In bester ökumenischer Tradition werden sie den ersten Advent gemeinsam feiern: Elisabeth Schreck, Brigitte Barth, Peter Schreck, Cornelia Krause, Monika Pisch, Raphael Maier, Frauke Velden-Horath und Andreas Hable (von links). Foto: Bulgrin - Bulgrin

Vor 50 Jahren haben die evangelischen und katholischen Christen in der Pliensauvorstadt damit begonnen, zusammenzurücken. Das wird am 1. Advent gefeiert.

ES-Pliensauvorstadt Der Sommer 1968 markiert nicht nur in Berlin und anderen bundesrepublikanischen Städten, in denen Studenten und Jugendliche gegen den „Muff von tausend Jahren“ zu Felde ziehen, den Beginn einer Zeitenwende. Auch in den Gemeinden der Kirche St. Elisabeth und der Südkirche wollen katholische und evangelische Christen die Vergangenheit hinter sich lassen. Sie rücken zusammen. Dass die Wurzeln des heute von vielen Esslinger Christen als selbstverständlich empfundenen ökumenischen Miteinanders in der Pliensauvorstadt liegen, wird am ersten Advent mit einem Jubiläumsgottesdienst gefeiert.

Der Anstoß, den Nachbarn und seinen Glauben besser kennenzulernen, kam nicht aus Rom oder Rottenburg. Er kam von der Basis. „Unser katholischer Pfarrer Alfred Ebert und sein evangelischer Kollege Karl Besemer haben sich sehr gut verstanden“, sagt Brigitte Barth, die damals als katholische Jugendreferentin mit Wohnsitz in der Pliensauvorstadt die Anfänge der ökumenischen Bewegung hautnah miterlebt hat. „Auch Bischof Moser stand der Ökumene offen gegenüber und vertraute den Verantwortlichen in Esslingen.“ Auf katholischer Seite fühlte man sich zudem vom Zweiten Vatikanischen Konzil beflügelt. „Das hat in der gesamten Kirche eine Aufbruchsstimmung hinterlassen, sodass an der Basis viel Power vorhanden war“, erklärt Andreas Hable, gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinderats St. Elisabeth.

Dass der ökumenische Impuls in Esslingen aus der Vorstadt kam, hat auch mit der Bevölkerungsstruktur zu tun. Nach dem Krieg waren viele Heimatvertriebene katholischen Glaubens in den Stadtteil gezogen, in der 1966 eingeweihten Kirche St. Elisabeth entwickelte sich schnell ein reges Gemeindeleben. „Hier war das Leben nicht so verhockt, und es gab auch außerkirchlich sehr gute Kontakte mit den evangelischen Bewohnern“, sagt Peter Schreck. Etwa im Weingärtnerliederkranz, in dem er gemeinsam mit seinen protestantischen Nachbarn sang, oder beim VfL-Post. „Man hat hier nicht groß gefragt, welche Religion jemand hat“, sagt Brigitte Barth. Auch das heute wieder viel diskutierte gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten „war bei uns kein Thema“. Dass viele gemischt-konfessionelle Familien im Stadtteil lebten, habe der Ökumene ebenfalls den Weg geebnet. „Das Miteinander ist mir, als ich hierher gezogen bin, sofort sehr positiv aufgefallen“, erzählt Monika Pisch. „Ich bin katholisch getauft. Da meine Mutter aber evangelisch war, kannte ich das von zuhause und habe mich hier gut aufgehoben gefühlt.“

Nachdem im Juli 1968 ein ökumenischer Arbeitskreis gegründet worden war, kamen die Mitglieder der beiden Kirchen am ersten Advent zum ersten ökumenischen Gottesdienst zusammen. Der wurde zunächst zusätzlich zu den Gottesdiensten in St. Elisabeth und der Südkirche angeboten. „Seit 1972 gibt es aber nur noch einen Hauptgottesdienst, der im einen Jahr in der Südkirche und im nächsten in St. Elisabeth gefeiert wird“, berichtet Brigitte Barth. Zwar haben sich beide Gemeinden ihr Eigenleben erhalten. „Denn Glauben ist ja nicht beliebig“, sagt Frauke Velden-Horath, Kirchengemeinderätin und seit der Fusion der Südkirche mit der Stadtkirchengemeinde Koordinatorin für das evangelische Gotteshaus in der Pliensauvorstadt. „Aber wir haben Formen gefunden, die für beide Seiten passen. Die Ökumene gehört im Stadtteil zur Lebenswirklichkeit.“ So wurden im Laufe der Jahre immer wieder neue Initiativen gestartet. Der Weltgebetstag der Frauen war für Elisabeth Schreck der Einstieg in die Ökumene. „Da ging es ja um die Auseinandersetzung mit dem Glauben, und ich habe gemerkt, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben und wie gut wir mit den evangelischen Frauen klarkommen“, erzählt sie. „Für mich war das eine große Bereicherung.“

