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Von Andrea Eisenmann

Stuttgart - „Reichsbürger“ leben in ihrer eigenen Welt, weigern sich Steuern und Gebühren zu bezahlen, stellen sich selbst ihre Pässe aus. Für die Behörden ist der Umgang mit diesem Personenkreis deshalb alles andere als einfach. Um besser auf mögliche Zusammentreffen vorbereitet zu sein, hat die Verwaltung ihren Mitarbeitern Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gegeben.

Wenn die selbst ernannten „Reichsbürger“ eine Behörde aufsuchen, brauchen die Mitarbeiter ein dickes Fell. Bei der Stuttgarter Kfz-Zulassungsstelle werden da zur Identifikation mitunter selbst gemachte Ausweise vorgelegt. Vertreter der Gruppierung weigern sich, Kfz-Steuern zu bezahlen, über den Euro-Feldern ihrer Autokennzeichen kleben alte Reichsflaggen. Auch im Stadtmessungsamt hatten die Behörden-Mitarbeiter bereits mit „Reichsbürgern“ zu tun, die Grundbuchauszüge aus den 1930er-Jahren einforderten. Ihr Auftreten war nach Angaben eines Stadtsprechers so aggressiv, dass das Amt von seinem Hausrecht Gebrauch machte. Die Folge: Die „Reichsbürger“ wurden nicht bedient.

Für Mitarbeiter in der Verwaltung verläuft das Aufeinandertreffen meist wenig erfreulich. Denn die Aktionen der „Reichsbürger“ zielen darauf ab, die Behörden zu verunsichern und Verwirrung zu stiften - Beleidigungen und Bedrohungen häufig inklusive. In vielen Fällen ist das Verhalten als „rechtswidrig“ einzustufen.

Um ihre Mitarbeiter auf den Umgang mit „Reichsbürgern“ vorzubereiten, sind bereits mehrere Bundesländer, Kommunen oder Städte aktiv geworden. In Brandenburg beispielsweise können Verwaltungsangestellte seit Anfang 2016 zu diesem Thema ein Handbuch zu Rate ziehen. In Städten wie Braunschweig und Hannover werden Fortbildungskurse für Mitarbeiter in den Ämtern angeboten.

Auch in Stuttgart ist man in den vergangenen Monaten nicht untätig geblieben. Und so hat das Referat für Sicherheit, Ordnung und Sport für die Beschäftigten in der Verwaltung nun entsprechende „Handlungsempfehlungen“ verfasst. Darin wird geraten, von Diskussionen mit den „Reichsbürgern“ abzusehen, da diese sich nicht überzeugen lassen und auch keinerlei Einsicht zeigen. Auch der dienstliche Schriftverkehr sollte auf das „unbedingt notwendige Mindestmaß“ reduziert werden. Denn Erläuterungen zur Rechtslage und ausführliche Begründungen der Maßnahme führten meist nur zu weiteren Schreiben und Reaktionen.

Empfohlen wird den Beschäftigten auch, bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten schnell und konsequent zu reagieren. Andernfalls könnten sich die „Reichsbürger“ in ihrem Tun bestätigt fühlen. Materialien mit augenscheinlich rechtsextremistischen, verfassungsfeindlichen oder beleidigenden Inhalten sollten an die Polizei weitergegeben. Im Notfall wird den Mitarbeitern geraten, in Absprache mit dem Vorgesetzten vom sogenannten Hausrecht Gebrauch zu machen. Hierbei sei es wichtig, Unterstützer zur Seite zu haben, damit man später bei juristischen Auseinandersetzungen über Zeugen verfügt.

„Reichsbürger“

Das Gedankengebäude der „Reichsbürger“ setzt sich aus rechtsextremistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologie, Verschwörungstheorien oder esoterischen Weltbildern zusammen. Eine einheitliche Gruppierung gibt es nicht. Nur eines haben alle Anhänger gemeinsam: Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitimen Staat an und legen ihrem „Reich“ die Grenzen von 1937 zugrunde.