Weil er in Esslingen eine Grundschülerin und eine Betreuerin mit dem Messer angegriffen hatte, verurteilt das Stuttgarter Landgericht einen 25-Jährigen wegen versuchten Mordes. Vor seiner Haft kommt der Mann aber zunächst in eine Psychiatrie.
Jahrelang hatte der schmächtige Mann die Wohnung nicht mehr verlassen, ging weder arbeiten noch einkaufen. Den Tag verbrachte der heute 25-Jährige mit Videospielen in seinem Zimmer und ließ sich von seiner Mutter versorgen. Es ist der 10. Juni 2022, als er sich entschließt, raus und zur wenige hundert Meter entfernten Katharinenschule zu gehen. Dort fand eine Ferienbetreuung statt, die ersten Kinder trudelten gerade ein. Mit einem mitgebrachten Kochmesser stach der komplett schwarz gekleidete Mann wortlos von hinten auf eine Siebenjährige ein und verletzte auch eine Betreuerin, die das Mädchen umfassen und sich mit ihm in ein Zimmer einschließen konnte.
Für die Attacke wurde der 25-Jährige am Mittwoch vom Stuttgarter Landgericht wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtstrafe von acht Jahren verurteilt. Das Gericht, das im Verlauf der Verhandlung ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben hatte, kam zu der Überzeugung, dass der Mann an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften, paranoiden und schizophrenen Anteilen leide. Es ordnete deshalb eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Nach Überzeugung der 19. Strafkammer hatte der Mann den festen Plan gehabt, mindestens ein Kind zu töten. Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer vor einer Woche für den Angeklagten eine Strafe von zehn Jahren und sechs Monaten und ebenfalls eine Therapie gefordert.
„Angeklagter ist weiter gefährlich“
Die Kammer hält den 25-Jährigen noch immer für gefährlich. „Es ist weiter mit ähnlichen Taten zu rechnen“, sagte der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann in seiner Urteilsbegründung. Dafür spreche nicht zuletzt auch sein Verhalten im Zentrum für Psychiatrie Weissenau, wo er seit Monaten vorläufig untergebracht ist. Dort habe er unter anderem für Wirbel mit der Frage gesorgt, ob er ins Gefängnis verlegt wird, wenn er in der Einrichtung einen Menschen absticht. Gegenüber dem Gutachter hatte der Mann, der bereits als Heranwachsender zeitweise in psychologischer Behandlung war, geäußert, dass er die Haft vorziehe. Im Gefängnis lasse man ihn in Ruhe und er habe einen Fernseher.
Wut als Motiv für den Messerangriff
Motiv für die Tat ist nach Auffassung des Gerichts aufgestaute Wut gegenüber seinem Umfeld, von dem er sich gemobbt fühlte. Animiert hätten ihn zudem Berichte über einen Amoklauf in Texas. Hass hegte er besonders gegenüber seinem Bruder. „Das Kind wurde zum Objekt, um sich abzureagieren“, sagte Winkelmann, von einem Erwachsenen habe der 25-Jährige zu viel Gegenwehr befürchtet. In Tötungsabsicht und wie mit einem Beil habe der Angeklagte mehrfach mit dem Messer auf den Hinterkopf des Mädchens gehackt, so die Überzeugung des Gerichts. Wegen seiner Erkrankung sei er vermindert schuldfähig.
Betreuerin wird zum Schutzengel
Dass er von selbst von seinem Opfer abließ, sei nicht glaubhaft. Allein die mutige Betreuerin habe das Mädchen gerettet. „Sie waren der Schutzengel und das größte Glück“, sagte Winkelmann in Richtung der Frau, die Nebenklägerin war. Die 61-Jährige konnte auch ein behindertes Kind und dessen Begleiterin einschließen.
Täter stellte sich aus Angst vor Spinnen
Weil er allein auf dem Flur stand, habe er seinen Tötungsplan nicht weiter umsetzen können, so das Gericht. Dass unterdessen vier weitere Kinder arglos in einem offenen Zimmer spielten, habe er nicht bemerkt. „Was für ein Glück“, sagte der Richter. Zugute hielt die Kammer dem 25-Jährigen, dass er sich stellte. Stundenlang hatte er sich zuerst im Wald versteckt. Wegen der bevorstehenden Nacht und seiner Angst vor Spinnen und Insekten habe er sich in Uhlbach einem Feuerwehrmann offenbart.