Heute gehört die Ökumene in der Pliensauvorstadt zum Lebensgefühl. „Es ist hier völlig normal, dass wir auch die hohen Feiertage gemeinsam begehen“, sagt Raphael Maier, Pastoralreferent und in St. Elisabeth Seelsorger vor Ort. „Das finde ich großartig.“ Dass die beiden Konfessionen immer mehr zusammen gerückt sind, liegt auch an den gesellschaftlichen Veränderungen. Gehörte vor 50 Jahren die Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils noch einer der beiden christlichen Kirchen an, „leben heute sehr viele Menschen hier, die der Kirche nicht mehr nahestehen“, erläutert Andreas Hable. „Die Ökumene wird also auch ein Stück weit von außen vorgegeben“, sagt Raphael Maier. Die Zahl der Kirchenmitglieder ist im vergangenen halben Jahrhundert zwar auch in der Innenstadt kontinuierlich zurückgegangen. Geht es um das Miteinander der beiden christlichen Religionen stellt Cornelia Krause, Pfarrerin an der zur Stadtkirchengemeinde gehörenden Südkirche und zugleich für die Arbeit der Citykirche zuständig, aber Unterschiede fest. „In der Südkirchengemeinde ist die Ökumene die Regelperspektive“, sagt sie. Dass dies in der Innenstadt anders ist, erlebt sie unter anderem bei der Kinderkirche. „Die ist in der Pliensauvorstadt selbstverständlich ökumenisch, in der Innenstadt hingegen evangelisch“, berichtet sie. „Somit treffen da zwei verschiedene Systeme aufeinander.“

Adventsfenster und Krippenfeier

Gottesdienste: Der ökumenische Gedanke spielt in der Pliensauvorstadt auch in der Adventszeit eine große Rolle. Der 50. gemeinsame Gottesdienst zum ersten Advent beginnt am Sonntag, 2. Dezember, um 9.30 Uhr in der Kirche St. Elisabeth. Pfarrerin Cornelia Krause und Pastoralreferent Raphael Maier werden ihn mit ihrem Team gestalten. Im Anschluss sind die Gäste zu einem Jubiläumsempfang eingeladen. Am Freitag, 7. Dezember, beginnt um 15.30 Uhr ein Gottesdienst im Pflegeheim. Interessierte sind an diesem Tag ab 19 Uhr zum offenen Singen nach St. Elisabeth eingeladen.

Adventsfenster: Unter dem Motto „Sehen, hören, singen, beten, reden und zusammenstehen“ öffnen sich auch in diesem Jahr in der Pliensauvorstadt wieder Adventsfenster. Den Anfang der ökumenischen Aktion macht am Samstag, 1. Dezember, um 17.30 Uhr die Familie Michel in den Grünen Höfen. Weiter geht es am 5. Dezember beim Altenpflegeheim Pliensauvorstadt, am 8. Dezember bei Familie Opalka im Häuserhaldenweg 26, am 12. Dezember beim katholischen Kindergarten St. Elisabeth, am 19. Dezember an der Südkirche und am 23. Dezember bei Familie Hable in der Faißtstraße 5.

Krippenspiel: Zur weihnachtlichen Tradition gehört in der Pliensauvorstadt das Krippenspiel an Heiligabend. Von 15.30 Uhr an erzählen die jungen Akteure unter der Leitung von Eveline Nölter und Tiziana Napoli in der Kirche St. Elisabeth die Geschichte „Die Nacht, in der uns das Licht erschien“. Kinder beider Konfessionen, aber auch Konfessionslose sind vom 2. bis 6. Januar als Sternsinger unterwegs. Am 4. Januar beginnt dann um 15.30 Uhr ein Gottesdienst mit den Sternsingern im Pflegeheim.