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Mit buntem Häs und allerlei Schabernack locken die Fasnetsumzüge in Deizisau und Reichenbach jeweils mehrere tausend Besucher an.

Deizisau/ReichenbachMit den beiden Umzügen in Reichenbach und Deizisau ist die Fasnet am Wochenende in die heiße Phase gestartet. An den Umzügen nahmen jeweils mehr als 60 Gruppen und 3000 Hästräger teil. Tausende Schaulustige säumten die Straßen.

Reichenbach

Der Ursprung der Reichenbacher Fasnet liegt im Jahr 1999. Weil sich die Kinder des Michaelis Kindergartens vor 20 Jahren ein Baumhaus wünschten, gingen Mütter auf Sponsorensuche. Ihre Wünsche blieben unerhört, deshalb veranstalteten die 13 Mütter einen Kinderfasching zugunsten des Kindergartens. Da für diesen Anlass noch ein Höhepunkt fehlte, wurde ein Tanz kreiert. Bei der Namensgebung legte die Gruppe eine Zeitreise zurück: 1911 brannte eine Spinnerei nieder. Immer wieder brachen Feuer, die Einwohner vermuteten einen zündelnden Feuerteufel. In Anlehnung an die Brandserie fand die Tanzgruppe ihren Namen: die Feuerteufel aus Reichenbach. Der erste Kinderfasching war ein Erfolg, die Begeisterung an der Fasnet entwickelte sich weiter. Zum Kinderfasching kamen die Hallenfasnet und der Rathaussturm samt Umzug hinzu. Seit 2015 gibt es den Narrenumzug mit Narrenfest.

„Die Organisation des Umzugs beschert viel Arbeit“, stöhnt Sandra Maier, zweite Vorsitzende der Feuerteufel. Sie erledigten die Aufgaben aber mit Freude. „Besonders bei dem Kaiserwetter, wie in diesem Jahr.“ Der Umzug ist auf 65 Gruppen angewachsen, rund 3000 Hästräger laufen mit. „Die Hexen, Teufel und Guggen kommen beinahe aus ganz Baden-Württemberg zu uns“, sagt Sandra Maier. So reisten die Reichsstetthexen aus Rottweil an. Aber auch viele Zünfte und Gruppen aus der näheren Umgebung gratulierten mit ihrer Teilnahme zum 20-jährigen Bestehen der Feuerteufel.

Die Feuerteufel führten den Umzug durch die Straßen an. Ihnen folgten Geister, Hexen und Dämonen. Viele Gruppen hatten eine kurze Anreise, etwa aus Esslingen, andere nahmen eine größere Wegstrecke auf sich. Aus Reutlingen und Tübingen trieben Hästräger ihr Unwesen. Zur Schadenfreude des Publikums schnappten sie sich immer wieder Mädchen aus den Zuschauerreihen und stahlen die Schuhbändel oder trieben allerlei anderen Schabernack mit der Menge. Immer wieder hörte man die Narrenrufe der einzelnen Gruppen und die gut gelaunten Zuschauer schrien kräftig mit. Man feierte gemeinsam Fasnet. Da war auch niemand sauer, wenn das Gesicht nach dem Umzug ein neues Make-Up hatte. Nicht einmal Bürgermeister Bernhard Richter kam ungeschoren davon. Er ließ sich aber nicht lumpen, sondern positionierte sich als gut gelaunter Fasnetfan. Amüsiert schob er beispielsweise das Ratschen-Rad einer Faschingszunft auf einer kurzen Strecke. Die größtenteils kostümierten und geschminkten Kinder freuten sich über den Bonbon-Regen und ließen sich durch die schaurig-schönen Masken erschrecken. Guggenmusiken wie die Rommdreiber aus Rechberghausen sorgten mit ihren schrägen Tönen genauso für gute Stimmung wie die Stäära Gugger aus Donzdorf. Knapp eineinhalb Stunden dauerte der farbenprächtige Umzug, das anschließende Narrenfest krönte dann die Fasnet.

Deizisau

Mitte Februar, 20 Grad, Sonnenschein und in Deizisau ist mal wieder der Himmel blau. „Das haben wir uns verdient, wir sind brav“, sagt Vera Widmann, die vom Rathausbalkon den Umzug moderiert und die Narrengruppen und ihre Rufe vorstellt. Die zotteligen Ritter aus Deizisau und ihre Frauen, die Schendmärre, marschieren vorne draus und werden von Vera Widmann, der Frau des Zunftmeisters, mit einem lauten „Schlegler!!!“ begrüßt. Dem „Hau“ der Zuschauer fehlt es noch an Durchschlagskraft. Aber es kommen ja an diesem Sonntagmittag noch 66 Gruppen. An mehreren Tausend froh gelaunter Zuschauer ziehen sie vorbei in Richtung Gemeindehalle, wo weiter gefeiert wird.

Mit Guggenmusik auf dem Marktplatz und dem Stellen des Narrenbaums vor dem Alten Rathaus hat das närrische Treiben in Deizisau begonnen. Die Schlegler haben den Maibaum der Gemeinde recycelt und lediglich ein frisches Tännchen oben aufgepflanzt. Die Schlegler sind selbst sind so eine Art Recyclingprodukt. 1366 tauchen sie als Rittergesellschaft in Württemberg auf, sie tragen einen silbernen Schlegel um den Hals. Als sie zum Räubervolk verkommen, werden sie von Graf Eberhard in den Kerker gesperrt . . . – und tauchen 1988 als Narren in Deizisau wieder auf. Mit Pferdeschweifen auf dem Kopf und gusseisernem Schellengürtel um den Bauch. Wenig später haben sie sich eine Frau gesucht: Die Schendmärre, die einst als Hexe in Deizisau angeklagt war, aber freigesprochen wurde – und ebenfalls über Jahrhunderte verschwunden war.

Knapp 50 Hästräger und reichlich Narrensamen zählen die Deizisauer Narren heute, berichtet Zunftmeister Roland Widmann. Punkt 14 Uhr gibt die Deizisauer Schützengilde mit drei Salutböllern das Startsignal. Der Zug läuft los. Hinter den Schleglern und Schendmärren dröhnen die „Granada-Fetza“, die örtliche Guggenmusik. Zur zackigen Musik passt das ebenso zackige Make-up, das ihnen als Airbrush ins Gesicht gepustet wurde. Es folgen die Sirnauer Hexen, die freien Narren aus Zell, die Waschweiber aus Berkheim und alles, was in der Region unter Narren Rang und Namen hat. Neben Teufel, Hexen, Wölfen und die langzähnigen Dämonen fallen die freundlichen Nadelbäumle aus Neuhausen auf, die Bonbons und Bälle an die Kinder verteilen. Die Blauen Löwen aus Wernau beweisen, dass sie aus einer Fasnetshochburg stammen. Sie stehen auf ihrem Stimmungs-Lkw oben, doch die Liedtexte sind aus der unteren Schublade. Die Köngener haben die Sau-Glogg-Gugga rübergeschickt, farbenfroh und fröhlich: Ist ihr Kostüm schlumpfblau, babyblau oder einfach hellblau? Die Musikerinnen rätseln und finden die Lösung: Häsblau! Alles gut, solange nur das Häs blau ist – und der Deizisauer Himmel.