Für seinen ersten Job als Schüler lief Drexler mehrere Kilometer. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Ferienjobs haben heutzutage viele Schüler. 1962 waren es noch schwierig, in den Sommerferien Geld zu verdienen. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler berichtet von seiner Beschäftigung.

EsslingenFast eine Stunde lang ist der Weg, den Wolfgang Drexler zu seinem ersten Ferienjob zurücklegen musste. Zu Fuß und vier Wochen lang mehrmals am Tag. „Das war eine schöne Strecke, aber bei der brütenden Hitze, die damals im August herrschte, war das schon ganz schön anstrengend“, erinnert sich der SPD-Politiker. Im Jahr 1962 hat der heute 73-Jährige in den Sommerferien einen Job bei dem Traditionsunternehmen Delmag in Zell angenommen. „Meine Schwester hat da im Büro gearbeitet und hat mir die Arbeit ermöglicht. Ohne dass man jemanden kannte, bekam man damals noch keine Ferienjobs.“

Drexler kam im Materialverwaltungsbereich unter. „Ich war der, der alles in Karteikarten eingetragen hat, was die Kollegen verbraucht haben. Ich musste den Überblick darüber haben, was nachbestellt werden musste und was nicht“, sagt Drexler. Beeindruckt hätten ihn damals nicht nur die riesigen Rammen, die die Firma produzierte, sondern auch die Arbeiter. „Ich habe die Männer bewundert, die in der Hitze mit ihren Arbeitsanzügen rumgelaufen sind und körperliche Arbeit verrichtet haben.“

Für den damals 16-Jährigen war der Ferienjob bei Delmag eine gute Gelegenheit, sein Taschengeld aufzubessern. „Ich war damals Sippenführer bei den Pfadfindern. Wir hatten vor, eine 14-tägige Rundwanderung auf Sardinen zu machen“, berichtet er. „Dafür brauchte ich rund 500 Mark, die musste ich mir verdienen.“ Das habe auch funktioniert. „Wir haben dann mit der Fähre von Genua nach Sardinien übergesetzt. Um Geld zu sparen, haben wir an Deck übernachtet“, erinnert er sich. „Die Bezahlung bei Delmag war zwar nicht üppig, aber dafür, dass ich außer gutem Willen quasi nichts mitgebracht habe, war es okay“, so Drexler. „Ich habe ja von Fabrikarbeit nicht die leiseste Ahnung gehabt.“ Auch mehr als 50 Jahre später erinnert sich Drexler noch gut an seinen ersten Ferienjob. „Besonders eingebrannt hat sich mir der damalige Leiter der Materialverarbeitung. Der rauchte auch in seinem Büro Stumpen“, sagt er. „Ich kam aus einem Nichtraucherhaushalt, daher habe ich das schon als Belastung empfunden. Aber damals wurde auf Nichtraucher ja noch keine Rücksicht genommen.“

Bei aller Belastung durch den rauchenden Vorgesetzten ist Drexler der Job noch in positiver Erinnerung. „Ich habe da gelernt, dass in einer solchen Firma unglaublich viele Facetten reibungslos ineinandergreifen müssen“, sagt Drexler. „Es war prägend zu sehen, wie sehr sich die Arbeiter in der Industriegesellschaft aufeinander verlassen können müssen.“ Auch das Netzwerken habe er in seiner Zeit bei Delmag gelernt. „Das ist eine Fähigkeit, die heute nicht mehr vielen gegeben ist“, sagt er. Sozialen Netzwerken vermittelten nur den Schein eines großen Netzwerkes, in Wahrheit sei aber der persönliche Kontakt nicht zu ersetzen.

Insgesamt, so Drexler, täte jeder Schüler gut daran, einen Job neben der Schule anzunehmen. „Vorausgesetzt, die Zeit reicht. Bei den heutigen Stundenplänen ist das ja nicht mehr selbstverständlich“, gibt er zu bedenken. Viele Gelegenheiten, Nebenjobs auszuüben, habe er aber nicht gehabt, erinnert sich Drexler. „Ich habe wohl später noch einmal zwei Wochen bei Daimler in Mettingen gearbeitet, aber 1964 habe ich dann auch schon die Ausbildung zum Rechtspfleger angefangen“, sagt er. Missen möchte er seinen ersten Ferienjob jedenfalls nicht. „Eigentlich sollte das jeder mal erleben. So ein Job ist ein Erfahrungsschatz, aus dem man noch lange schöpfen kann. Die Arbeitswelt ist ja ganz anders als die Schule. Mir jedenfalls hat es unheimlich viel gebracht, etwas zu erleben, das in meiner Stadt stattgefunden hat, wo man aber keinerlei Einblick hatte.“

In der nächsten Folge berichtet Volksbank-Vorstandsmitglied Heinz Fohrer, wie er sein erstes eigenes Geld verdient hat.