Der Angeklagte gestern im Gerichtssaal in Ravensburg. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Jonas Schöll

Albstadt - Klaus Konzelmann hatte noch nicht mal Zeit, sich eine Hose anzuziehen. Schon frühmorgens am Tag nach dem Wahlcoup in Albstadt klingelten die Reporter den frisch gewählten Oberbürgermeister aus dem Schlaf. „Das erste Interview fürs Radio habe ich in der Unterhose auf dem Bett gegeben“, erinnert sich der 53-Jährige heute an die turbulenten Tage.

Am 22. März 2015 hatte ein kommunalpolitisches Erdbeben den Ex-Kriminalkommissar in den Chefsessel der Stadt im Zollernalbkreis mit 44 000 Einwohnern gehievt. Die aufsehenerregende Wahl machte bundesweit Schlagzeilen. Die „Welt“ schrieb damals vom „Guerilla-Kandidaten“ Konzelmann. Der nämlich hatte sich erst in letzter Minute dazu überreden lassen, als Kandidat der Freien Wähler gegen den langjährigen Amtsinhaber Jürgen Gneveckow (CDU) ins Rennen zu gehen.

Idee entsteht am Stammtisch

Die Idee sei von seinen Kameraden gekommen, nachdem die gemeinsame Suche der Fraktionen von Freien Wählern und SPD im Gemeinderat nach einem Kandidaten erfolglos geblieben war. An einem Stammtisch am Rosenmontag sei die Entscheidung dann gefallen, erzählt Konzelmann. Jetzt, ein Jahr danach, ist er im Rathaus angekommen. Richtig fassen kann er das heute noch nicht.

Konzelmann - großgewachsen, graues Haar und Lachfältchen um die Augen - sitzt entspannt in einem schicken Anzug und blauer Krawatte in einem Sessel in seinem Dienstzimmer. „Mein Leben hat sich verändert, aber ich habe es noch keine einzige Sekunde bereut“, sagt er. Der dreifache Familienvater fügt hinzu: „Ich gehe jeden Tag mit Freude ins Amt.“

Dass er bei den Wahlen vor einem Jahr tatsächlich das Rennen machte, war eine Riesenüberraschung: Obwohl der Name Konzelmann gar nicht auf dem Stimmzettel stand, und von dessen Anhängern hinzugefügt werden musste, hatte es beim ersten Wahlgang ein erstaunliches Kopf-an-Kopf-Rennen mit Gneveckow gegeben. In der zweiten Runde gelang die Sensation: Konzelmann gewann mit 60,2 Prozent der Stimmen.

„Die kuriose Kandidatur hat bei uns Irritationen ausgelöst“, erinnert sich Roland Tralmer, Vorsitzender und Fraktionschef der unterlegenen Albstädter CDU. Aber: „Wir haben nach dem Wahlkampfdonner wieder zueinandergefunden.“ Dem Schultes stellt er ein gutes Zeugnis aus: „Ich habe den Eindruck, er nimmt sein Amt sehr ernst. Er ist ein umgänglicher und kritikfähiger Mensch.“

„Er ist der Bürgermeister, den wir uns vorgestellt haben“, sagt der Vorsitzende der SPD in Albstadt, Thomas Müller. Auch wenn Konzelmanns erstes Amtsjahr unspektakulär gewesen sei, komme der Schultes mit seiner offenen Art gut bei den Bürgern an.

Konzelmann war schon seit 1994 im Gemeinderat - und ärgerte sich oft über die langsamen Mühlen der Bürokratie. Heute ist er selbst in der Verantwortung: „Ich weiß jetzt, dass die Brötchen nicht so schnell gebacken werden. Oftmals geht es nur sehr zäh voran“, gesteht er. Auf der Tagesordnung stehen Themen wie schnelles Internet, Flüchtlingskrise oder die Sanierung von Turnhallen.

Sein neuer Job bringt einige Veränderungen mit sich, erzählt Konzelmann. Egal ob im Posaunenchor, im örtlichen Verschönerungsverein oder als aktiver Jäger - am meisten leide das Engagement des gebürtigen und bestens vernetzten Albstädters unter seiner Arbeit. Dafür ist er jetzt häufiger in anderen sozialen Netzwerken unterwegs, zum Beispiel bei Facebook.

Webseite und Facebook wichtig

„Ich war da sehr jungfräulich vor der Wahl“, sagt der 53-Jährige. Heute poste er regelmäßig auf Facebook von Terminen: „Das ist besser als jede Wahlveranstaltung.“ Nicht zuletzt hat der von seinem Sohn und einem Kumpel gestaltete Auftritt auf einer Web-Seite und in Facebook damals eine bedeutende Rolle für seinen Wahlerfolg gespielt.

An sein Wahlversprechen, jedes Jahr zweimal auf dem Marktplatz mit Bürgern ins Gespräch zu kommen, habe er sich bislang gehalten. „Ich gehe offen auf alle Menschen zu. Auch als Kriminalpolizist habe ich immer mit dem Bettler und dem König umgehen müssen“, sagt Konzelmann. Eine zweite Amtszeit kann er sich vorstellen. Beim nächsten Mal aber nicht mehr als Überraschungskandidat.