschied zwischen dem Fleckfieber, bei dem der ganze Körper mit Flecken bedeckt sei, und dem tropischen Zeckenfleckfieber, das nur einen Teil des Körpers befalle. Allerdings könnte Hyalomma auch neurotoxische, also allergische Reaktionen auslösen.
Einen Grund zur Panik sieht aber auch der Tropenmediziner nicht: Menschen, die mit Pferden zu tun hätten, sollten sich allerdings schützen und sich möglichst mit Zeckenschutzmitteln einreiben. Für den normalen Bürger sei das Risiko einer Erkrankung am tropischen Zeckenfleckfieber aber gering.
Eingeschickt werden können gefundene Zecken an die Universität Hohenheim, Professor Dr. Ute , Fachgebiet für Parasitologie, Emil-Wolff-Straße 34 in 70 599 Stuttgart. Mehr Infos gibt es unter https://zecken.uni-hohenheim.de/
Was tun nach einem Zeckenbefall?
Nach einem Zeckenbiss, so rät Albrecht Wiedenmann, sollte das Tier so schnell wie möglich entfernt werden. Einen Zeckenbiss würde man sehen und spüren, auch wenn man mit der flachen Hand über die betroffene Hautstelle streiche. Zudem fange die Stelle an zu jucken, vor allem wenn es schon öfter zu Zeckenbissen gekommen sei.
Krankheitserreger würden in den Speicheldrüsen des Tieres sitzen. Daher sollte es nicht ausgequetscht werden, da sich sonst der Inhalt in den Körper ergießen würde.
Das Tier mit einer Insektenschlinge oder einer spitzen Pinzette entfernen! Am besten sollten diese Hilfswerkzeuge direkt über der betroffenen Hautstelle angesetzt werden.
Von der Verwendung von Öl oder Klebstoff beim Entfernen wird abgeraten. Im Zweifelsfalle empfiehlt der Experte, einen Arzt aufzusuchen.