Die Gebäude der neuen Weststadt sollen mit Energie aus Wasserstoff und Sonne beliefert werden. Foto: Archivfoto: Roberto Bulgrin - Archivfoto: Roberto Bulgrin

Die neue Weststadt, das sind fünf Baublöcke entlang der Bahngleise plus die neue Hochschule. Hier wird ein in Esslingen bislang einzigartiges Projekt verwirklicht. Grüner Strom aus Wasserstoff und Sonne soll dafür sorgen, dass das Quartier nahezu klimaneutral ist. Das Konzept wurde jetzt in einem Vortrag der Öffentlichkeit vorgestellt.

EsslingenWasserstoff und Sonne sollen in der neuen Weststadt für grüne Energie sorgen und das Quartier auf dem ehemaligen Güterbahnhof nahezu klimaneutral machen. Wie genau dieses gänzlich neue Energiekonzept funktioniert, erläuterten die Macher am Montagabend im Alten Rathaus.

Die neue Weststadt, das sind fünf Baublöcke A bis E entlang der Bahngleise plus die neue Hochschule. Was auf A passiert, entscheidet sich nächstes Jahr, B (132 Wohnungen) ist fertig und bewohnt, C mit 128 Wohnungen wird dieses Jahr fertig, D mit 200 Wohnungen soll 2020 bezogen werden, E ist ein zwölfgeschossiger Turm für Büros und anschließend kommt die Hochschule, deren Bau 2020 starten soll. B und C bekommen die Energie durch ein kleines Methan-Blockheizkraftwerk. Der Rest lebt vom neuen Energiekonzept: Herzstücke sind die Solaranlagen auf den Flachdächern und der Elektrolyseur, der in einer etwa containergroßen Anlage unterirdisch in dem Quartier steht, Energiezentrale genannt.

Extra Firma gegründet

Dieser Elektrolyseur bekommt Strom vom Dach sowie aus Wind- und Solarenergie, der günstig auf dem Strommarkt aufgekauft wird, wenn dort zu viel Öko-Strom aufläuft. Dieser grüne Strom wird im Elektrolyseur genutzt, um Wasserstoff herzustellen. Dieser Wasserstoff dient als Speicher für die Energie, die im Quartier verbraucht wird. Außerdem soll der Wasserstoff an Tankstellen, an die regionale Industrie sowie in das städtische Erdgasnetz gehen. „Weil wir den Elektrolyseur ins Quartier bauen, können wir auch dessen Abwärme für die Gebäude nutzen“, erklärt Tobias Nusser vom Steinbeis Innovationszentrum (stw), das das neue Energiekonzept mit seinen vielen Akteuren koordiniert. „Damit erhöhen wir den Nutzungsgrad des Elektrolyseurs auf bis zu 90 Prozent.“

Der so entstandene Strom wird über die extra gegründete Firma Green Hydrogen Esslingen GmbH, an der auch die Stadtwerke Esslingen beteiligt sind, in der neuen Weststadt vermarktet. Auf die Frage aus dem etwa 40-köpfigen Publikum nach dem Preis, antwortete Norbert Fisch, ebenfalls vom stw: „Niedriger als am Markt. Also unter 30 Cent pro Kilowattsunde.“

Das ganzheitlichen Energiekonzept ist eines von sechs städteplanerischen Leuchtturmprojekten in Deutschland, die durch die Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“ von der Bundesregierung gefördert wird. Insgesamt betrügen die Kosten rund 22,7 Millionen Euro, 12,7 Millionen kommen von Bund, so Fisch. Der Ingenieur nimmt für sich in Anspruch, „dieses Kind vor vielen Jahren geboren“ zu haben. Er nutzte seine Vortragszeit, um intensiv für Klimaneutralität zu werben. „Das Klimapaket der Bundesregierung ist kalter Kaffee. Das ist keine Lösung!“, Fisch plädierte für dezentrale Energiesysteme, „die Strom und Gas grün machen“. Dabei sei Strom der große Hebel, der betätigt werden müsse, da in Zukunft immer mehr Strom verbraucht werde. Konkret bedeute dies: „Deutschland muss Windräder und Photovoltaik granatenmäßig ausbauen.“ Sonst werde man die Klimaziele nie erreichen. Fisch: „Wer eine bessere Lösung weiß – bitte melden.“ Man könne grünen Strom in größeren Mengen als bisher erzeugen, allein, es fehle der Speicher. Genau dieses Problem habe man in der Weststadt mit der Wasserstofftechnologie gelöst, befand Fisch.

Warum nicht mehr Holz?

Die Idee der gekoppelten Energiesysteme in der Weststadt kam bei den Besuchern gut an. Allerdings fand mancher das Konzept nicht konsequent genug. „Ich sehe da auf den Plänen nur Beton“, so ein Zuhörer. „Die Gebäude sind doch bestimmt nicht klimaneutral hergestellt. Wäre Holzbauweise da nicht viel besser?“ Fisch nickte. „Da bin ich ganz bei Ihnen.“ Aber wie dort gebaut werde, hänge am Investor. Genauer gesagt, an den Vorgaben der Stadt.

Das Gleiche galt auch für die Frage nach der fehlenden Begrünung an der Fassade oder auf den Dächern, was auch mit Solarpaneelen mittlerweile möglich ist. Das hatte die Stadt Esslingen nicht vorgesehen, weil „wir damals, als das geplant wurde, den Grundsatz hatten, entweder Solar oder Grün auf Dächern“, erklärte Katja Walther vom Stadtplanungsamt. Da sollte man in Zukunft wohl besser Einzelfallentscheidungen treffen.