Griechische Soldaten retten Menschen aus evakuierten Dörfern. Foto: dpa/Yorgos Karahalis

In Mittelgriechenland wird das gewaltige Ausmaß der Zerstörungen allmählich sichtbar. Sicher ist: Die Folgen der Überschwemmungen sind katastrophal.

Als die Flut kam, flohen Takis Krikelis und seiner Frau Eva aus dem Dorf Palamas in die 20 Kilometer entfernt Kreisstadt Karditsa. Sie schafften es gerade noch über Straßen, auf denen das Wasser immer höher stieg. Jetzt sieht der Landwirt Luftaufnahmen von seinem Darf. Nur noch einige Dächer und Baumwipfel ragen aus der braunen Flut. Sein Hof ist verschwunden, auf den Feldern steht das Wasser meterhoch. „Wir haben alles verloren“, sagt Krikelis, „unser Haus, unsere Tiere, den Traktor – alles.“

Wie viele Opfer die Überschwemmungen gefordert haben, ist noch unklar. Bis zum Freitagmittag wurden sieben Tote geborgen. Es gibt zahlreiche Vermisste. Die Opferzahlen dürften weiter steigen, wenn das Wasser zurückgeht und die Rettungsmannschaften die jetzt noch überfluteten Dörfer erreichen.

Junges Paar aus Österreich ins Meer gerissen

Zu den Vermissten gehört ein junges Ehepaar aus Graz, das am Fuß des Pilion-Gebirges Urlaub machte. Ein Vermieter von Ferienwohnungen in der Ortschaft Xinovrysi sagte, die beiden Österreicher seien offenbar mitsamt dem Ferienhaus von der Sturzflut ins Meer gerissen worden.

Am Freitagmorgen zogen die letzten Regenwolken des Sturmtiefs Daniel ab. Aber noch gibt es keine Entwarnung, im Gegenteil: Die Bewohner mancher Dörfer sind seit fünf Tagen von der Außenwelt abgeschnitten. Am Freitag lösten die Behörden Katastrophenalarm für die 165 000 Einwohner zählende Stadt Larisa aus, weil der Fluss Pinios durch Wasser aus den umliegenden Bergen immer weiter anschwoll. An zwei Stellen brachen gegen Mittag die Deiche. Die Feuerwehr evakuierte mehrere Stadtteile und drei gefährdete Dörfer.

Kornfelder sind auf Jahre hinaus zerstört

Die Ebene von Thessalien, eines der wichtigsten Anbaugebiete Griechenlands für Getreide und Baumwolle, gleicht einem endlosen See. Aufnahmen des europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-1 zeigen: 720 Quadratkilometer sind überflutet, eine Fläche so groß wie Hamburg. Das Wasser steht vielerorts vier Meter hoch. In der thessalischen Ebene, die von Bergen umgeben ist, kann das Wasser nicht durch Flussläufe abfließen. Man muss warten, bis es versickert oder verdunstet. Das kann Wochen dauern.

„Ich glaube, wir haben das volle Ausmaß dieser Katastrophe noch gar nicht begriffen“, sagt Efthymios Lekkas, Professor für Katastrophenmanagement an der Universität Athen. Lekkas glaubt, dass es „mindestens fünf Jahre dauern wird, bis sich die Region von der Flut erholt hat und der Anbau auf den Feldern wieder möglich ist“.

Der Ministerpräsident besucht das Katastrophengebiet

Am Freitag flog Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis ins Katastrophengebiet. „Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir alles Menschenmögliche tun werden“, sagte der Regierungschef beim Besuch in der Stadt Karditsa. Es werde keine Diskussion um Ressourcen geben, es gehe um die schnelle Umsetzung. „Wir werden das Geld finden, egal ob es sich um nationale oder europäische Mittel handelt“, sagte Mitsotakis. „Wir sind in der Lage, es schaffen zu können.“

In der Kreisstadt Larisa wurde ein Krisenzentrum eingerichtet. Dort sollen Militär, Zivilschutz, Feuerwehren und Hilfsorganisationen die Versorgung der Bevölkerung und die Wiederherstellung der vielerorts zusammengebrochenen Strom- und Wasserversorgung koordinieren. Die Zerstörungen der Infrastruktur sind immens. Die Flut hat Straßen weggespült und Brücken zum Einsturz gebracht. Die 145 000 Einwohner zählende Hafenstadt Volos war am Freitag den vierten Tag in großen Teilen ohne Strom und Trinkwasserversorgung.

Klimawandel begünstigt Entstehen von Hurrikanen

Verheerend wütete das Unwetter auch in den Ortschaften des Pilion-Gebirges und auf den Sporadeninseln Skopelos, Skiathos und Alonisos haben die Unwetter große Verwüstungen angerichtet. So viel Regen in so kurzer Zeit wurden noch nie seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen in Griechenland gemessen. In der Ortschaft Zagora fielen innerhalb von 20 Stunden 745 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Das war doppelt so viel wie in Athen in einem ganzen Jahr.

Meteorologen sehen einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. In diesem Sommer waren die Wassertemperaturen im östlichen Mittelmeer höher als je zuvor seit Beginn der Messungen. Das begünstigt die Entstehung der Medicanes, Mittelmeer-Hurrikane. Solche Wirbelstürme waren früher in der Mittelmeerregion äußerst selten. „Medicanes gab es in der Vergangenheit etwa alle 300 Jahre“, sagt der Klimaforscher Christos Zerefos, der dem griechischen Beirat für den Klimawandel angehört. In Zukunft werde man mehr mit ihnen rechnen müssen.