Stark am Ball: Kolumbiens Superstar Luis Diaz Foto: IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Jose Miguel Fernandez

Der Stürmer des FC Liverpool ist der große Star im Trikot der kolumbianischen Nationalelf. Er stammt aus einer bettelarmen Kohleregion, wo sie ihn verehren.

Sie haben ihn ein kleines Denkmal gesetzt in Barrancas, der Kleinstadt in der Kohleprovinz La Guajira im Nordosten Kolumbiens. Die Fassade des Geburtshauses von Luis Fernando Diaz (26), den sie auch „El Guajiro“ nennen, ist ganz in die Farben der kolumbianischen Nationalmannschaft getaucht. Am Rand haben sie die Logos seiner bisherigen Vereine aufgemalt: Cluballer FC, dem lokalen Club der Stadt, dem FC Barranquilla, dem Traditionsclub Junior, allesamt aus Kolumbien, dem FC Porto und schließlich vom FC Liverpool.

Durst nach Wasser

Barrancas liegt gleich neben der größten Kohlemine Lateinamerikas. Sie trägt den Namen „El Cerrejon“ und wird von den Anwohnern wegen ihrer schieren Größe und dem Durst nach Wasser das „Monster“ genannt. Von hier kauft Deutschland die Kohle ein, die nach dem Embargo gegen russische Kohle und dem Kohleausstieg bei gleichzeitigem Atomausstieg benötigt wird, um die wieder hochgefahrenen Kohlekraftwerke zu befeuern. Der kolumbianische Bergbauverband (ACM) prognostizierte jüngst für das Jahr 2023 einen weiteren Anstieg der Kohleproduktion um 10,7 Prozent auf dann 71,9 Millionen Tonnen. Seit 2021 boomt die Kohleproduktion in La Guajira: 59,6 Millionen waren es 2021, im vergangenen Jahr 64,9 Millionen Tonnen. Die Menschen vor Ort beklagen Wassermangel und Erkrankung durch den ständigen Kohlestaub, von den großen Profiten kommt hier nichts an.

Zwar heißt es in einigen Berichten, Diaz stamme von der in La Guajira lebenden indigenen Wayuu-Bevölkerung ab, doch er selbst dementiert das: „Ich habe Wurzeln, ich habe entfernte Verwandte, die Wayuu sind, aber ich bin es nicht. Aber ihre Tradition ist göttlich, genau wie ihre Menschen. Wenn man dort hingeht, verliebt man sich. Die Kultur der Wayuu sollte besser bekannt sein.“

Diaz selbst kommt aus einfachen Verhältnissen. Die Familie betont aber, dass sie selbst nie unter extremer Armut leiden musste. Barrancas, Liverpool und Gelsenkirchen, der Schauplatz des Länderspiels der deutschen Nationalelf an diesem Dienstag (20.45 Uhr/RTL) gegen Kolumbien, haben vieles gemeinsam. Es sind Arbeiterstädte. Hier sind die Menschen den täglichen Überlebenskampf gewohnt, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung. In Kolumbien geht es nicht selten um die Existenz.

Alles sind stolz auf Diaz

In Barrancas sind sie stolz auf Diaz, nicht nur auf dessen sportliche Leistung, sondern auch auf dessen Bodenständigkeit. Wann immer es der dicht gedrängte Terminkalender möglich macht, versucht der Kolumbianer, seine Heimat zu besuchen. Nur einen Steinwurf weg von seinem Geburtshaus liegt die Kneipe „Estadero“, die ihre Mauern auch mit Wandmalereien von Dias im Nationaltrikot geschmückt hat. Hier schauen sie jedes Spiel. Hier sind die großen kolumbianischen Metropolen Bogota oder Medellin schon sehr weit weg, aber Liverpool und Europa sind eine andere, eine unerreichbare Welt. In die tauschen sie mit Diaz sein, wenn er im roten Trikot für das Team von Trainer Jürgen Klopp Tore erzielt. Mit seiner unnachahmlich kämpferischen Art.

Enorme Entwicklung

„Um ehrlich zu sein, haben wir, die Familie und die ganze Gemeinschaft, immer noch nicht realisiert, wie er sich entwickelt hat“, sagt Ex-Trainer Robert Fernandez. „Es ging alles so schnell: Er spielte eine Saison beim FC Barranquilla, dann zwei Spielzeiten bei Junior als Meister und Vizemeister sogar auf südamerikanischem Niveau. Dann geht er nach Porto und jetzt ist er in Liverpool.“ Im „Estadero“ gibt es eine richtige Fangemeinde, die sich Spiel für Spiel zusammenfindet. „Die ganze Stadt steht hinter ihm“, sagt Ricardo, ein Gast, der sich erst einmal ein kühles Bier besorgt hat. Die Familie Dias trifft sich im Wohnhaus, das hat Tradition. Hier gibt es auch eine Trophäensammlung.

Auch das Spiel in Deutschland werden sie in Barrancas gemeinsam ansehen. Diaz selbst hat nach seinem atemberaubenden Aufstieg noch ein zweites großes Ziel vor Augen. Er will zur WM 2026. In Katar verpasste Kolumbien das große Ziel, doch nun soll es endlich klappen: „Wir werden versuchen, zur Weltmeisterschaft zu kommen. Und ich werde versuchen, dabei meiner Mannschaft zu helfen.“ Ab September beginnt in Südamerika die WM-Qualifikation.