Oberbürgermeister Thomas Sprißler (Mitte) probt das Verweilen. Foto: Eibner/Alessandro Marcigliano

Die Herrenberger Altstadt soll attraktiver werden: Blumenkübel, Fahrradständer und Sitzbänke möblieren temporär vier Parkplätze. Das mag kein großer Wurf sein, aber kann die Veränderung dennoch etwas bewirken?

„Die vier Parkplätze werden die Altstadt weder retten, nach absterben lassen“, sagte der Herrenberger Oberbürgermeister Thomas Sprißler am Dienstag in der Schulstraße: Dort nämlich auf einem kleinen Plätzchen hat Herrenberg vier Parkplätze temporär umgewidmet und bis 31. Oktober eine hübsche Sitzecke mit Service geschaffen: Zwei Bänke gibt es, mehrere mit Sonnenhütchen und anderen Zierpflanzen besetzte Blumenkübel, dazu ein Fahrradständer aus Edelstahl und sogar eine mobile Servicestation für das Rad, falls mal Luft fehlt oder der Lenker wackelt.

Das Ganze ist ein Versuchsballon, der vom Land Baden-Württemberg gestartet wurde. „Temporäre Umgestaltung von Ortsmitten“ heißt das Förderprojekt des Landesministeriums für Verkehr, das die Möblierung auf den zeitweise umgewidmeten Parkplätzen Herrenberg ausgeliehen hat. Deswegen kommen auf die Stadt kaum Kosten zu, nur gießen müssen die Herrenberger selber. Die Sitzecke soll die Bürger einladen zu Begegnungen, Austausch oder einer kleinen Verschnaufpause.

Mit an Bord ist Friday for Future

Doch scheint selbst diese temporäre Umwidmung von nur vier Parkplätzen nicht ganz frei von Meinungsverschiedenheiten gewesen zu sein und hatte einiges an Vorbereitung erfordert. Der Runde Tisch Radverkehr und der Runde Tisch Innenstadt hatten getagt, und das Projekt für gut gefunden, auch die Friday for Future Bewegung ist mit an Bord und hatte die Bänke bereits am Montag als Veranstaltungsort genutzt.

Thomas Sprißler warb bei der Eröffnung jedenfalls für das Vorhaben. Denn nicht nur in Herrenberg, auch in vielen anderen historischen Innenstädten macht sich gähnende Leere hinter den Schaufenstern breit. Traditionelle alteingesessene Geschäfte schließen, neue werden nicht mehr eröffnet. Die Kaufkraft wandert ins Internet ab, Gastronomie tritt an die Stelle der Geschäfte, aber oftmals auch nur kurzfristig. „Die Veränderung ist durch Corona noch beschleunigt worden“, konstatierte Thomas Sprißler.

Analoge und digitale Pinnwand

Die Möglichkeiten der Stadt, den Strukturwandel für die Innenstadt positiv zu gestalten sind begrenzt, aber eine davon ist eben die: „Wir müssen schauen, dass wir die Innenstadt attraktiv gestalten“, sagte Sprißler und die Altstadt vom reinen Einkaufsort zur Flaniermeile umgestalten. Weil die Anziehungskraft dieses umgestalteten Platzes durchaus auf jeden verschieden wirkt, ist neben den Sitzbänken ein großer gelber Briefkasten aufgestellt.

Wer den temporär umgestalteten Raum in der Schulstraße nutzt, hat Gelegenheit, entweder analog vor Ort einen Brief mit Anmerkungen einzuwerfen, oder auf einer digitalen Pinnwand unter www.herrenberg.de/temporäre-umgestaltung Rückmeldung zu seinen Erfahrungen mit der Aktion zu geben. Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, ob ähnliche temporäre Umgestaltungen künftig weiterverfolgt werden sollen.

Jede Entscheidung habe ihren Preis, sagte Thomas Sprißler, und bei der Entscheidung für die Sitzecke in der Schulstraße seien es die vier Parkplätze. Es sei nur eine kleine Stellschraube, doch „anstatt die Verödung der Innenstadt zu beklagen, müssen wir ein bisschen was tun“, sagte der Oberbürgermeister, „man muss Bewegung reinbringen, und wir haben uns bewegt.“ Auch wenn die Bewegung darin besteht, Leute zum Anhalten einzuladen.