Thomas Letsch sieht seiner Aufgabe in Aue gleichermaßen optimistisch und realistisch entgegen. Foto: dpa Foto: dpa - dpa

Von Hannes Kern

Aue – Es scheint, als habe das Erzgebirge auf Trainer aus Esslingen und Umgebung eine besondere Anziehungskraft. Der in Aichwald aufgewachsene Domenico Tedesco rettete den Zweitligisten FC Erzgebirge Aue vor dem Abstieg, ehe er nach nur drei Monaten zum Bundesligisten FC Schalke 04 wechselte. Sein Nachfolger in Aue ist Thomas Letsch, der in den 90er Jahren unter anderem beim damaligen Oberligisten TSVW Esslingen spielte und zuletzt als Interimstrainer beim österreichischen Erstligisten RB Salzburg tätig war. „Das ist für mich ein großer Schritt nach vorne“, sagt der 48-jährige gebürtige Esslinger.

Es ging alles relativ schnell. Aues Präsident Helge Leonhardt meldete sich bei Letsch, der flugs aus dem Urlaub zurückflog und sich mit den Auer Funktionären in München traf. Lange musste Letsch nicht überlegen. „Ich will als Trainer weiterkommen, und Aue ist für mich eine große Chance.“ Wenngleich Aue in gewisser Weise auch ein Wagnis ist. „Man muss realistisch sein. Es geht zunächst nur darum, den Klassenverbleib zu sichern“, sagt Letsch, der vor dem Saisonbeginn Ende Juli noch nach Verstärkungen Ausschau halten muss, denn zwei Leistungsträger haben die Mannschaft aus dem Erzgebirge verlassen.

In Aue ist alles ein bisschen anders. Da es keinen Sportdirektor gibt, muss Letsch selbst den Kader zusammenstellen. Dabei kommt ihm seine Tätigkeit als Sportlicher Leiter in Salzburg zugute, wo er ein umfassendes Netzwerk aufgebaut hat.

Aue ist aber auch so etwas wie ein schlafender Riese. Der Verein hat eine lange Tradition, ein treues Publikum und ein rundum erneuertes Stadion, das im Dezember fertig wird. „Der Verein wird unterschätzt“, sagt Letsch, „wenn wir es schaffen, eine schlagkräftige Mannschaft zu formen, kann hier etwas Gutes entstehen.“

Letsch hatte sich zuvor Hoffnungen gemacht, in Salzburg den Posten des Chetrainers zu bekommen. Doch der Verein hat sich für Marco Rose entschieden. „Ich war enttäuscht, dass mit mir nicht gesprochen wurde“, sagt Letsch, der die fünf Jahre in Salzburg dennoch als „wundervolle Zeit“ bezeichnet.

RB-Akademie als Reputation

Letschs Tätigkeit in der Trainerakademie von Red Bull Salzburg war für die Auer Funktionäre ein gewichtiges Argument, den Esslinger ins Erzgebirge zu holen. Gegründet wurde diese Akademie von Ralf Rangnick, der Letsch 2012 nach Salzburg holte, wo der Esslinger zunächst in der Jugend und 2013 als Co-Trainer von Roger Schmidt arbeitete.

Zuvor war Letsch Trainer bei den Stuttgarter Kickers, in Heilbronn, Ulm und Großaspach, eher er sich entschloss, drei Jahre lang als Lehrer in Portugal zu arbeiten. Doch die Leidenschaft für den Fußball war stärker. Und als Rangnick rief, war Letschs weiterer Weg vorgezeichnet. Die Zeit in Portugal wollte der 48-Jährige dennoch nicht missen: „Das war eine tolle Lebenserfahrung.“

Großaspach, Portugal, Salzburg – und jetzt Aue. Ein Sprungbrett in die Bundesliga wie bei Tedesco? „Ich bin nicht blauäugig, mir jetzt höhere Ziele zu setzen“, sagt der Esslinger. Die Aufgabe in Aue ist schließlich anspruchsvoll genug. „Ich versuche, der Mannschaft meine Ideen nahezubringen. Ich bin sicher vom RB-Fußball geprägt. Es ist aber nicht möglichen, eine Art Fußball auf jede Mannschaft zu stülpen.“ Das geht nur Schritt für Schritt.

Kontakte nach Esslingen hat Letsch immer noch. Seine Eltern leben in Altbach, und vor kurzem hat er sich mit seinem Ex-Trainer Martin Hägele getroffen. Natürlich philosophierten die beiden über die alten Oberliga-Zeiten. Und bestimmt auch über Erzgebirge Aue, Letschs neue Herausforderung.