Schönes Esslingen, teures Esslingen: Aufgrund des Wohnungsmangels gehören die Mieten zu den höchsten im Bund. Ähnlich eng Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Mietpreise in Esslingen und anderen Orten des Landkreises steigen kontinuierlich und gehören zu den höchsten in ganz Deutschland. Dennoch hält nicht jeder die Idee eines Mietdeckels für gut.

Kreis Esslingen Ein Problem, das seit einigen Jahren für viele Menschen immer drängender wird, wird derzeit so heiß diskutiert, wie selten: steigende Mieten und Wohnkosten. Und die vorgeschlagenen Lösungen sind so mutig und umstritten, wie seit langem nicht: Der Berliner Senat hat am Dienstag ein Gesetz für einen Mietpreisdeckel auf den Weg gebracht und Bürger der Bundeshauptstadt wollen per Volksentscheid erreichen, dass Immobilien von Großvermietern verstaatlicht werden. Dabei gehört Berlin nicht mal zu den 20 teuersten Städten Deutschlands. Vergangene Woche titelte die Eßlinger Zeitung mit den Worten „Bestandsmieten steigen stark“ – eine Studie des Stadtforschers Andrej Holm, der die Mietspiegel von 300 Deutschen Städten untersuchte, setzt dafür mehrere Städte in der Region Stuttgart auf diese Topliste 2018. Außer der Landeshauptstadt auf Rang drei (durchschnittlich 9,96 Euro Miete pro Quadratmeter), rangieren Esslingen auf Platz 13 (8,58) und Leinfelden-Echterdingen gar auf Platz zwei (9,96) hinter München auf der Poleposition. Auch der Anstieg der Mieten in den vergangenen Jahren ist in den genannten Städten besonders hoch.

Bauen, bauen, bauen

Fragt man die verschiedenen Interessenvertreter im Kreis Esslingen, sind auch sie der Meinung, dass dringend Abhilfe geschaffen werden muss, um die Wohnkosten zu senken. Die Lösungsvorschläge gehen aber auseinander. „Instrumente wie die Mietpreisbremse führen nicht zum Erfolg“, sagt Stefan Beck, Geschäftsführer bei Haus und Grund Esslingen. Trotz deren Einführung in einigen deutschen Städten seien die Kosten gestiegen. Einen Mietpreisdeckel bezeichnet er gar als „verheerend“: „Das würde sämtliche Investitionen zum Erliegen bringen“, meint Beck. Bautätigkeit geschähe dann nur noch zur Eigennutzung. Der Vertreter des Immobilieneigentümervereins hält hohe Mieten zudem nicht per se für ungerechtfertigt: Schließlich seien sie eine Art Zins an den Vermieter für eine Investition. Dafür sei der Vermieter in der Verpflichtung, die Wohnung instand zu halten. Beck zufolge würden zudem insbesondere die privaten Vermieter zu mehr als 60 Prozent die Miete in laufenden Verträgen nicht erhöhen. Natürlich gebe es schwarze Schafe, die versuchten, das Maximale rauszuholen. „Das ist aber nicht unsere Empfehlung an die Mitglieder, das führt schließlich auch nicht zu langfristigen Mietverhältnissen.“

Bei Neubauten sieht er die Baukosten als Preistreiber: „Heute kann man eine Neubauwohnung unter zwölf Euro pro Quadratmeter nicht mehr vermieten, sonst macht man ein Verlustgeschäft.“ Kosten senken würde ihm zufolge etwa eine geringere Grundsteuer, aber auch eine Vereinfachung der Bauvorschriften. Überhaupt, da ist der Haus-und-Grund-Geschäftsführer sich mit Mietern und Kommunen einig, müsse mehr gebaut werden: „Hauptursache für steigende Mieten ist der Mangel an Wohnraum“, sagt Beck. „Das hat etwas zu tun mit Angebot und Nachfrage.“ Neue Baugebiete müssten ausgewiesen, nachverdichtet werden.

Auch schnelle Abhilfen nötig

Es müsse zweifellos mehr gebaut werden, und zwar die richtigen Wohnungen an der richtigen Stelle, sagt auch Udo Casper, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Esslingen-Göppingen. „Das wird aber nicht von jetzt auf nachher gelingen“, gibt er zu bedenken. Deswegen bedürfe es bis dahin Maßnahmen, damit Wohnen nicht unbezahlbar werde. „Es ist kein Entweder-oder.“ Dabei sieht Capser nicht nur eine Lösung, um Herr des Problems zu werden. Er hofft, dass die Mietpreisbremse durch eine Anpassung der Verordnung im Land, die mutmaßlich 2020 kommt, endlich wirkt – und auch für Städte wie Esslingen, Ostfildern oder Kirchheim gilt, wo der Wohnungsmarkt ebenfalls extrem angespannt sei. Natürlich sei damit nicht gewährleistet, dass bei den frei finanzierten Wohnungen nicht dennoch Besserverdiener den Mietern mit geringem Einkommen vorgezogen werden. „Aber je kleiner das Angebot an bezahlbarem Wohnraum, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass Leute mit ganz kleinem Geldbeutel überhaupt noch eine Chance haben.“

Zusätzliches Potenzial in Esslingen sieht der Mieterbundvertreter in der Aktivierung leer stehender und Ferienwohnungen durch ein Zweckentfremdungsverbot. Auch Milieuschutzsatzungen für einzelne Quartiere hält er für sinnvoll, um die Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch teure Modernisierungen zu verhindern. Zudem könnten kommunale Wohnbaugesellschaften eine Vorbildfunktion einnehmen und den Mietspiegel senken, indem sie auf Mieterhöhungen verzichteten. Ob die Berliner Ideen tatsächlich auch im Kreis Esslingen anwendbar wären und eine Verbesserung bringen würden, sei schwer zu bewerten. Doch sie zu prüfen, hält Casper für angebracht: Mietendeckel und Vergesellschaftung sollten nicht einfach als „sozialistische Zwangsmaßnahmen“ verworfen werden.

So viel Wohnraum wird gebraucht

Bis 2035 geht der Verband Region Stuttgart davon aus, dass die Bevölkerung im Kreis Esslingen aus sich selbst heraus um etwa 15.000 Köpfe wächst und außerdem 43.000 Menschen von auswärts dazukommen, weil sie hier Arbeit finden. Für sie muss Wohnraum geschaffen werden. Die Prognosen basieren auf Daten des Statistischen Landesamts, als Ausgangspunkt dient das Jahr 2016.

Genaue Bedarfsermittlungen sind schwierig. Die Stadt Esslingen geht laut Stadtplanungsamtsleiter Wolfgang Ratzer davon aus, dass sie bis 2030 etwa 4000 Wohneinheiten zur Verfügung stellen muss. Im Flächennutzungsplan sind derzeit 3100 ausgewiesen, die Immobilienwirtschaft fordert sogar 6400.

Fertiggestellt werden in Esslingen jährlich etwa 200 Wohnungen. Dabei herrscht schon jetzt Wohnraummangel, wie auch die Stadt weiß: Der Quadratmeterpreis für frei vermarktete Neubauwohnungen liegt über zwölf Euro.