Eine der Hobby-Künstlerinnen, Dragina König, mit ihrem Selbstporträt Foto: Weiß - Weiß

Beeindruckende Porträts, die acht straffällige oder von Straffälligkeit bedrohte Männer und Frauen gemalt haben, sind als Ausstellung „Me Myself“ im Esslinger Amtsgericht zu sehen.

EsslingenWer bin ich? Was steckt in mir?“ Diesen Fragen gingen acht straffällige oder von Straffälligkeit bedrohte Männer und Frauen bei einem kreativen Workshop nach. Und sie entdeckten die Kraft von Bleistift, Pinsel und Farbe, von Linien und Flächen, von Licht und Schatten. Und sie entdeckten ein Stück weit auch sich selbst, das eigene Ich und ihre Identität. Es entstanden beeindruckende Porträts, die nun als Wanderausstellung „Me Myself“ auf Tour geschickt werden. „Diese Menschen macht so viel mehr aus als Schwierigkeiten, Problemlagen und Straffälligkeiten“, konstatierte Matthias Merz, Aufsichtsratsvorsitzender der Bewährungshilfe Stuttgart, bei der Vernissage im Amtsgericht, wo die Schau nun erstmals zu sehen ist.

Die künstlerische Betreuung des Workshops lag in den Händen der gemeinnützigen Initiative Arthelps, in der Künstler Menschen aus sozial benachteiligten Verhältnissen weltweit in kreativen Projekten Hilfe zur Selbsthilfe anbieten: Mitbegründer Thomas Lupo betonte bei der Ausstellungseröffnung im Justizgebäude seine Überzeugung, dass jeder Mensch die Gestaltungskraft als Schatz in sich trägt: „Es gilt, einen Raum zu schaffen, wo sich jeder über Kreativität ein Stück weit selbst entdecken kann und wo er etwas tun kann, was er noch nie getan hat.“ Erfrischend offen gestand Dragina König bei der Eröffnung, dass sie vor diesem Workshop nie zuvor künstlerisch tätig gewesen war: „Ich halte mich für absolut talentfrei, ich bin ein Kunstbanause. Es war für mich eine Reise ins Unbekannte.“ Auf der sie jedoch jede Menge Überraschungen begegnete: „Ich habe so viel Neues an mir selbst entdeckt. Dass so wundervolle Bilder aus mir heraus entstehen, das ist etwas Wundervolles. Es bestärkt mich, und es zeigt mir: Auch ich kann etwas. Ich fühle mich als Mensch und nicht mehr nur als Verurteilte“, erzählte die 55-Jährige mit ganz viel Mut aus ihrem Leben: „Es gab Zeiten, da war ich unten, ganz weit unten.“

"Workshop war Urlaub für die Seele"

In ihren Zeichnungen zeigt sie sich einmal im seitlichen Profil mit selbstbewusst gerecktem Kinn, einmal wie eine Tänzerin hoch aufgerichtet und selbstsicher mit weit über dem Kopf geöffneten Armen. „Der Workshop war ein Urlaub für die Seele“, betonte sie. Kunst bedeute für sie auch die Freiheit, den Alltag für einen Moment zu verlassen. Die Erfahrungen, die sie gemacht hat, wirken nach: „Wenn ich heute nicht mehr weiter weiß, wenn ich in meine Ängste eintauche oder wenn die Wut mich überkommt, dann setze ich mich hin und male“, zeigte sie auf ihrem Handy weitere Arbeiten, die sie seither geschaffen hat. Die in der Schau zusammengestellten Porträts beeindrucken durch ihre Konzentration aufs Wesentliche: Ein gebeugter Nacken. Die Hand vor den Augen. Geballte Fäuste, die das Gesicht verdecken. Immer wieder jedoch ist der Blick aufwärts und nach vorn gerichtet. Fast jedes Bild zeigt aber auch Brüche und Risse, plötzlich abbrechende Linien, Farbtropfen, die übers Bild rinnen, und Pinselstriche, die durch die Abbildung wischen – so wie im Leben manches quer läuft. Thomas Lupo, im Hauptberuf Design-Direktor in einer Werbeagentur, zeigte sich bei der Eröffnung überaus begeistert: „Diese Arbeiten haben so viel Kraft und so eine hohe Qualität. Würde man sie in einem Museum zeigen, würde keine aus dem Rahmen fallen.“

Der Workshop wurde im vergangenen Jahr von Prävent Sozial entwickelt, einer gemeinnützigen, justiznahen Einrichtung, die sich der Integration straffällig gewordener Menschen, aber auch der Kriminalprävention und der psychosozialen Prozessbegleitung von Opferzeugen annimmt. Sie setzt dabei auf präventive Ansätze ebenso wie auf Bemühungen zur Resozialisierung und Wiedereingliederung bereits straffällig gewordener Menschen. „Im Mittelpunkt des Handelns stehen der Mensch und seine Würde“, betonte Andreas Arndt, Direktor des Amtsgerichts Esslingen und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Vereins Bewährungshilfe Stuttgart, der Alleingesellschafter von Prävent Sozial ist.

Die Ausstellung „Me Myself“ ist bis Freitag, 21. Juni, in der Eingangshalle des Amtsgerichts (Ritterstraße 8) montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 14 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen.